JudikaturOGH

15Os24/18w – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. April 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Mihaly L***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. September 2017, GZ 12 Hv 76/17w 39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mihaly L***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./2./), mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG (II./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (III./) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er in M***** und an anderen Orten des Bundesgebiets vorschriftswidrig Suchtgift

I./ in einer das 25 fache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge

1./ eingeführt, indem er im Zeitraum von zumindest Jänner 2015 bis Anfang April 2017 zumindest 5.400 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 13 % (702 Gramm Delta 9 THC in Reinsubstanz) von Slowenien nach Österreich transportierte;

2./ im Urteil namentlich Genannten überlassen, indem er im Zeitraum von Jänner 2015 bis Anfang April 2017 zumindest 6.515 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 13 % (846,95 Gramm Delta 9 THC in Reinsubstanz), 70 „LSD Trips“ und 44 Stück MDMA hältige Ecstasy Tabletten sowie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Andreas F***** weitere 500 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 10 % (50 Gramm Delta 9 THC in Reinsubstanz) mit Gewinnaufschlag an im Urteil angeführte abgesondert verfolgte Personen sowie weitere bislang unbekannte Abnehmer verkaufte;

II./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Andreas F***** in einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge erzeugt, indem sie ab Frühjahr 2016 in vier Zyklen jeweils mindestens neun Cannabispflanzen anpflanzten, bis zur Erntereife betreuten und sodann abschnitten sowie trockneten, wodurch sie 2.100 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 10 % (210 Gramm Delta 9 THC in Reinsubstanz) herstellten;

III./ zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs besessen, indem er am 6. April 2017 bis zur Sicherstellung 146 MDMA hältige Ecstasy Tabletten in seinem Tresor aufbewahrte;

IV./ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem er im Zeitraum von zumindest Ende 2014 bis 6. April 2017 über die zu I./ bis III./ genannten Mengen hinaus unbekannte Mengen an Delta 9 THC hältigem Cannabiskraut, Amphetamin, Metamphetamin, LSD Trips und MDMA hältigen Ecstasy Tabletten bis zum Eigenkonsum innehatte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil aus § 281 Abs 1 Z 5, Z 10 und Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Gerügt wird zu I./1./ und I./2./ und II./ eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall) in Bezug auf die Feststellungen zur objektiven Tatseite zum Reinheitsgehalt mit dem Hinweis auf eine Passage aus dem Gutachten des Sachverständigen, in der dieser ausführte, dass sich in (richtig: frisch getrocknetem) Cannabiskraut die beiden Wirkstoffe THCA und THC in einem Verhältnis von 92:8 befinden.

Diese Aussage des Sachverständigen betrifft jedoch keinen erheblichen Umstand, weil sich – nach dessen weiteren Ausführungen – das THCA nach dem Zeitpunkt der Trocknung je nach Wärme und Lichteinwirkung zunehmend zu THC zersetzt (ON 38 S 22), sodass die Zahlenangaben des Sachverständigen für die (mit der Trocknung naturgemäß nicht identen) Tatzeitpunkte der Einfuhr und des Überlassens keine Aussagekraft haben.

Das Detail aus der Aussage des Angeklagten bei dessen erster Vernehmung vor der Polizei, wonach er – (richtig:) von den ihm von „Borut“ überlassenen 5 kg Marihuana – 1,5 kg selbst konsumiert habe, blieb – der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider – nicht unberücksichtigt (US 10 f, 16 f und 19); dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend war das Erstgericht insoweit nicht dazu gehalten, den vollständigen Inhalt der Aussage des Angeklagten in extenso zu erörtern (RIS-Justiz RS0106295, RS0098377). Im Übrigen macht die Beschwerde auch nicht deutlich, inwieweit das konkret angesprochene, isoliert aus dem Kontext herausgehobene Aussagedetail den entscheidungswesentlichen (RIS Justiz RS0106268) Konstatierungen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte, zumal die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG zu I./2./ auch bei einem Verkauf von 5,4 kg Cannabiskraut mit 13 % Reinheitsgehalt (702 g Delta 9 THC) verwirklicht wäre.

Mit den Hinweisen auf die Angaben des Angeklagten zum An- und Verkaufspreis spricht die Mängelrüge (Z 5) keinen entscheidenden Umstand an ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 399).

Das gegen den Ausspruch des Erstgerichts zur die Tathandlungen des Angeklagten bedingenden Motivlage (Begehung der Tathandlungen „aufgrund seiner prekären finanziellen Situation“, um sich seinen Lebensunterhalt aufzubessern; US 10 f) gerichtete Vorbringen (nominell Z 10 inhaltlich Z 5 zweiter Fall) spricht ebensowenig entscheidende Tatsachen an. Denn die Privilegierung nach § 27 Abs 5 SMG (welche kumulativ Gewöhnung an Suchtmittel und Begehung der Straftat nach dem SMG vorwiegend deshalb, um sich für den persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, voraussetzt) kommt lediglich beim Grundtatbestand des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG sowie bei den Qualifikationen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 2 SMG, nicht aber bei jenen nach § 28a Abs 4 SMG in Betracht (§ 28a Abs 3 SMG).

Die Aussage des Zeugen Andreas F*****, wonach er vom Angeklagten maximal 200 g Cannabiskraut gekauft habe, wurde sehr wohl berücksichtigt (US 13); mit der Behauptung, „dass hier zu Gunsten des Angeklagten nur 150 g hätten festgestellt werden dürfen“, wird bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung kritisiert.

Der weiteren Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) zuwider sind die Tatrichter auch auf die Angaben der Zeugen Andreas T*****, Matthias S***** und Alex K***** eingegangen (US 13 ff). Dabei war das Gericht – gemäß dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht dazu verpflichtet, sämtliche Details der Aussagen dieser Zeugen zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (RIS Justiz RS0098377). Mit dem Hervorheben von jeweils aus dem Gesamtkontext gerissenen Aussagedetails und daran anknüpfenden eigenen Schlussfolgerungen bekämpft die Rüge bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und entzieht sich damit weiterer meritorischer Erwiderung.

Der Vorwurf, der Ausspruch des Erstgerichts, wonach sich der Angeklagte zunächst vollumfänglich geständig erklärt und (erst) in der Hauptverhandlung seine polizeilichen Angaben – „sichtlich durch seine Verteidigerin beeinflusst“ – zu relativieren versucht habe (US 10), sei aktenwidrig (Z 5 letzter Fall), versäumt die deutliche und bestimmte Herstellung eines Bezugs zu einem konkreten, einem der Schuldsprüche zugrunde liegenden Tatumstand (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 f und § 285d Rz 10) und geht solcherart von vornherein fehl.

Indem die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) behauptet, das Schöffengericht hätte eine „exzessiv unangemessene“ Freiheitsstrafe verhängt, und auf die mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs zu AZ 14 Os 80/17x verhängten Sanktionen verweist, wird kein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafzumessung im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt (RIS Justiz RS0099892). Mit dem Hinweis auf Milderungsgründe wird bloß ein Berufungsvorbringen erstattet.

Zu II./ des Schuldspruchs hat das Schöffengericht den Angeklagten zu Unrecht mehrerer statt bloß eines Verbrechens nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG schuldig erkannt. Mit Entscheidung des verstärkten Senats zu 12 Os 21/17f ist der Oberste Gerichtshof nämlich von der sogenannten „Abtrennungsjudikatur“ abgegangen. Zu einer amtswegigen Maßnahme wegen dieses Subsumtionsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, weil mit ihm kein konkreter Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO verbunden ist. Bei der Entscheidung über die Berufung besteht insoweit auch keine (dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS Justiz RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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