JudikaturOGH

7Nc11/18d – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. August 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon. Prof. Dr.

Höllwerth als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. E. Solé und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** O*****, vertreten durch Dr. Thomas Kerle und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei, zur Verhandlung und Entscheidung dieser Rechtssache anstelle des zuständigen Bezirksgerichts für Handelssachen Wien das Bezirksgericht Innsbruck zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der beklagte Rechtsschutzversicherer verpflichtet sei, für die Klagsführung gegen die A***** GmbH, die I***** GmbH Co KG und F***** B***** wegen Schadenersatz aus der rechtswidrigen Kontaminierung des in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks, Rechtsschutzdeckung zu gewähren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe die Liegenschaft von der A***** GmbH erworben. Die von dieser mit der Durchführung von Abbrucharbeiten beauftragte I***** GmbH Co KG bzw deren Subunternehmer, F***** B*****, hätten Teile des seinerzeit abgebrochenen Hauses illegal entsorgt, indem sie diese auf dem nunmehr der Klägerin gehörenden Grundstück vergraben hätten. Aufgrund dieser durch Giftstoffe vorliegenden Kontaminierung ihrer Liegenschaft beabsichtige die Klägerin die Genannten deliktisch auf Ersatz der durch die erhöhten Bau und Entsorgungskosten entstandenen Schäden in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren. Sie sei leistungsfrei aufgrund des Vorliegens des Risikoausschlusses gemäß Art 7.1.8 ARB 2010 (Bauherrenklausel). Soweit sich die Klägerin zur Deckungspflicht auf Schäden infolge einer Umweltstörung beziehe, so übersehe sie, dass Art 2.1 ARB 2010 die Frage regle, was als Versicherungsfall und wann er als eingetreten gelte. Die Klausel definiere eine Umweltstörung nicht ausdrücklich als Schadensereignis, sondern bestimme lediglich, dass auf Umweltstörungen das Störfallprinzip anzuwenden sei. Mit solchen Umweltschäden seien nur Schäden aus Betrieben gemeint, die plötzlich eintreten würden.

In ihrem Schriftsatz vom 29. 5. 2018 beantragte die Klägerin die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Innsbruck. Begründend führte sie aus, dass aufgrund der unrichtigen Behauptungen der Beklagten, es seien keine giftigen Schadstoffe – sondern lediglich Abbruchreste – auf ihrer Liegenschaft vergraben, ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Bodenkunde einzuholen sei, sodass auch ein Lokalaugenschein mit dem Sachverständigen vor Ort anzuberaumen sein werde. Weiters beantragte sie die Einvernahme ihres Ehemanns und eines in Z***** wohnhaften Zeugen. Die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Innsbruck würde zu einer wesentlichen Beschleunigung und Verbilligung des Rechtsstreits beitragen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass im Fall einer Klage gegen die Klägerin aus dem vorliegenden Sachverhalt das Gericht am Wohnort der Klägerin gemäß § 14 KSchG ausschließlich zuständig wäre, da sie der Beklagten als Konsumentin gegenüber stehe. Ihr Zugang zur Gerichtsbarkeit dürfe auch nicht mittelbar dadurch beeinträchtigt werden, dass das gegenständliche Verfahren in Wien geführt werden müsse.

Die Beklagte spricht sich gegen die Delegierung aus. Im vorliegenden Verfahren seien nur Rechtsfragen zu klären, nämlich ob der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt unter den Risikoausschluss der Bauherrenklausel falle. Die Beurteilung dieser Frage könne vom angerufenen Gericht ohne Zeugen- und Parteieneinvernahmen erfolgen.

Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien spricht sich für die Delegierung aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS Justiz RS0046441). Aus Gründen der Zweckmäßigkeit soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (vgl RIS Justiz RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zugunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS Justiz RS0046589 [T18]; RS0046324 [T1]).

Sollte sich im hier vorliegenden Deckungsprozesss – dessen Gegenstand die Deckungspflicht der Beklagten nach der Bedingungslage ist – überhaupt die Frage nach dem Giftgehalt der vergrabenen Stoffe stellen und die zum Beweis dafür beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens und die damit allenfalls einhergehende Befundung an Ort und Stelle notwendig werden, so lässt selbst dies eine Delegierung an das Bezirksgericht Innsbruck nicht im Interesse beider Parteien gelegen und demnach nach § 31 Abs 1 JN zweckmäßig erscheinen. Für die Anreise der Parteien oder des beantragten Zeugen zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen ist die Lage des erkennenden Gerichts im Verhältnis zum Ort der Befundaufnahme nicht von Bedeutung. Die im Fall der Gutachtenserörterung allenfalls etwas höheren Sachverständigengebühren bei dessen Anreise nach Wien fallen nicht so stark ins Gewicht, dass durch eine vom Gesetz als Ausnahmefall gedachte Delegierung eine Durchbrechung der grundsätzlich einzuhaltenden gesetzlichen Zuständigkeitsordnung gerechtfertigt wäre (vgl 5 Nd 505/95). Soweit die Klägerin ihre und die Einvernahme eines in Tirol ansässigen Zeugen zum Beweis dafür führt, dass die auf ihrer Liegenschaft vergrabenen Stoffe Gifte enthalten würden, handelt es sich – sofern dieser Frage im vorliegenden Deckungsprozess Relevanz zukommen sollte – ohnedies um eine vom allenfalls beizuziehenden Sachverständigen zu klärende Frage. Die Einvernahme des Ehemanns der Klägerin wurde bislang ausschließlich zu ihrer – nicht strittigen – Mitversicherung beantragt.

§ 14 KSchG verbietet vorweg getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen, durch die die örtliche Zuständigkeit zum Nachteil des Verbrauchers geregelt wird. Diese Bestimmung hat für den vorliegenden Fall keinerlei Relevanz.

Damit war der Delegierungsantrag abzuweisen.

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