11Os151/17s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ernst P***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15, 12 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Mai 2017, GZ 12 Hv 4/16t 199, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./, demgemäß in der Subsumtion nach § 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB, der zu I./ und II./ gebildeten Subsumtionseinheit und im Strafausspruch aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Ernst P***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15, 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er „zwischen 1. Juli 2009 und 22. April 2014 in W***** und andernorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich der Herausgabe von Geldbeträgen und zur Gewährung von Leistungen verleitet und zu verleiten versucht, und zwar
I./ durch die Vorspiegelung, gegen 'Vorauszahlung' Kredit einzuräumen und zahlungsfähiger und -williger Vertragspartner zu sein,
[sic]2./ Prof. Lutz H***** zur Überweisung von insgesamt 10.000 Euro;
3./ Christine B***** zur Übergabe von insgesamt 32.000 Euro;
4./ Andreas K***** zur Übergabe von 5.000 Euro;
5./ Matthias S***** zur Überweisung von 2.000 Euro;
6./ DI Werner Pö***** zur Übergabe von 25.000 Euro;
[sic] 8./ Ludwig A***** zur Bezahlung von 4.000 Euro;
9./ Jörg M***** zur Überweisung von 5.000 Euro an K***** (oben I./3./)
II./ den vorsatzlos handelnden Klaus W***** durch Übergabe einer gefälschten Bankgarantie der H***** Türkei dazu bestimmt, zu versuchen, Angestellte der V***** Bank zur Gewährung eines Kredits über 50 Mio Euro zu verleiten.“
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 [lit] a und 10 StPO stützt.
Zum Schuldspruch II./:
Die dazu erhobene Tatsachenrüge (Z 5a) ist im Recht.
Ihr Gegenstand sind Feststellungen über entscheidende Tatsachen, angesichts derer – gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen – eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert naheliegt, die somit geradezu unerträglich sind (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 391 und Rz 490; RIS-Justiz RS0119583; RS0118780).
Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang hinreichend deutlich vor, die Begründung des Schöffensenats wäre mit Erfahrungs- und Vernunftsätzen nicht in Einklang zu bringen.
Er zeigt mit den im Rechtsmittel zitierten (diesbezüglich ungewürdigt gebliebenen – US 25) Aussagen des Zeugen D*****, wonach der Angeklagte geäußert hätte, nicht sicher zu sein, ob die Bankgarantie valide sei, und sodann D***** und W***** – ohne konkreten Auftrag des Rechtsmittelwerbers – zur Überprüfung der Urkunde und um die sonst dafür anfallenden Gebühren zu umgehen, vereinbart hätten, der Bank (bereits zu diesem Zeitpunkt) ein Projekt darzulegen (ON 139 S 3 ff), zutreffend aus den Akten Umstände auf, die bei objektiver Gesamtbetrachtung (vgl RIS Justiz RS0014160, RS0092588) beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch II./ zugrunde gelegten Feststellungen erwecken.
Die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen der Tatrichter, wonach der Angeklagte die Bankgarantie mit dem Hinweis übergab, dass die Frage, „ob diese … echt oder gefälscht sei, bei einer türkischen Bank … schnell geklärt werden könne“, diese „überprüft werden möge“, die Zeugen „ahnungslos“ gewesen wären und sich aus „diesem Geschehensablauf die Feststellungen“ ergäben, dass der Angeklagte (bereits) hiedurch die Bank zur Gewährung eines Kredits über 50 Mio Euro verleiten wollte, sind daher in der vorliegenden Form mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO behaftet.
Ein Eingehen auf die weiteren, zu II./ vorgebrachten Rechtsmittelargumente erübrigt sich daher.
Zufolge Aufhebung des Schuldspruchs II./ konnte auch die Subsumtion nach § 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB und die Subsumtionseinheit keinen Bestand haben (vgl Ratz in WK 2 StGB § 29 Rz 11).
Zu den weiteren Schuldspruchpunkten:
Der Verfahrensrüge zuwider wurden durch die Abweisung von Beweisanträgen Verteidigungsrechte nicht verletzt.
Der Antrag (ON 192 S 35) auf Vernehmung des Zeugen Klaus R***** zum Beweisthema, wie das Verhältnis zwischen ihm und dem Geschädigten gewesen wäre, insbesondere dazu, welche Informationen zwischen Prof. H*****, R***** und dem Angeklagten ausgetauscht worden seien (ON 198 S 4) legte nicht dar, weshalb das angebotene Beweisthema Einfluss auf die Lösung der Schuldfrage nehmen könnte, weil Wahrnehmungen des beantragten Zeugen zur Vermögensschädigung durch Überweisung des Geldbetrags nicht behauptet werden.
