28Ds1/18p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 21. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 18. September 2017, AZ D 26/16, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Kammeranwalts Dr. Kaska und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterstellung der Tat als Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und der Disziplinarbeschuldigte für das ihm weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt.
Im Übrigen wird der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld keine Folge gegeben.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Disziplinarbeschuldigte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 18. September 2017, AZ D 26/16, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er in dem zur Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs seines Mandanten Josef S***** an Lilli H***** gerichteten Schreiben vom 28. Juni 2016 mit dem Passus „Da Ihr Verhalten auch den gerichtlich strafbaren Tatbestand der §§ 146 f StGB (Betrug) darstellt, erwägt mein Mandant, auch die Strafverfolgungsbehörden über Ihr schuldhaft rechtswidriges Verhalten zu informieren, also Anzeige gegen Sie zu erstatten“, dieser gegenüber unerlaubt Druck ausgeübt hat.
Über ihn wurde gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 2.000 Euro verhängt. Zugleich wurde er zur Tragung der Kosten des Verfahrens verpflichtet.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung wegen (inhaltlich auch) Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und Strafe des Disziplinarbeschuldigten.
Soweit die Berufung Feststellungen des Inhalts einfordert (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO iVm § 77 Abs 3 DSt), dass Josef S***** dem ***** mitgeteilt habe, sich „betrogen“ zu fühlen und davon auszugehen, dass Lilli H***** ihn „nur ausnützen“ wollte und „nie die Absicht“ hatte, das „Geld an ihn zurückzuzahlen“, überdies die Unterzeichnung des Darlehensvertrags verweigert und später auch nicht bestritten habe, das Geld bekommen zu haben, blenden diese Rechtsmittelausführungen zunächst die im Erkenntnis getroffenen, darauf bezogenen Konstatierungen (ES 2) aus. Die Berufung erklärt aber auch nicht, inwieweit der damit behauptete Informationsstand des Disziplinarbeschuldigten für den von ihm vertretenen Standpunkt sprechen sollte, dass er nach sorgfältiger Überprüfung zur Überzeugung gelangt sei, Lilli H***** habe ein den Straftatbestand des Betrugs nach § 146 StGB subsumierbares Verhalten gesetzt, weshalb die Drohung mit einer Strafanzeige zulässig gewesen sei (vgl RIS Justiz RS0056214 [T5], RS0056158]); lässt doch der hier in Rede stehende Geschehnisverlauf, wonach Lilli H***** die Leistung der Unterschrift auf der Darlehensvereinbarung verweigert, Josef S***** aber ihr trotzdem einen Betrag von 10.000 Euro überlassen hatte (ES 2), noch keine – für eine Verdachtslage nach §§ 146 f StGB entscheidende, die selbstschädigende Vermögenshandlung des Opfers auslösende – Täuschungshandlung der Lilli H***** (über ihre Rückzahlungswilligkeit) erkennen (vgl RIS Justiz RS0130106, RS0094536 [T1]; Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 55).
Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats, der sich mit der Einlassung von *****, wonach er den Sachverhalt „detailgenau erhoben“ und vom Vorliegen des Straftatbestands des Betrugs überzeugt gewesen zu sein, durchaus auseinandersetzte und schlüssig darlegte, weshalb er diese Darlegung nicht für stichhältig erachtete (ES 3), werden dadurch jedenfalls nicht geweckt, weshalb der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld ein Erfolg zu versagen war.
Aus Anlass der Berufung überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch vom Vorliegen einer von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO iVm § 290 Abs 1 StPO, § 77 Abs 3 DSt).
Eine Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) setzt nämlich eine – dem Erkenntnis nicht zu entnehmende (weder nach den vorliegenden Beweisergebnissen noch in einem zweiten Rechtsgang indizierte) – Tatsachenbasis voraus, wonach das Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten eine Publizitätswirkung entfaltet hatte (28 Os 4/16x; RIS Justiz RS0054876, RS0055086; Feil/Wennig AnwR 8 § 1 DSt, 859; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO 9 § 1 DSt Rz 12 ff). Davon kann – mit Blick auf die Annahme, dass Lilli H***** die geforderte (Rück-)Zahlung nicht geleistet und Josef S***** diese Forderung dennoch weder gerichtlich geltend gemacht, noch Anzeige erstattet hatte (ES 3) – nicht die Rede sein, weshalb der Sachverhalt zu Unrecht auch dem Tatbestand des § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt unterstellt wurde.
Das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher aus Anlass der Berufung in der Unterstellung der Tat auch als das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und für das dem Disziplinarbeschuldigten weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt die Strafe neu zu bemessen.
Dabei war die bisherige Unbescholtenheit und das längere Zurückliegen der Tat als mildernd zu berücksichtigen. Dem steht kein Erschwerungsumstand gegenüber.
In Abwägung des Unrechtsgehalts der Tat und der Schuld von ***** war auf der Basis der Einkommensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten eine Geldbuße von 1.000 Euro zu verhängen.
Einem bloßen Verweis iSd § 16 Abs 1 Z 1 DSt – wie vom Berufungswerber angestrebt – steht das nicht mehr als ganz unerheblich zu wertende Unrecht und das nicht als bloß gering einzustufende Verschulden des ohne gewissenhafte Prüfung des Vorwurfs allein auf den Angaben des Mandanten agierenden (ES 3) ***** entgegen (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO 9 § 16 DSt Rz 5).
Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Rechtsmittelwerber auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.