9Nc4/18i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** P*****, vertreten durch Mag. Johannes Marchtrenker, Rechtsanwalt in Zistersdorf, gegen die beklagte Partei ***** H*****, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in Wels, wegen 3.768,57 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Bezirksgerichts Gänserndorf das Bezirksgericht Wels zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache des Bezirksgerichts Gänserndorf AZ 4 C 4/18x zu bestimmen, wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der in H***** (NÖ) ansässige Kläger begehrt mit seiner am 2. 1. 2018 beim Bezirksgericht Gänserndorf eingebrachten Klage von der derzeit in W***** wohnhaften Beklagten Schadenersatz für die Instandsetzung eines Mietobjekts in H*****, das sich nach Rückgabe der Beklagten in einem devastierten Zustand befunden habe.
Die Beklagte, für die ein Sachwalter bestellt ist, erhob dagegen Einspruch (ON 3) und beantragte die Zurückweisung der Klage mangels örtlicher Zuständigkeit des Bezirksgerichts Gänserndorf. Nach Übergabe des Mietobjekts sei der Gerichtsstand nach § 109 JN (Obsorge, Sachwalterschaft und Kuratel) beim Bezirksgericht Wels begründet worden, der Vorrang habe.
Mit Eingabe vom 8. 2. 2018 (ON 7) beantragte die Beklagte auch die Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht Wels. Die sehr lange Anreise zum Bezirksgericht Gänserndorf sei ihr im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung nicht zumutbar.
In seiner Stellungnahme vom 19. 2. 2018 (ON 11) sprach sich der Kläger gegen eine Delegierung aus. Die Beklagte könne – wie im Aufkündigungsverfahren – mit Hilfe einer Videokonferenz am Bezirksgericht Wels einvernommen werden. Das Mietobjekt befinde sich im Sprengel des angerufenen Gerichts, sodass bei Hinzuziehung von Sachverständigen vor Ort eine Delegierung auch nicht zu einer Vereinfachung des Verfahrens führen würde.
Das Bezirksgericht Gänserndorf gab zum Delegierungsantrag keine Stellungnahme ab.
Infolge des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 28. 2. 2018, AZ 9 Nc 4/18i (ON 13), wies es mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 23. 3. 2018 (ON 14) den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit zurück und legte den Delegierungsantrag (neuerlich) dem Obersten Gerichtshof vor.
Folgendes war zu erwägen:
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RIS-Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (vgl RIS-Justiz RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0046589; RS0046324 ua).
Im vorliegenden Fall führt die Beklagte für die Delegation ihren Gesundheitszustand ins Treffen, der einer sehr langen Anreise zum Bezirksgericht Gänserndorf entgegenstehe. Im Hinblick auf die Möglichkeit ihrer Einvernahme im Weg der Videokonferenz ist diese Befürchtung jedoch nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat eine Beweisaufnahme im Weg der Videokonferenz sogar zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt (§ 277 ZPO; s auch Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 277 Rz 2), sodass auch unter dem Aspekt des Unmittelbarkeitsgrundsatzes keine Bedenken dagegen bestehen. Andere Gründe, die eine Delegierung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
Da eine Delegierung lediglich den Ausnahmefall bilden soll und die Bedenken der Beklagten gegen eine Verfahrensführung am Bezirksgericht Gänserndorf zerstreut werden können, liegen keine ausreichenden Umstände für die begehrte Delegierung vor. Der Delegierungsantrag der Beklagten ist daher abzuweisen.