11Os75/18s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kenan M***** wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 19. März 2018, GZ 15 Hv 128/17k-87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kenan M***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./ und II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in K***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld im Gesamtbetrag von rund 1.592,75 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar
I./ am 21. November 2016 Verantwortlichen des Lokals „S*****“, indem er mit einer Sturmhaube maskiert und einer tief ins Gesicht gezogenen schwarzen Kapuze das Lokal betrat und zunächst der Angestellten Christine R***** mit einer gegen sie gerichteten, nicht näher feststellbaren „Pistole“, welche einer echten Waffe zumindest täuschend ähnlich sieht, deutete, hinter die Verkaufstheke zu gehen, in der Folge den Angestellten Andreas E***** durch Ziehen an dessen T-Shirt und der Aufforderung „Du her da“ hinter die Verkaufstheke dirigierte, wo er diesen auf den Boden zwang, sich über den Genannten stellte bzw seine Beine zwischen den Achselhöhlen des Genannten platzierte und ihn auf eben diese Weise fixierte und schließlich R***** sinngemäß aufforderte, ihm das Geld zu geben, wobei er ihr dabei die „Pistole“ an die Schläfe setzte und nach Öffnen der Kassenlade durch die Genannte aus dieser Bargeld in Höhe von rund 500 Euro an sich nahm und sie anschließend dazu aufforderte, sich auf den Boden zu legen, bevor er das Lokal mit den Worten „bis zwanzig zählen, wenn was passiert, komme ich wieder“, verließ;
II./ am 25. November 2016 Verantwortlichen einer L*****-Filiale, indem er mit einem Nikolausbart maskiert und einer tief ins Gesicht gezogenen schwarzen Kapuze die Filiale betrat und eine nicht näher feststellbare „Pistole“, welche einer echten Waffe zumindest täuschend ähnlich sieht, mit den Worten „Kassa, Geld!“ gegen die Angestellte Cornelia H***** richtete und diese unter fester Umklammerung sowie unter Andrücken der Waffe im Bauch- bzw Hüftbereich in Richtung Kassenbereich führte, wo er sie, nach wie vor an der Hand festhaltend und mit der angesetzten Pistole bedrohend, dazu zwang, die Kassenlade zu öffnen und in weiterer Folge nach Öffnen der Kassenlade durch die Genannte aus dieser Bargeld in Höhe von 1.092,75 Euro an sich nahm.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.
Die zum Schuldspruch I./ ausgeführte Mängelrüge (Z 5 zweiter, der Sache nach auch vierter Fall) kritisiert mit Verweis auf die Verantwortung des Angeklagten (US 7 f) die tatrichterlichen Erwägungen (US 7 f) zur Zuordnung der jeweils DNA-Spuren des Angeklagten tragenden und am Tatort aufgefundenen Beweisgegenstände. Mit dem Argument, die auf der (umhüllenden) Verpackung festgestellte Mischspur stütze die Angaben des Beschwerdeführers, sodass bei entsprechender Würdigung seiner Aussage „festgestellt worden wäre, dass … der Tablettenblister und [die] Zigarettenverpackung auch von einem Käufer der Drogenersatzmittel des Angeklagten stammen könnte“, bekämpft sie mit eigenen Spekulationen zur Art und Reihenfolge der Berührung der Beweisgegenstände durch eine unbekannte Person bloß unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld die Beweiswürdigung des Schöffensenats (US 8; RIS-Justiz RS0099455). Im Übrigen übergeht der Rechtsmittelwerber prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0116504; Ratz , WK StPO § 281 Rz 394), dass die Tatrichter dessen Angaben ohnehin erwogen (US 7 f), diesen aber – unter ebenfalls außer Acht gelassener vernetzter Betrachtungsweise weiterer Beweismittel, wie unter anderem der Angaben der Zeugin R*****, den Angeklagten sicher an dessen Stimme erkannt zu haben (US 8) – nicht folgten.
Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) das Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit einzelnen Passagen in den Angaben des Zeugen E***** kritisiert, ignoriert sie erneut die Gesamtheit der erstrichterlichen Erwägungen (US 8; RIS-Justiz RS0119370). Die Tatrichter waren – dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht gehalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (RIS Justiz RS0106295; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 428).
Dies gilt auch für die zu beiden Schuldspruchpunkten vom Beschwerdeführer relevierten, seitens der Tatrichter als unglaubwürdig beurteilten (US 8 ff, 11) Angaben der (Alibi )Zeugen Sale Si*****, Sudir D***** und Mustafa U*****. Im Übrigen kann die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person mit Nichtigkeitsbeschwerde in der Regel (zur hier nicht greifenden Ausnahme vgl RIS Justiz RS0106588 [T15]) nicht releviert werden (RIS-Justiz RS0099649, RS0106588).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0119583, RS0118780).
Indem die Beschwerde zum Punkt I./ des Schuldspruchs bloß nach Maßgabe eigener Beweiswerterwägungen erneut die – ohnedies erwogenen – Angaben der Zeugen Si*****, D***** und U***** thematisiert, verfehlt sie die dargelegten Anfechtungsvoraussetzungen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.