12Os35/18s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 19. Dezember 2017, GZ 9 Hv 21/17w 75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I./C./1./), mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I./C./2./), mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./B./), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./A./), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II./), mehrerer Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (III./) sowie des (richtig:) Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB (IV./) schuldig erkannt.
Danach hat er von Ende 2015 bis 6. November 2016 in M***** betreffend seine Stieftochter Julia G*****, geboren am 9. Mai 2007, welche durch die Tathandlungen in ihrer Gesamtheit eine krankheitswertige posttraumatische Belastungsstörung erlitt,
I./ dadurch, dass er
A./ die Unmündige an der Vagina streichelte, sie an der Vagina und im Analbereich leckte, sich von ihr den Penis einseifen und streicheln ließ, wiederholt seinen Penis an ihrer Vagina rieb bis er zum Samenerguss kam, geschlechtliche Handlungen außer den Fällen des § 206 StGB an dieser vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen,
B./ seinen Penis in ihren Anus einführte bzw einzuführen versuchte und sie seinen Penis auch in den Mund nehmen musste, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen an dieser vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen,
C./ im Rahmen der zu Pkt I./A./ und B./ genannten Tathandlungen, in den Fällen, dass Julia G***** ihm mitteilte, diese Handlungen nicht zu wollen, sich zu wehren und wegzulaufen versuchte, sie schlug und am Körper derart stark festhielt, dass sie rote Flecken erlitt, diese mit Gewalt zur Duldung
1./ von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen sowie
2./ von geschlechtlichen Handlungen außer den Fällen des § 201 StGB genötigt;
II./ durch die zu I./ angeführten Taten geschlechtliche Handlungen mit seinem minderjährigen Stiefkind vorgenommen und von diesem an sich vornehmen lassen;
III./ Handlungen, die geeignet waren, die sittliche, seelische und die gesundheitliche Entwicklung der Genannten, also einer seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Person unter 16 Jahren zu gefährden, vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er
1./ versuchte, mit seiner Ehegattin Elisabeth G***** den Geschlechtsverkehr vor der Unmündigen zu vollziehen, was jedoch in weiterer Folge von Elisabeth G***** abgebrochen wurde;
2./ vor der Unmündigen bis zum Samenerguss onanierte, wobei er sich auf seinem Mobiltelefon einen Pornofilm anschaute und die Unmündige dabei sowohl ihn als auch den Film beobachtete;
IV./ fortgesetzt gegen eine unmündige Person Gewalt ausgeübt, indem er sie wiederholt durch Schläge gegen den Kopf und den Körper misshandelte und durch Äußerungen, wie, er werde ihr die Hände mit einer Kettensäge abschneiden, mit Verletzungen am Körper gefährlich bedrohte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich als nicht berechtigt erweist.
Die Mängelrüge (Z 5 letzter Fall) behauptet Aktenwidrigkeit, weil das Schöffengericht begründend ausführte, dass sich im gesamten Verfahren kein Hinweis auf einen Missbrauch der Julia G***** durch ihren mütterlichen Großvater Ewald N***** ergeben habe und „dies von diesem auch vehement dementiert wurde“ (US 9). Dabei verkennt der Rechtsmittelwerber, dass nur die erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen Aktenwidrigkeit darstellt, aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter jedoch als Anfechtungsbasis ausscheiden (RIS Justiz RS0099431 [T16]). Entgegen der Nichtigkeitsbeschwerde hat das Schöffengericht die Aussage des Zeugen Ewald N***** nicht falsch zitiert (vgl ON 74 S 10). Mit dem Vorbringen, es wäre äußerst lebensfremd, anzunehmen dass Ewald N***** „vor Gericht ein entsprechendes Geständnis“ ablegen würde, wird in unzulässiger Weise nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft.
Im Übrigen war das Erstgericht nicht gehalten, den vollständigen Inhalt der Aussage des genannten Zeugen in extenso zu erörtern. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Dass aus den (formell einwandfrei) ermittelten Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, sich die Erkenntnisrichter aber dennoch für die für den Angeklagten ungünstigeren entschieden haben, ist als Ausfluss der freien Beweiswürdigung mit Mängelrüge unbekämpfbar (RIS Justiz RS0098377 [T8]).
Soweit der Nichtigkeitswerber ausführt, das Gericht wäre aufgrund seiner Pflicht zur Wahrheitsfindung angehalten gewesen, den entsprechenden Strafakt des Landesgerichts Wiener Neustadt betreffend Ewald N***** beizuschaffen, wird verkannt, dass Mängel der Sachverhaltsermittlung nur mit der Behauptung gerügt werden können, dass der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert war (§ 281 Abs 1 Z 5a StPO; RIS Justiz RS0115823).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.