JudikaturOGH

11Os56/18x – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Juni 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Piotr W***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, Z 2, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm § 130 Abs 1 erster Fall) StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Piotr W***** und Kamil K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 20. März 2018, GZ 613 Hv 2/18k 193, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche der Angeklagten von weiteren gleichartigen Tatvorwürfen enthält, wurden Piotr W***** und Kamil K***** jeweils des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm § 130 Abs 1 erster Fall) StGB (I./1./-6./, I./9./, I./12./), Kamil K***** überdies auch des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./3./) schuldig erkannt.

Danach haben „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter“

I./ Piotr W***** und Kamil K***** Gewahrsamsträgern des Unternehmens P***** (chronologisch ab der dritten Tat) gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von über 300.000 Euro durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, wobei der Wert der Sachen jeweils 5.000 Euro übersteigt, und zwar

1./ in der Nacht zum 31. Juli 2014 in H***** ca 1.300 Brillen, 300 Sonnenbrillen sowie technische Geräte wie Autorefraktometer und Scheitelbruchwertmesser im Gesamtwert von über 124.900 Euro, indem sie die Glasschiebetüre aushebelten;

2./ in der Nacht zum 13. November 2014 in T***** ca 1.250 Brillenfassungen, 188 Sonnenbrillen und diverse optische Geräte im Gesamtwert von ca 171.000 Euro, indem sie „in die Filiale einbrachen“;

3./ in der Nacht zum 4. Dezember 2014 in S***** Brillenfassungen, Sonnenbrillen und diverse optische Geräte im Gesamtwert von ca 200.000 Euro, indem sie „in die Filiale einbrachen“;

4./ in der Nacht zum 3. Februar 2015 in M***** Brillenfassungen, Sonnenbrillen und diverse optische Geräte im Gesamtwert von über 100.000 Euro, indem sie „in die Filiale einbrachen“;

5./ in der Nacht zum 28. April 2015 in G***** Brillenfassungen, Sonnenbrillen, Bargeld in Höhe von 382,07 Euro und diverse optische Geräte im Gesamtwert von ca 142.000 Euro, indem sie „in die Filiale einbrachen“ sowie eine Geldkassette „nachsperrten“;

6./ im Zeitraum von 4. bis 7. Dezember 2015, in Z***** Sehhilfen, Brillengestelle und diverse optische Geräte im Gesamtwert von ca 135.000 Euro, indem sie „in die Filiale einbrachen“;

9./ im Zeitraum von 28. bis 30. Jänner 2017 in H***** Sehhilfen, Brillengestelle und diverse optische Geräte im Gesamtwert von über 109.000 Euro, indem sie „in die Filiale einbrachen“;

12./ in der Nacht zum 30. November 2017 in S***** Sehhilfen, Brillengestelle und diverse optische Geräte im Gesamtwert von ca 180.000 Euro, indem sie das Schloss der Lieferantentür mit einem Spezialwerkzeug abdrehten;

II./ Kamil K***** (allein) Kennzeichentafeln, sohin Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr gebraucht werden, indem er sie vom Fahrzeug abmontierte, und zwar

3./ in der Nacht zum 30. November 2017 in S***** im Zuge der unter Punkt I./12./ beschriebenen Tat die Kennzeichentafeln einer nicht mehr auszuforschenden Person.

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, wobei W***** seine auf Z 4 und 5 und K***** seine auf Z 5 jeweils des § 281 Abs 1 StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W*****:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung von in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht geschmälert.

Die Vernehmung jener Polizeibeamten, welche am 30. November 2017 die Durchsuchung des (mit Diebsgut beladenen) Fahrzeugs und die Festnahme der damit betretenen Angeklagten vorgenommen hatten, wurde zum Beweis dafür begehrt, dass sich am Rücksitz eine Tasche mit persönlichen Gegenständen des Nichtigkeitswerbers befunden hatte. Daraus würde sich nach Ansicht des Antragstellers ergeben, „dass er aus persönlichen Gründen in Österreich war“ (ON 192 S 26).