Der (lediglich die Höhe des mutmaßlich betrügerisch erlangten Geldbetrags ansprechende) Antrag auf (neuerliche; vgl ON 139 S 29 ff) Vernehmung der Zeugin Christine B***** und auf kriminaltechnische Untersuchung der Originalquittung durfte, weil die rechtliche Unterstellung der Subsumtionseinheit unberührt geblieben wäre, mangels Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen gleichfalls abgewiesen werden (ON 198 S 3, 4).
Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch der Fundierung der Anträge sind unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 325).
Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS-Justiz RS0106268). Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS-Justiz RS0117995). Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316). Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS Justiz RS0116732, RS0118317). In Bezug auf alle Fehlerkategorien ist die Beschwerde nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS Justiz RS0119370).
An diesen Vorgaben prozessordnungsgemäßer Ausführung orientiert sich die Mängelrüge nicht. Ihr zuwider blieb die Aussage des Geschädigten (zu I./2./), der Beschwerdeführer hätte (zur Erfüllung dessen Kreditwunsches) bloß Kontakte herstellen sollen (ON 159 S 5), nicht unberücksichtigt, weil das Schöffengericht gerade davon ausging, dass der Angeklagte dem Zeugen H***** vorspiegelte, einen Kredit beschaffen zu können. Auch das vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgelegte Konzept (Beilage 1./ zu ON 108) einer in Kroatien geplanten Marina wurde erwogen, doch gelangten die Tatrichter zum Ergebnis, dass die Frage, ob sich das Konzept „rechne“, für die schuldspruchrelevante Geldübergabe ohne Bedeutung ist (US 21 f). Eine gesonderte Erörterung des Umstands, dass das gegen den Angeklagten ergangene Zivilurteil ein Versäumungsurteil war, war mangels Entscheidungswesentlichkeit nicht geboten, zumal dies bloß illustrativ angeführt wurde (US 22). Dies trifft auch auf die Aussage des Zeugen A***** (ON 159 S 27; I./8./) zu, er hätte den in Aussicht gestellten Kredit über 180.000 Euro in monatlichen Raten von 400 Euro zurückzahlen wollen, weil Gegenstand des Schuldspruchs das Herauslocken angeblicher Spesen in Höhe von 4.000 Euro ist (US 23).
Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0099810; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 581).
Diesen Kriterien entsprechen die Rechts- und die Subsumtionsrüge nicht.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu I./4./, die die These aufstellt, nicht K***** sei geschädigt worden, sondern der Zeuge M*****, legt nicht dar, inwiefern die Person des Geschädigten die Subsumtion beeinflussen sollte („diesen oder einen anderen ... schädigt“), weil das Erstgericht trotz irreführendem Aufbau des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und mehrdeutiger Formulierungen in US 9 ersichtlich von einem einheitlichen Tatgeschehen ausging (US 8). Indem sie zu I./5./ mit eigenständigen Beweiswerterwägungen die mit Bereicherungsintention erfolgte Täuschung des Geschädigten anzweifelt, vernachlässigt sie die entgegengesetzten Feststellungen (US 9).
Die die Annahme der gewerbsmäßigen Intention bekämpfende Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht diese (US 4 f, 12 f) in gleicher Weise, indem sie bloß darauf verweist, dass der Angeklagte Reisen für seine „Geldgeber“ unternommen hätte, sodass Spesen abzuziehen wären, weil „Einnahmen“ nicht mit „Einkommen“ gleichzusetzen und in „allen Punkten … zu prüfen“ wäre, ob die Gelder „wirklich als Einkommen zu werten sind oder nicht“.
Demnach war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Schuldspruch II./, demgemäß in der Subsumtion nach § 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB, der zu I./ und II./ gebildeten Subsumtionseinheit und im Strafausspruch aufzuheben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache dazu an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird die aufgelöste Subsumtionseinheit – mit oder ohne dem von der Aufhebung betroffenen Faktum –
neu zu bilden sein.
Im Übrigen war die – in ihrem Antrag in Richtung § 288 StPO unverständliche – Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen und der Angeklagte mit der Berufung auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.