3Ob53/18t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen N*****, geboren am ***** 2006, *****, vertreten durch seine Mutter S*****, diese vertreten durch Dr. Manfred Opetnik, Rechtsanwalt in Völkermarkt, Vater D*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft (OG) in St. Veit an der Glan, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 24. Jänner 2018, GZ 4 R 1/18s 116, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Eisenkappel vom 11. November 2017, GZ Pu 2/12k 109, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der damals durch den zuständigen Kinder und Jugendhilfeträger vertretene Minderjährige beantragte am 30. August 2007, seinen damals in Neuseeland lebenden (mittlerweile nach Australien übersiedelten) Vater auf Basis eines – im Rahmen der Anspannung angenommenen – monatlichen Einkommens von 2.200 EUR zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 300 EUR ab 2. September 2006 zu verpflichten.
Eine Gleichschrift dieses Antrags samt einer Ausfertigung des Beschlusses des Erstgerichts vom 4. September 2007, womit dem Vater iSd § 17 AußStrG aufgetragen wurde, sich binnen 14 Tagen zum Unterhaltsfestsetzungsantrag zu äußern, wurde dem Vater (gemeinsam mit der Ausfertigung einer am 3. April 2008 erlassenen einstweiligen Verfügung nach § 382a EO) am 18. April 2008 in Neuseeland durch die – vom Erstgericht ohne Einbindung des Bundesministeriums für Justiz darum ersuchte – österreichische Vertretungsbehörde (ohne Anschluss einer Übersetzung in die englische Sprache) eigenhändig zugestellt.
Mangels Äußerung des Vaters zum Unterhaltsfestsetzungsantrag verpflichtete das Erstgericht ihn mit Beschluss vom 29. Mai 2008 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 300 EUR beginnend mit 2. September 2006 bis auf weiteres.
Das Erstgericht versuchte zunächst, dem Vater diesen Beschluss und zwei weitere Dokumente wiederum über die österreichische Vertretungsbehörde in Neuseeland zuzustellen (ON 10), was jedoch scheiterte, weil der Vater die Zustellstücke nicht vom Konsulat abholte (ON 18).
Ende August 2008 – noch vor Einlangen des oben genannten Berichts des Konsulats – kam der Vater wie jedes Jahr zum Geburtstag des Kindes für einige Wochen nach Österreich. Auf Ersuchen der Mutter fand am 28. August 2008 eine gemeinsame Aussprache beim Jugendamt statt, in deren Rahmen die Eltern eine Kontaktrechtsvereinbarung für die Dauer des Aufenthalts des Vaters trafen. Im Anschluss an diese Besprechung begleitete die zuständige Sozialarbeiterin den Vater, der der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig ist, zum Erstgericht, damit ihm dort insbesondere der Beschluss vom 29. Mai 2008 ausgehändigt werde. Dies scheiterte jedoch daran, dass der Vater gegenüber der Mitarbeiterin der Geschäftsabteilung des Erstgerichts erklärte, es eilig zu haben, weil er einen Bus erreichen müsse (ON 13). Die Kanzleimitarbeiterin ersuchte daraufhin die Sozialarbeiterin, die Zustellstücke anlässlich einer für den 1. September 2008 geplanten Besprechung am Wohnort der Mutter an den Vater zu übergeben. Am 1. September 2008 folgte die Mitarbeiterin des Jugendamts dem Vater tatsächlich den vom Erstgericht vorbereiteten Rsa Brief aus (Rückschein bei ON 13 angeschlossen), der insbesondere eine Ausfertigung des Beschlusses vom 29. Mai 2008 (ohne Übersetzung in die englische Sprache) enthielt.
Der Vater kam noch bis einschließlich 2014 jedes Jahr zum Geburtstag des Kindes auf Besuch nach Österreich und blieb drei bis sechs Wochen hier. Er lehnte es ab, mit der Mutter über Unterhaltszahlungen zu sprechen und leistete auch den festgesetzten monatlichen Unterhalt nicht. Ihm war allerdings bewusst, dass er für das Kind unterhaltspflichtig ist. Seit Weihnachten 2015 ist der Kontakt sowohl der Mutter als auch des Kindes zum Vater abgebrochen.
Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 begehrte der Vater mit seinem „Abänderungsantrag“ gemäß § 73 AußStrG, den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 29. Mai 2008 aufzuheben. Weiters beantragte er die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und die Aufschiebung des auf der Grundlage des New Yorker Unterhaltsübereinkommens in seinem nunmehrigen Wohnsitzstaat Australien anhängigen Exekutionsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Abänderungsantrag. Der Unterhalts-festsetzungsbeschluss sei in Rechtskraft erwachsen, ohne dass er sich in das Verfahren eingelassen habe oder dass ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei. Nach Unterfertigung der Übernahmebestätigung am 1. September 2008 seien ihm weder der Beschluss vom 29. Mai 2008 noch die anderen am Rückschein angeführten Dokumente ausgehändigt worden. Als Staatsangehöriger von Neuseeland spreche er im Übrigen nur Englisch, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Die ihm angeblich zugestellten Beschlüsse hätten sich auch nur in deutscher Sprache im Akt befunden, eine Übersetzung sei nicht erfolgt. Er habe schlichtweg keine Ahnung gehabt, für welches Dokument er die Übernahmebestätigung überhaupt unterschreibe. Er habe damals nicht einmal gewusst, dass ein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig sei. Das von ihm beim Jugendamt unterfertigte Dokument habe er nur so verstanden, dass er seinen Sohn an dessen zweiten Geburtstag sehen könne, wenn er unterschreibe. Selbst wenn ihm damals aber die gerichtlichen Beschlüsse ausgehändigt worden wären, hätte er diese mangels Übersetzung nicht sinnerfassend verstehen können. Folglich habe er sich gegen den Beschluss vom 29. Mai 2008 nicht zur Wehr setzen können. Der vorliegende Verstoß gegen Art 6 EMRK bewirke einen gravierenden Verfahrensmangel, der die Nichtigkeit des Verfahrens nach sich ziehe. Wäre ihm der Inhalt des Beschlusses vom 29. Mai 2008 bewusst gewesen, hätte er vorbringen können, dass die angenommene Bemessungsgrundlage von 2.200 EUR pro Monat viel zu hoch sei und dass die Mutter sein Kontaktrecht zum Kind behindert bzw verweigert habe, weshalb der Unterhaltsanspruch des Kindes gänzlich verwirkt sei.
Das Erstgericht wies sämtliche Anträge des Vaters ab. Dieser habe gegen den von ihm am 1. September 2008 eigenhändig übernommenen Beschluss vom 29. Mai 2008 weder ein Rechtsmittel erhoben noch eine Übersetzung in die englische Sprache begehrt, sodass der Beschluss in Rechtskraft erwachsen sei. Die Behauptung des Vaters, die Mutter habe ihm Kontakte zum Kind verwehrt, treffe nicht zu.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Der Beschluss vom 29. Mai 2008 sei nach eigenhändiger Zustellung am 1. September 2008 unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Die vom Vater behaupteten Zustellmängel lägen nicht vor. Auch der Umstand, dass ihm dieser Beschluss ohne Übersetzung in die englische Sprache zugestellt worden sei, könne keinen Verfahrensmangel begründen, weil der Vater weder gegenüber dem Erstgericht noch gegenüber dem Jugendamt jemals die Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache beantragt habe.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu, weil es auf das in der Zulassungsvorstellung zitierte österreichisch-britische Rechtshilfeübereinkommen vom 31. März 1931, dem zufolge eine Übersetzung der Zustellstücke geboten gewesen wäre, nicht Bedacht genommen habe, was die Nichtigkeit des bisherigen Unterhaltsverfahrens bewirken könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters, der im Wesentlichen geltend macht, die Zustellungen des Unterhaltsfestsetzungsantrags (samt Aufforderung zur Äußerung) und des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses seien mangels Anschlusses einer Übersetzung in die englische Sprache unwirksam gewesen, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig , aber nicht berechtigt .
1. Gemäß § 73 Abs 1 Z 1 AußStrG kann nach Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem über die Sache entschieden wurde, seine Abänderung beantragt werden, wenn die Partei im vorangegangenen Verfahren nicht vertreten war, also ihr rechtliches Gehör verletzt wurde (vgl G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth § 73 AußStrG Rz 31).
2. Das rechtliche Gehör des Vaters im Unterhaltsfestsetzungsverfahren könnte daher nicht durch eine allenfalls mangelhafte Zustellung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses verletzt sein, sondern nur dann, wenn ihm der verfahrenseinleitende Antrag samt Aufforderung des Erstgerichts, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern, nicht wirksam zugestellt worden wäre.
3. Auf Zustellersuchen österreichischer Gerichte an den Empfangsstaat Neuseeland ist, wie der Revisionsrekurswerber zutreffend ausführt, der österreichisch britische Rechtshilfevertrag BGBl 45/1932 anzuwenden, der eine Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke in die englische Sprache zwingend vorsieht. Gemäß § 23 Abs 6 RHE Ziv 2004 sind zuzustellenden Geschäftsstücken jedoch nur dann die in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung vorgesehenen beglaubigten Übersetzungen anzuschließen, wenn die Zustellung nicht bloß durch Übergabe des Geschäftsstücks an den zur Annahme bereiten Empfänger durchgeführt werden soll.
4. Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags und der Aufforderung zur Äußerung an den Vater erfolgte hier zwar ohne Anschluss einer Übersetzung; allerdings nicht im Wege der Behörden des Empfangsstaats, sondern durch die österreichische Vertretungsbehörde (wenn auch entgegen § 12 Abs 1 RHE Ziv 2004 ohne die hiefür vorgesehene Einbindung des [damals noch] Bundesministeriums für Justiz). Da der Vater von seinem Recht, die Annahme der Zustellstücke gegenüber dem österreichischen Konsulat zu verweigern, nicht Gebrauch machte, war die Zustellung also auch ohne angeschlossene Übersetzung der Zustellstücke wirksam (vgl 6 Ob 190/05t = RIS Justiz RS0110261 [T2]). Dass er über sein Annahmeverweigerungsrecht nicht informiert worden wäre, behauptet er gar nicht.
5. Schon aus diesem Grund haben die Vorinstanzen den Antrag gemäß § 73 AußStrG zu Recht abgewiesen. Da der Vater auch die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung hinsichtlich des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses beantragte, ist aber noch zu untersuchen, ob (auch) die Zustellung dieses Beschlusses wirksam war.
6. Nach den Feststellungen wurde dem Vater (ua) der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss am 1. September 2008 ausgefolgt, allerdings nicht gemäß § 24 Z 1 ZustG beim Erstgericht, sondern in der Wohnung der Mutter. Die Zustellung an diesem Ort war gemäß § 24a ZustG zulässig, weil der Vater über keine inländische Abgabestelle verfügt(e) und außerdem zur Annahme bereit war.
7. Gemäß § 3 ZustG hat die Zustellung durch einen Zustelldienst (die Post), durch Bedienstete der Behörde (des Erstgerichts) oder allenfalls durch Organe der Gemeinden zu erfolgen. Dem Vater wurden die Zustellstücke allerdings durch eine Mitarbeiterin des Jugendamts, die nicht dem in § 3 ZustG genannten Personenkreis angehört, ausgefolgt. Sofern dieser Vorgang nicht ohnehin nur eine bloße Ordnungswidrigkeit darstellte (vgl Stumvoll in Fasching/Konecny 3 § 3 ZustG Rz 9 mwN), ist ein dadurch begründeter Zustellmangel aber jedenfalls gemäß § 7 ZustG dadurch geheilt, dass die Dokumente dem Empfänger tatsächlich zugekommen sind.
8. Wäre der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss dem Vater, der damals einer Zustellung durch die österreichische Vertretungsbehörde nicht mehr zustimmte, im Wege der neuseeländischen Behörden zugestellt worden, hätte ihm entsprechend dem österreichisch-britischen Rechtshilfeabkommen vom 31. März 1931 (iVm § 11 Abs 1 ZustG) zweifellos – bei sonstiger Unwirksamkeit der Zustellung (RIS Justiz RS0110261) – eine Übersetzung in die englische Sprache übermittelt werden müssen. Tatsächlich erfolgte die Zustellung jedoch im Inland, sodass das genannte Rechtshilfeabkommen darauf gar nicht (unmittelbar) anwendbar war.
9. In der Entscheidung 3 Ob 91/09t EvBl 2009/150 (zust Maier ) = RIS Justiz RS0124823 hat der erkennende Senat eine gemäß § 24 ZustG erfolgte Zustellung durch Ausfolgung eines versandbereiten Dokuments (konkret einer Exekutionsbewilligung) durch das dortige Erstgericht an die im Ausland (in Slowenien) lebende Verpflichtete aus Anlass ihres Erscheinens zu einem Gerichtstermin in einem anderen inländischen Verfahren ohne Anschluss einer Übersetzung in die slowenische Sprache mit der Begründung als wirksam beurteilt, dass eine reine Inlandszustellung vorlag und in Österreich die Amtssprache deutsch ist, weshalb die Zustellung ohne beigefügte Übersetzung nicht deshalb unzulässig ist, weil der Empfänger der deutschen Sprache allenfalls nicht mächtig ist (so auch Frauenberger Pfeiler in Fasching/Konecny 3 § 11 ZustG Rz 13). Ungeachtet der in der Lehre geäußerten Kritik an dieser Entscheidung ( Bajons in Fasching/Konecny 2 Art 1 EuZVO Rz 37) ist daran jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall der Zustellung einer Gerichtsentscheidung nach bereits wirksamer Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes im Wohnsitzstaat des Empfängers festzuhalten.
10. Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs 2 AußStrG.