11Os105/18b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der OKontr. Trsek als Schriftführerin in der Strafsache gegen C***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 23. April 2018, GZ 41 Hv 1/18i 35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde C***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB (II./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 Z 2, 15 StGB (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in H*****
I./ Ende Winter 2011/Anfang Frühling 2012 mit der am ***** 2000 geborenen unmündigen S***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er sie im unbekleideten Intimbereich streichelte sowie in der Folge seinen Daumen zwei Mal in ihre Scheide einführte;
II./ zu nachgenannten Zeitpunkten an der zuvor genannten S***** und der am ***** 2003 geborenen unmündigen T***** außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen unternommen und zu unternehmen versucht, indem er
a./ im Sommer 2012 den unbekleideten Intimbereich der S***** mit seinen Fingern streichelte;
b./ Ende Winter 2011/Anfang Frühling 2012 den unbekleideten Intimbereich der T***** für ca zwei Minuten mit seinen Fingern streichelte;
c./ ca zwei Wochen bis zwei Monate nach dem Vorfall II./b./ den unbekleideten Intimbereich der T***** für ca 30 Sekunden mit seinen Fingern streichelte;
d./ ca zwei Wochen nach dem Vorfall II./c./ den unbekleideten Intimbereich der T***** berühren wollte, dies jedoch aufgrund des Umstands, dass T***** zu weinen begann und ihm sagte, sie wolle das nicht mehr, unterließ;
III./ durch die zu I./ und II./ genannten Handlungen an der unmündigen S***** und der unmündigen T***** unter Ausnützung seiner Stellung als Aufsichtsperson als Babysitter geschlechtliche Handlungen an den Genannten vorgenommen und vorzunehmen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Mängelrüge (Z 5) unterlässt die zur prozessordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes unerlässliche Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0116504, RS0119370) ebenso wie die Bezugnahme nur auf entscheidende Tatsachen, also solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS Justiz RS0106268).
Der nur an einer Passage des Urteils orientierte Vorwurf der Undeutlichkeit, es sei nicht erkennbar, bei welchen „geschilderten Handlungen … [der Angeklagte] mit dem Wissen und Willen handelte, geschlechtliche Handlungen an den Opfern vorzunehmen“ (US 4), lässt die geforderte Gesamtschau der Entscheidungsgründe (US 3 ff, 9) außer Acht. Im Übrigen ist selbst diese – für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten (RIS Justiz RS0117995) – unzweifelhaft ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 419) auf eine vorsätzliche Tatbegehung durch den Angeklagten abzielende Feststellung entgegen der verkürzten Darstellung des Rechtsmittelwerbers nicht undeutlich.
Die weitere Kritik, das Erstgericht habe lediglich festgestellt, T***** habe sich wegen ihrer Kopfschmerzen in psychologische Betreuung begeben, nicht aber auch wegen „Mobbing in der Schulklasse“ spricht ebenso keine entscheidende Tatsache an wie jene, es sei lediglich eine weiter nicht konkretisierte Gesundheitsschädigung „von nicht mehr als 24 Tagen“ konstatiert worden (vgl aber US 4).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) thematisiert Unklarheiten in den Aussagen der Opfer über die Zeitpunkte der Taten – womit sich das Erstgericht im Übrigen auseinandersetzte (US 8) – und dem Anvertrauen der Vorfälle an ihre Schwester, den vermeintlich unklaren „Ursprung“ der psychologischen Betreuung und den Umstand, dass der Angeklagte in der Familie „akzeptiert und geschätzt“ worden sei. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift aber seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583).
Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Demgemäß liegt keine prozessordnungsgemäße Darstellung eines derartigen Beschwerdegrundes vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird (RIS Justiz RS0099810 [T15]).
Soweit die Rechtsrüge das Fehlen ausreichender Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet und erneut darauf verweist, dass die Bezugnahme auf „die geschilderten Handlungen“ nicht ausreiche, übergeht sie die Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts (US 3, 4; s auch US 9), sodass auch sie der dargelegten Anforderung nicht gerecht wird (RIS Justiz RS0099810; Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 584).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.