JudikaturOGH

5Nc13/18h – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und den Hofrat Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler, Mag. Priska Seeber, MMag. Dr. Stefan Dorner, MMag. Dr. Simon Schafferer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Grassner, Lenz, Thewanger Partner in Linz, wegen Leistung (Lieferung von Brandschutzsicherheitsgläsern; Streitwert 24.000 EUR), in dem zu AZ 9 Cg 4/18k des Landesgerichts Steyr anhängigen Verfahren über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache wird anstelle des Landesgerichts Steyr das Landesgericht Innsbruck bestimmt.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt mit der beim Landesgericht Steyr eingebrachten Klage die Beklagte zu verpflichten, in Erfüllung der zwischen den Streitteilen getroffenen Nachbesserungsvereinbarung in Quantität und Qualität spezifizierte Brandschutzsicherheitsgläser herzustellen und auszuliefern. In eventu begehrt die Klägerin die Zahlung des für die Ersatzbeschaffung erforderlichen Deckungskapitals in Höhe von 24.000 EUR.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Die Beklagte stehe zum Kläger in keinem Vertragsverhältnis, weshalb ihm auch keine Gewährleistungsansprüche wider die Beklagte zustünden.

Der Kläger beantragte aus Gründen der Zweckmäßigkeit die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck. Das betreffende Gebäude, das in Augenschein zu nehmen und wohl zwingend einer Begutachtung durch einen Sachverständigen zu unterziehen sei, liege im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck. Der Kläger und alle Beteiligten, die Vereinbarungen mit der Verkaufsleiterin der Beklagten getroffen hätten bzw bei Besprechungen vor Ort anwesend gewesen seien, hätten ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck. Die einzig denkbar auf Seiten der Beklagten anzubietende Zeugin, die Verkaufsleiterin der Beklagten sei nach eigenen Angaben für den Verkauf in „Westösterreich“ zuständig und halte sich daher regelmäßig im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck auf. Eine Verfahrensführung vor dem Landesgericht Steyr führe in Wahrheit zur Führung eines reinen Aktenverfahrens (Zeugen im Rechtshilfeweg) oder bringe einen unverhältnismäßigen Aufwand für alle Beteiligten (Zureise von Zeugen, des Gerichts zum Augenschein, gegebenenfalls auch des Sachverständigen zur Erörterung von Gutachten) mit sich.

Der Beklagte äußerte sich zu diesem Delegierungsantrag nicht.

Das Landesgericht Steyr verneinte in seiner Stellungnahme die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung und verwies zur Begründung insbesondere auf die Möglichkeit der Bestellung eines vor Ort ansässigen Sachverständigen und der Einvernahme von Parteien und Zeugen im Wege der Videokonferenz.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist berechtigt.

1. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0046441; RS0046589; RS0046324 [T5, T11, T16]) soll eine Delegierung zwar nur den Ausnahmefall bilden und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden, doch spricht hier die Zweckmäßigkeit eindeutig für die Durchführung des Verfahrens vor dem Gericht, das zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden soll.

2. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung des Prozesses, eine Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder eine wesentliche Verbilligung des Rechtsstreits zu bewirken verspricht (RIS Justiz RS0046333 [T20]; RS0053169 [T13, T14]). Zweckmäßigkeitsgründe sind vor allem der Wohnort (Sitz) der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (RIS Justiz RS0046540; RS0046333 [T5, T8, T15, T21]; RS0053169 [T12, T14, T21]). Maßgebend ist zudem die Lage eines Augenscheingegenstands (RIS Justiz RS0046333 [T8]; RS0046540 [T3, T10, T17]; RS0053169 [T5, T12]), insbesondere wenn voraussichtlich ein Sachverständigengutachten mit Befundaufnahme an Ort und Stelle einzuholen ist (RIS Justiz RS0046333 [T30]).

3. Der Kläger und die beiden bisher namhaft gemachten Zeugen haben ihren Wohnsitz (Sitz) im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck. Lediglich die Beklagte hat ihren Sitz im Sprengel des Landesgerichts Steyr. Wo potenzielle, aber (noch) nicht beantragte Zeugen ihren Wohnsitz haben könnten, kann bei der Entscheidung über einen Delegationsantrag nicht berücksichtigt werden (RIS Justiz RS0046333 [T36]; RS0046589 [T10, T15]). Auch der Augenscheinsgegenstand befindet sich im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck, sodass die Bestellung eines dort ansässigen Sachverständigen nahe liegt. Damit überwiegt die Sach- und Beweisnähe des Landesgerichts Innsbruck jene des Landesgerichts Steyr, in dessen Sprengel lediglich die Zweigniederlassung der Beklagten ihren Sitz hat, eindeutig (vgl 6 Nc 8/18f). Dabei ist die Einvernahme vor dem erkennenden Gericht jener im Weg der Videokonferenz dann vorzuziehen, wenn – wie hier – praktisch das gesamte Beweisverfahren auf diese Weise durchgeführt werden müsste (RIS Justiz RS0046333 [T38]; vgl auch RS0046540 [T34]). Dem Antrag war daher stattzugeben.

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