11Os67/18i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zekeriye R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1, Abs 2 erster und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend Zekeriye R***** und Ferman K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Mehmet C***** und die Berufung dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Februar 2018, GZ 52 Hv 22/17k 39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurden mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Mehmet C***** wegen des Verbrechens des betrügerischen Datenverarbeitungsmiss-brauchs nach §§ 12 zweiter Fall, 148a Abs 1, Abs 2 erster und dritter Fall StGB enthält, Zekeriye R***** und Ferman K***** gemäß § 259 Z 3 StPO (verfehlt, aber unschädlich auch von der rechtlichen Kategorie) von der Anklage freigesprochen, sie hätten („einige Tage vor dem 25. Jänner 2016“; US 9) „als Verantwortliche der KO***** KG im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3, Abs 2 [StGB]) und mit dem Vorsatz, sich bzw die KO***** KG und Mehmet C***** unrechtmäßig zu bereichern, dadurch, dass sie das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung beeinflussten, indem sie über das Einzugsverfahren ELBA ohne entsprechendes Mandat Lastschriften von den im Schuldspruch zu Mehmet C***** I./a./ und b./ und II./a./ und b./ angeführten Firmenkonten einzogen und dem Konto der KO***** KG gutschrie[ei]ben ließen, die angeführten Unternehmen in einem insgesamt 300.000 Euro mehrfach übersteigenden Betrag, nämlich EUR 1.906.729 am Vermögen geschädigt“.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Der kritisch psychologische Vorgang, der aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person führt, ist einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (RIS Justiz RS0106588 [T9]). Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen, womit sich das Ausmaß der im Einzelfall geltenden Erörterungspflicht entsprechend reduziert (RIS Justiz RS0119422 [T4, T6]; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 431 f).
Indem die Mängelrüge mit dem Ziel, die von den Tatrichtern (unter anderem [US 12 bis 23] zufolge des ehrlichen Eindrucks – US 15) bejahte (US 21) Glaubwürdigkeit der freigesprochenen Angeklagten zu erschüttern, die unterlassene Erörterung der weder für die Schuld noch für die Subsumtionsfrage entscheidenden Umstände des („typischen“ und aktuellen) Auftragsvolumens der KO***** KG (und [vermeintlicher] Widersprüche in den Aussagen hiezu), des Fehlens einer Erwähnung der benötigten Zwischenfinanzierung in einem Partnership Agreement vom 18. Dezember 2015, des Verzichts auf eine „Überprüfung“ des „UT E*****“ (dessen sich der Bestimmungstäter als Kontaktperson zu den beiden anderen Angeklagten bediente) oder eine schriftliche Vereinbarung mit diesem und der früheren Tätigkeit des Zekeriye R***** bei der „Finanzpolizei“ kritisiert und dazu eigene Beweiswerterwägungen anstellt, verfehlt sie den dargestellten Bezugspunkt. Gleiches gilt, als sie das Wissen der beiden freigesprochenen Angeklagten um die Unmöglichkeit einer Zwischenfinanzierung durch türkische oder osterreichische Banken, die angespannte Finanzlage ihres Unternehmens, ihre Vorkenntnisse bezüglich des SEPA Lastschriftverfahrens, den bei der SWIFT Überweisung am 25. Jänner 2015 angegebenen (unvollständigen) Verwendungszweck sowie das Verschweigen der entsprechenden Anschlussüberweisung der Investitionssumme auf das türkische Konto der KO***** KG (vgl US 10) gegenüber „UT E*****“ beweiswürdigend ins Treffen führt.
Soweit die Rüge moniert, R***** sowie K***** hätten diverse Aspekte des Geschehens, wie weitere Aufträge der KO***** KG und das „Private Investment Agreement“ vom 14. Jänner 2016 in der Hauptverhandlung erstmals erwähnt, zieht sie bloß für ihren Standpunkt günstigere Schlüsse aus deren Aussageverhalten, ohne den postulierten – erörterungsbedürftigen – Widerspruch aufzuzeigen (RIS Justiz RS0098646 [T8]). Gleiches gilt für die Behauptung unterschiedlicher Angaben zum angeblichen Investor, weil sich die einzelnen – in der Beschwerde hervorgehobenen – Depositionen der beiden freigesprochenen Angeklagten bei verständiger Betrachtung (vgl auch US 13) in Zusammenschau mit dem vom Erstgericht konstatierten – und insoweit unbekämpft gebliebenen – gemeinsamen und eng verflochtenen Vorgehen des Mehmet C***** und seines „Komplizen UT E*****“ (US 7 f) nicht als denklogisch unvereinbar erweisen.
Das auf den Inhalt des „Private Investment Agreement“ (vgl US 22) rekurrierende Vorbringen erschöpft sich in Überlegungen zur Nachvollziehbarkeit diesbezüglicher Angaben des Angeklagten Mehmet C*****, die jedoch vom Schöffengericht (mit eingehender Begründung insgesamt) als widersprüchlich, unglaubwürdig und lebensfremd verworfen wurden (US 20 ff). Mit zugestandenen „kleineren Zweifeln“ des Zekeriye R***** und des Ferman K***** bereits vor dem 25. Jänner 2015 und ihrem teils nachlässigen Verhalten haben sich die Tatrichter im Übrigen sehr wohl auseinandergesetzt (vgl US 15, wonach sie „unter dem Druck der Gläubiger im Vertrauen auf den Drittangeklagten“ [Mehmet C*****] „und UT 'E*****' allfällige Bedenken verdrängt und – geblendet vom großzügigen und weltmännischen Auftreten des Drittangeklagten – eine Überprüfung der Mandate [beispielsweise durch Kontaktaufnahme mit den Unternehmen] nicht für notwendig bzw. passend erachtet haben.“).
Die (aus Z 5) solcherart erfolglos bekämpfte Negativfeststellung zur subjektiven Tatseite der beiden freigesprochenen Angeklagten (US 11 f) steht einem Schuldspruch jedenfalls entgegen, sodass der Behauptung eines Feststellungsmangels (Z 9 lit a) hinsichtlich gewerbsmäßiger Begehungsweise die Grundlage entzogen ist.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass die tatrichterlichen Konstatierungen (US 11) die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung durch den Angeklagten Mehmet C***** nicht tragen. Die insoweit verfehlte rechtliche Unterstellung der Tat (auch) unter § 148a Abs 2 erster Fall StGB bietet allerdings keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 Z 2 zweiter Satz StPO: Der ungerügt gebliebene Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) hatte im Hinblick auf die gleichzeitig verwirklichte Qualifikation nach § 148a Abs 2 dritter Fall StGB auf den Strafrahmen keinen Einfluss, womit er per se keinen Nachteil im Sinn der genannten Bestimmung darstellt, zumal die mehrfache Qualifikation auch nicht als erschwerend gewertet wurde (US 24; vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 23). Bei der Entscheidung über die Berufung besteht insoweit keine Bindung des Oberlandesgerichts an den verfehlten Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 27/1; RIS Justiz RS0118870).