Da die Tatrichter den zu beweisenden Umstand ohnehin als erwiesen ansahen (ON 192 S 27; US 13), durften sie die Beweisaufnahme ablehnen (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO). Dass sie aus dem Vorhandensein einer solchen Tasche im Fahrzeug nicht die vom Beschwerdeführer angestrebten Schlüsse zogen (US 16 ff), ist mittels Verfahrensrüge (Z 4) nicht bekämpfbar.

Der Antrag auf Beischaffung „der“ Phantombilder jener Personen, die „die Filialen ausspioniert haben“, zum Beweis dafür, dass es sich dabei nicht um die Angeklagten handelte (ON 192 S 26), ließ nicht erkennen, weshalb der zu beweisende Umstand einer Täterschaft der Angeklagten bei der Ausführung der im Urteil inkriminierten Einbrüche entgegenstehen sollte, zumal sich in den Geschäften auch völlig unbeteiligte Dritte „verdächtig benommen“ haben können (ON 192 S 27). Im Übrigen wurde auch nicht dargetan, aus welchem Grund überhaupt von einer Ausspähung sämtlicher Tatorte auszugehen wäre und weiters – im Zuge der Ermittlungen gegen zunächst unbekannte Täter angestrebte (ON 45 S 1) – Phantombilder von „verdächtigen“ Kunden existieren sollten, obwohl sie in späteren Berichten der Kriminalpolizei (und insbesondere im Abschlussbericht ON 176) nicht weiter erwähnt wurden (RIS Justiz RS0118123).

Die begehrte Einholung einer Auskunft der „Mietwagenfirma“ in P***** über die Häufigkeit der Fahrzeuganmietungen durch K***** zum Beweis dafür, dass dieser nur einmal (zu I./12./) ein Fahrzeug angemietet und demnach bei seiner ersten Vernehmung (ON 116 S 37) nicht die Wahrheit gesagt hatte (ON 192 S 26), zielte darauf ab, die Glaubwürdigkeit des – sich wechselhaft verantwortenden (US 16 f) – Mitangeklagten zu erschüttern. Dabei kann es sich zwar um erhebliche Tatsachen handeln, weil die Beweisführung zur Beweiskraft von schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist (vgl RIS Justiz RS0028345).

Dem Vorbringen war aber nicht zu entnehmen, dass durch die Aufnahme des beantragten Beweises Rückschlüsse auf die inhaltliche Unrichtigkeit der Angaben des Mitangeklagten in Ansehung entscheidender Tatsachen hätten gezogen werden können (RIS Justiz RS0120109 [T3]; ON 192 S 27).

Das die Beweisanträge ergänzende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider legten die Tatrichter – ohne Verstoß gegen grundlegende Erfahrungssätze oder Kriterien logischen Denkens – dar, aus welchen Erwägungen sie dem zunächst abgelegten (und auch den Beschwerdeführer belastenden) Geständnis des Mitangeklagten K***** zur Täterschaft hinsichtlich der vom Schuldspruch I./ erfassten Einbrüche folgten (US 14–18). Ebensowenig wurde dabei der Umstand übergangen (Z 5 zweiter Fall), dass K***** dieses Geständnis später widerrufen hatte (US 17 f).

Indem der Rechtsmittelwerber aus von ihm hervorgehobenen Umständen (Fehlen von DNA-Spuren der Angeklagten an den Tatorten, Fehlen von Beweisen für die Tatbeteiligung weiterer Personen, großer Umfang der Diebsbeute, Gesundheitszustand des Beschwerdeführers) für seinen Standpunkt günstigere Schlüsse zieht, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****:

Das Schöffengericht stützte seine Feststellungen zur Täterschaft der Angeklagten zu I./ auf erste Aussagen des Beschwerdeführers und damit in Einklang zu bringende weitere Beweisergebnisse (US 14–18), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist. Dass die Argumentation des Erstgerichts den Nichtigkeitswerber insgesamt nicht überzeugt und auf Basis seiner späteren Aussagen auch andere, für ihn günstigere Schlüsse möglich gewesen wären, stellt kein Begründungsdefizit dar (RIS-Justiz RS0098400). Auch diese Mängelrüge erschöpft sich inhaltlich in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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