11Os119/18m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der OKontr. Trsek als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Rene E***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 28. Juni 2018, GZ 9 Hv 115/17w 40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rene E***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 5. Juli 2017 in S***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer damit einhergehenden Steuerungsunfähigkeit, die Justizwachebeamten Hans K***** und Mario P***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Fixierung und anschließenden Verbringung aus dem Haftraum und Absonderung im Rahmen ihrer Aufsichts und Überwachungstätigkeit als Strafvollzugsbedienstete, zu hindern versuchte, indem er sich aus dem Festhaltegriff der genannten Justizwachebeamten (US 3: unter Anwendung von Körperkraft und dem Versuch, mit seinen Händen auszuschlagen) loszureißen versuchte, sodass er zu Boden gebracht und ihm Handfesseln am Rücken angelegt werden mussten, sohin eine Tat beging, die als das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Feststellungen zum objektiven Tathergang aus den Angaben der Zeugen K***** und P***** in der Hauptverhandlung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
Dabei ließen die Tatrichter die Depositionen dieser Zeugen vor der Polizei und jene des Zeugen P***** vor der Staatsanwaltschaft nicht unerörtert (US 3 f), sodass auch der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht.
Mit der Behauptung, die Feststellungen zum objektiven Tathergang stünden im Widerspruch zum Akteninhalt, wird kein Widerspruch in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO geltend gemacht (RIS Justiz RS0119089).
Ebensowenig zeigt das Vorbringen, die erwähnten Konstatierungen seien mit den Aussagen der Justizwachebeamten nicht in Einklang zu bringen, eine Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) im Sinn eines Fehlzitats in den Entscheidungsgründen auf (vgl RIS-Justiz RS0099547). Die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen kann auch unter dem Gesichtspunkt von Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0099524).
Insgesamt erweist sich die Mängelrüge bloß als Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld („Darstellung … zweifelhaft … nicht überzeugend“).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist lediglich auf die Argumente der Mängelrüge und vernachlässigt damit, dass die Nichtigkeitsgründe wesensmäßig verschieden sind und daher getrennt ausgeführt werden müssen (RIS Justiz RS0115902). Jedenfalls gelingt es ihr dadurch nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken.
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Bezugnahme auf das – den Urteilssachverhalt bekämpfende – Vorbringen der Mängelrüge das Vorliegen einer den objektiven Tatbestand erfüllenden Widerstandshandlung schlicht bestreitet, verabsäumt sie die gebotene (RIS Justiz RS0099810) Ableitung dieser Rechtsbehauptung auf Basis der im Urteil festgestellten Tatsachen (US 3; vgl im Übrigen RIS Justiz RS0094001, RS0095724, RS0095708).
Auch die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) ist nicht an der Prozessordnung orientiert. Denn mit der aus Passagen des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen abgeleiteten Forderung nach einer bedingten Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (RIS Justiz RS0099865, RS0091489).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).