JudikaturOGH

11Os37/18b – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen J***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 23. November 2017, GZ 13 Hv 91/17w 47, weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen einen zugleich gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde J***** eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB sowie jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB, nach § 201 Abs 1, Abs 2 dritter Fall StGB und nach § 201 Abs 1, Abs 2 vierter Fall StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er von 15. März 2015 bis 18. Februar 2017 in S***** und K***** in zumindest 46 Angriffen zu im Urteil im Einzelnen angeführten Zeiten seine Ehefrau S***** mit Gewalt, indem er ihr teilweise unter Anwendung erheblicher Brutalität Schläge mit den Händen gegen Gesicht und Oberkörper sowie Fußtritte versetzte, sie an den Haaren riss und durch das Wohnhaus zerrte, in einigen Fällen auch Schläge mit einem Stock und einem Kabel ausführte und Fesselungen durchführte, sowie teilweise durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er gelegentliche Fluchtversuche des Opfers mit weiterer Gewalt beendete, zur Vornahme und Duldung des Beischlafs sowie dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich zu Vaginal-, Anal- und Oralverkehr sowie teilweise auch Einführen von Gegenständen (vaginal und anal), genötigt, wobei „eine der Taten ursächlich“ (US 23: jede der Taten mitkausal) für die eingetretene schwere Körperverletzung des Opfers, einer posttraumatischen Belastungsstörung, sowie einer Anpassungsstörung mit vorwiegend Angst verbunden mit einer deutlich länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, war und S***** durch die Taten zumindest bei in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Angriffen längere Zeit hindurch in qualvolle Zustände versetzt „und/oder“ (gemeint: und bei einem Teil der Angriffe) in besonderer Weise erniedrigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung des Antrags auf Öffnung des Facebook-Accounts des Angeklagten und „Auswertung aller dort enthaltenen Informationen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte nicht zu sämtlichen in der Anklageschrift genannten Tatzeitpunkten Kontakt zur Zeugin S***** hatte und mithin zumindest Teile des Anklagevorwurfs auf unwahren Behauptungen beruhen“ (ON 46 S 52), – auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens (ON 46 S 53) – ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Denn der Beweisantrag legte nicht dar, weshalb die Auswertung von selbstdarstellenden und – wie sogar von der Beschwerdeschrift eingeräumt – manipulierbaren Facebook-Eintragungen das behauptete Ergebnis erwarten lasse und geeignet wäre, dem Angeklagten zu einzelnen Tatzeitpunkten ein tragfähiges Alibi zu verschaffen (RIS Justiz RS0099189; vgl auch US 21). Das zur Fundierung des Beweisantrags in der Beschwerdeschrift nachgetragene Vorbringen unterliegt dem diesbezüglichen Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

Letzteres gilt ebenso für die sinngemäße Behauptung, mit der begehrten Beweisaufnahme hätten überdies vom psychiatrischen Sachverständigen negativ bewertete Wesenszüge des Angeklagten relativiert werden können, was zu einer anderen Einschätzung der Persönlichkeit des Angeklagten und damit auch zu anderen Feststellungen zu den Einweisungsvoraussetzungen nach § 21 Abs 2 StGB geführt hätte (dSn Z 11 erster Fall iVm Z 4).

Die Ableitung der Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte seine Ehefrau – neun eingehender umschriebene Vorfälle miteingeschlossen (US 7–10) – in insgesamt 46 datumsmäßig konkretisierten Angriffen durch massive Gewaltanwendung zu Vaginal-, Anal- und Oralverkehr zwang, indem er ihr Schläge und Fußtritte versetzte, sie an den Haaren zerrte, in einigen Fällen auch Schläge mit einem Stock und einem Kabel ausführte, sie fesselte und Fluchtversuche mit weiterer Gewalt beendete (US 6 f, 10 iVm US 2 f), aus Angaben des Opfers in Zusammenschau mit dessen Kalendereinträgen, mit Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, mit Depositionen der Zeugin E***** und mit der Krankengeschichte des Opfers (US 13 f, 16–19) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Die einen substanzlosen Gebrauch der verba legalia behauptende Kritik (der Sache nach Z 9 lit a) lässt nicht erkennen, weshalb es diesen Konstatierungen am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS Justiz RS0119090).

Mit dem Hinweis auf den langen Tatzeitraum, auf Depositionen von Angeklagtem und Opfer und mit Spekulationen über ein allfälliges Motiv des Opfers für eine Falschbezichtigung gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken. Mit ihrem Vorbringen bekämpft die Beschwerde vielmehr bloß die – zwischen (auch „härterem“ und „sadomasochistischem“) einverständlichem Geschlechts-verkehr und den inkriminierten Vorfällen klar differenzierende (US 6 f, 13 f) – Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Soweit der Angeklagte zuletzt nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) kritisiert, das Erstgericht sei seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit nicht nachgekommen, weil es die Auswertung seines Facebook-Accounts unterlassen habe, ist er auf die Subsidiarität der Aufklärungsrüge (RIS Justiz RS0115823 [T2]) und die Ausführungen zur Verfahrensrüge (Z 4) zu verweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde des Angeklagten folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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