JudikaturOGH

8Ob38/18y – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners R***** B*****, wegen Restschuldbefreiung, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin J***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Putz Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Jänner 2018, GZ 1 R 165/17z 63, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 16. November 2017, GZ 19 S 90/09x 56, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der abweisende Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 4. 8. 2009 das Konkursverfahren eröffnet und am 14. 12. 2009 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Während des Insolvenzverfahrens erfolgte keine Ausschüttung an die Insolvenzgläubiger; während des siebenjährigen Abschöpfungsverfahrens erhielten diese eine Quote von rund 1,52 % ihrer angemeldeten Forderungen.

Mit Beschluss vom 9. 2. 2017 verlängerte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren über Antrag des Schuldners gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre.

Am 19. 10. 2017 stellte der Schuldner den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.

Das Erstgericht wies den Antrag mangels der Voraussetzungen des § 280 IO nF ab. Als Grund führte es unter anderem an, dass seit dem 1. 11. 2017 nicht fünf Jahre vergangen seien und eine aufrechte Abtretungserklärung vorliege.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Schuldners Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und sprach aus, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit sei. Es vertrat dabei die Rechtsansicht, für die Anwendung der neuen – für die Schuldner günstigeren – Rechtslage sei nach der Übergangsbestimmung des § 280 IO (idF IRÄG 2017) das Ablaufen der ursprünglichen (siebenjährigen) Abtretungserklärung hinreichend. Zweck der gesamten Novellierung des Privatinsolvenzrechts durch das IRÄG 2017 sei, dass nach der fünfjährigen Laufzeit einer Abtretungserklärung einem Schuldner jedenfalls die Restschuldbefreiung erteilt werden soll, um damit natürlichen Personen binnen fünf Jahren eine völlige Entschuldung zu ermöglichen. Dieser Zweck und auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung einzelner Schuldner könne nur durch eine Gesetzesauslegung im dargelegten Sinne erreicht werden. Für diese Gesetzesauslegung spreche auch der im zweiten Satz des § 280 IO enthaltene Verweis auf die Anwendung des § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz KO (IO) in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung. Der vierte Satz in § 213 Abs 1 KO (IO) sehe mit Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses über die Restschuldbefreiung das automatische Ende des Amtes des Treuhänders und der Wirksamkeit der Abtretungserklärung vor. Letzteres könne sich bei einem Ausspruch nach § 280 IO nur auf die verlängerte (neue) Abtretungserklärung von weiteren drei Jahren beziehen.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob bei § 280 IO nF auf den Ablauf der ursprünglichen Abtretungserklärung oder der Abtretungserklärung im verlängerten Abschöpfungsverfahren abzustellen sei.

Hiergegen richtet sich der Revisionsrekurs einer Gläubigerin, mit dem die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt .

1. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 traten grundsätzlich mit 1. 11. 2017 in Kraft. Sie sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist.

Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, gilt nach § 280 IO idF IRÄG 2017 folgende Übergangsregelung:

Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden.

2. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (RIS Justiz RS0131932; 8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua) ist eine vorzeitige Beendigung jener anhängigen Verfahren, die vor dem Stichtag nach § 213 Abs 4 IO aF aus Billigkeitsgründen verlängert wurden, in der Übergangsregelung des § 280 IO nicht vorgesehen. Der Antrag nach § 280 IO setzt vielmehr voraus, dass die Abtretungserklärung auch für das verlängerte Verfahren abgelaufen ist (8 Ob 6/18t; 8 Ob 5/18w; 8 Ob 20/18t ua).

3. Diese Überlegungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. Nichts anderes ergibt sich aus dem zweiten Satz des § 280 IO nF, der (unter anderem) auf die Anwendung des vierten Satzes des § 213 Abs 1 IO in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung verweist, wonach mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung die Wirksamkeit der Abtretungserklärung und das Amt des Treuhänders enden. Da es in den Altverfahren, in denen der Abschöpfungszeitraum erst nach dem 1. 11. 2015 begonnen hat, sukzessive zu einer Verkürzung der siebenjährigen Laufzeit der (ursprünglichen) Abtretungserklärung kommt, ist dieser Verweis entgegen der Ansicht des Rekursgerichts keineswegs zwingend auf die für drei Jahre verlängerte (neue) Abtretungserklärung zu beziehen.

Es war daher dem Revisionsrekurs der Insolvenzgläubigerin Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

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