20Ds19/17z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 22. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung der Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 12. Juni 2017,AZ D 26/16 (DV 5/17), TZ 47, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Verterterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, des Kammeranwalt Stellvertreters der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Kammler, der Disziplinarbeschuldigten und deren Verteidigers Traxler, LL.M., LL.B., Bsc, zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Berufung wegen Schuld wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
***** wird von dem wider sie erhobenen Vorwurf, sie habe als Rechtsvertreterin von *****, ***** und ***** beim Bezirksgericht ***** – in Ergänzung zum Antrag vom 12. Februar 2016, mit dem die Sachwalterschaft betreffend ***** angeregt wurde – mit weiterer Eingabe vom 17. Februar 2016, beim Bezirksgericht ***** eingelangt am 18. Februar 2016, die im Antrag vom 12. Februar 2016 vorgebrachten Verdachtsmomente durch das unrichtige und wahrheitswidrige Vorbringen erweitert, ***** hätte telefonisch die Standesbeamtin des Standesamts ***** in einer Art und Weise beschimpft und bedroht, dass sich diese aus Furcht vor Vergeltung gezwungen sah, die Stadtpolizei ***** und das Bezirkskommando ***** darüber zu informieren, gemäß §§ 38 Abs 1 erster Fall, 54 Abs 3 DSt freigesprochen .
Mit ihrer übrigen Berufung wird die Rechtsmittelwerberin auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Disziplinarbeschuldigte Rechtsanwältin ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt iVm § 9 Abs 1 RAO) schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 5.000 Euro und gemäß § 38 Abs 2 DSt zum teilweisen Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt, weil sie die oben im Spruch beschriebenen Disziplinarvergehen begangen habe.
Hingegen wurde sie mit dem angefochtenen Erkenntnis von den weiteren Vorwürfen freigesprochen, sie hätte als Rechtsvertreterin von *****, ***** und ***** (a) beim Bezirksgericht ***** mit Antrag vom 12. Februar 2016 die Sachwalterschaft betreffend ***** angeregt, um eine am 20. Februar 2016 geplante Hochzeit zwischen ***** und ***** zu verhindern; (b) diese Anregung der Sachwalterschaft sowohl an das Standesamt G***** und die Stadtgemeinde G***** als auch an mehrere Notare übersandt und (c) mit Schreiben vom 16. Februar 2016 an ***** (nunmehr *****) versucht, diese zu bewegen, die geplante Hochzeit mit ***** zu verschieben, insbesondere dadurch, dass sie den dringenden Verdacht äußerte, dass ***** die ihm verordneten Medikamente nicht in der vorgeschriebenen notwendigen Art und Dosis einnimmt, und für den Fall, dass sich die Verdachtsmomente hinsichtlich deren Einflussnahme auf die medizinische Versorgung von ***** weiter erhärten, angedroht, die Einleitung von strafrechtlichen Schritten gegen ***** (nunmehr *****) zu prüfen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses in seinem freisprechenden Teil rechtskräftige Erkenntnis richtet sich die Berufung der Disziplinarbeschuldigten wegen Vorliegens der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 9 lit b und Z 10 StPO (jeweils iVm § 77 Abs 3 DSt) sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und über die Strafe.
Der Kammeranwalt beantragte, der Berufung keine Folge zu geben.
Nach der die Verurteilung tragenden (gegen die Verantwortung von ***** auf die Aussagen von ***** und ***** gegründete) erstinstanzlichen Feststellung hat die Beschuldigte als Parteienvertreterin in einer von ihr für ihre Mandanten am 17. Februar 2016 beim Bezirksgericht ***** eingebrachten schriftlichen (Folge )Eingabe „unrichtiges und wahrheitswidriges“ Prozessvorbringen erstattet, indem sie behauptete, dass ***** die Standesbeamtin des Standesamts ***** ***** in einer Art und Weise beschimpft und bedroht habe, dass sich diese aus Furcht vor Vergeltung gezwungen gesehen habe, Polizeikräfte darüber zu informieren (ES 40 ff, 48 ff, 54 f).
Der Oberste Gerichtshof sah sich nach Lage des Falles veranlasst, das Beweisverfahren durch eine Anfrage sowohl an die Stadtpolizei ***** als auch an die Landespolizeidirektion für Oberösterreich zu ergänzen.
Dem Antwort Schreiben der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Februar 2018, GZ: P1/1/2018 Hoe, ist zu entnehmen, dass (aufgrund von Angaben der „betreffenden Mitarbeiterin des Standesamtes“) die Standesbeamtin ***** im Zuge der Vorbereitung der Eheschließung zwischen ***** und ***** ein telefonischer Anruf erreichte und dass die Anruferin nach Erhalt der Mitteilung, dass die Durchführung der Eheschließung vom Standesamt ***** (vorläufig) abgelehnt werde, ziemlich „ausgezuckt“ sei und sie außerdem ihr persönliches Vorbeikommen angekündigt habe. Die Standesbeamtin habe nach diesem Telefonat mit der Stadtpolizei ***** telefonisch Verbindung aufgenommen und ersucht, diese im Falle, dass die Anruferin (aus einer Zusammenschau ergibt sich, dass die Anruferin ***** war) beim Standesamt erscheinen und in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten bereiten sollte, um Hilfe rufen zu dürfen.
Dies kann schwerlich in Einklang gebracht werden mit der erstinstanzlichen Feststellung, wonach es ein Telefonat der Braut ***** mit der Standesbeamtin *****, im Rahmen desselben das Gespräch derart eskaliert wäre, dass die Standesbeamtin die Stadtpolizei ***** sowie das Bezirkspolizeikommando kontaktiert hätte, nie gegeben hat (ES 41 unten) aber auch mit dem Inhalt der von ***** am 22. Februar 2016 abgegebenen Erklärung, wonach zwischen ihr und ***** kein Telefonat stattgefunden hat, weswegen auch die Behauptung nicht stimme, dass ***** die Kontrolle über sich selbst verloren und mich beschimpft und beleidigt hätte (Beil ./7, TZ 10 und ES 42 vorletzter Absatz) sowie mit den korrespondierenden Angaben der Letztgenannten (TZ 13).
Die Mitteilung der Polizei – an der zu zweifeln kein Anhaltspunkt besteht – deckt sich indes mit der Einlassung der Beschuldigten, ihr (im Gegenstand inkriminiertes) Vorbringen habe sich auf eine entsprechende Äußerung der Standesbeamtin gestützt (TZ 46 S 3).
Das Schreiben der Stadtpolizei G***** vom 1. März 2018, GZ 15879/2018 Bar, beschränkt sich auf die Darstellung eines „Anrufes“ einer Rechtsanwältin bei „einer Mitarbeiterin des Standesamtes“, in dem erstere vor einem „aggressiven Verhalten der Braut“ gewarnt habe (vgl dazu die entsprechenden Passagen im angefochtenen Erkenntnis S 41, 49).
Bei dieser Beweislage lässt sich der Nachweis, die Rechtsmittelwerberin habe ein inhaltlich unrichtiges und somit disziplinär fassbares Vorbringen erstattet, zweifelsfrei nicht führen.
Daher war in Stattgebung der Berufung wegen Schuld das angefochtene Erkenntnis aufzuheben, in der Sache selbst auf einen Freispruch zu erkennen und die Beschuldigte mit ihrem weiteren Berufungsvorbringen darauf zu verweisen.