JudikaturOGH

10Ob29/18i – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. April 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt W*, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Dr. Peter Karlberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2018, GZ 40 R 293/17k 15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1.1 In seiner außerordentlichen Revision macht der Beklagte geltend, dass sein Gesamtverhalten nicht den Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG verwirkliche. Er wohne seit 1964 in der aufgekündigten Wohnung, die ihm vorgeworfenen Vorfälle seien vereinzelt in den letzten vier Jahren vorgekommen und bezögen sich nur auf zwei bestimmte Mitbewohnerinnen bzw deren Kinder. Darüber hinaus habe es seit Zustellung der Kündigung keine weiteren Vorfälle gegeben, sodass eine günstige Zukunftsprognose bestehe.

Rechtliche Beurteilung

1.2 Die Frage, ob der Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens iSd § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG verwirklicht ist, ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS Justiz RS0042984). Ihr kommt daher – von Fällen einer in dritter Instanz aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu. Dass die Vorinstanzen die Verwirklichung dieses Kündigungsgrundes ausgehend vom festgestellten Verhalten des Beklagten – seit ca vier Jahren insbesondere gegenüber zwei Mitbewohnerinnen von der Wortwahl schwerwiegende, ausländerfeindliche, herabwürdigende und ehrverletzende Beschimpfungen, auch gegenüber den Kindern einer dieser Mitbewohnerinnen – bejahten, ist nicht zu beanstanden.

1.3 Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Berechtigung der Aufkündigung wesentlich, ob der Tatbestand zur Zeit ihrer Zustellung erfüllt war. Verhaltensänderungen des Mieters nach Einbringung der Aufkündigung haben nur dann Einfluss auf das Schicksal der Aufkündigung, wenn der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (RIS Justiz RS0070340). Ob dies der Fall ist, kann ebenfalls nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS Justiz RS0070340 [T3]). Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht, dass der Beklagte sein Verhalten nach Zustellung der Aufkündigung geändert hätte; es wohnen, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, beide vom Beklagten beschimpfte und belästigte Mitbewohnerinnen noch im Haus. Weder die Behauptung eines „angekündigten Wegzugs“ der einen Mitbewohnerin noch die weitere Behauptung einer auf die Zukunftsprognose günstig wirkenden „beginnenden Abwesenheit“ der zweiten Mitbewohnerin haben in den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen eine Grundlage, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

2. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0042963; RS0106371 [T6, T7, T8]). Ob ein in der Berufung behaupteter Verfahrensmangel vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist vom Revisionsgericht nicht mehr zu prüfen (8 Ob 91/17s mwH). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS Justiz RS0042963 [T58]). Soweit das Berufungsgericht daher die behauptete Verletzung der Pflicht zur Anleitung und Belehrung des Beklagten durch das Erstgericht verneint hat, ist dies im Revisionsverfahren nicht zu überprüfen.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

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