11Os155/17d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Darie P***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Juli 2017, GZ 11 Hv 19/15b 134, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen – auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden – Urteil wurde Darie P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Milan Z***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch Täuschung über seine Rückzahlungswilligkeit und fähigkeit (Schuldspruchfaktum 1./), in den anderen Fällen durch Vorgabe, in naher Zukunft durch besonders lukrative Geschäfte mit ausländischen Wertpapieren die ihm gewährten Darlehensbeträge nicht nur zurückzahlen zu können, sondern die Darlehensgeber mit großzügigen Schenkungen an den erwarteten Gewinnen beteiligen zu wollen, teils unter Verwendung falscher Urkunden, zu nachstehenden Handlungen verleitet, die die Getäuschten in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung teilweise qualifizierter Betrugshandlungen über eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges, monatlich 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen und mehr als zwei solcher Taten binnen Jahresfrist beging, und zwar
1. am 1. Juni 2011 in T***** Renate Pr***** zum Abschluss eines Mietvertrags und zur Überlassung von zwei Zimmern, wodurch die Genannte einen Schaden in der Höhe von 4.310 Euro erlitt;
2./ von Jänner 2010 bis zum Dezember 2012 in mehrfachen Angriffen in D***** Hermann Po***** jeweils zur Gewährung eines Darlehens in einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Betrag, wodurch der Genannte einen Schaden in der Höhe von 33.400 Euro erlitt;
3./ von Jänner 2008 bis zum Dezember 2013 in wiederholten Angriffen in G***** Paul F***** zur Übergabe von 5.000 Euro jeweils übersteigenden Geldbeträgen, wobei sie zur Täuschung gefälschte Wertpapiere im Nominale von je 100 Mio USD verwendeten, wodurch der Genannte einen Schaden in der Höhe von zumindest 158.000 Euro erlitt;
4./ im Jahr 2010 in U***** und an anderen Orten der Steiermark Walter Fr***** in wiederholten Angriffen zur Übergabe bzw Überweisung von Geldbeträgen zwischen 400 und 7.000 Euro, wodurch der Genannte einen Schaden in der Höhe von 17.500 Euro erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf neuerliche Vernehmung des Zeugen Josef L***** zum Beweis dafür, „dass Herr L***** im Jahr 2010 den Branimir Pop***** gemeinsam mit dem Zeugen Walter Fr***** und Charles Za***** in der Steiermark getroffen hat, sowie zum Beweis dafür, dass der Zeuge Hermann Po***** zehn Stück Bonds über Vermittlung des Charles Za***** von Branimir Pop***** käuflich erworben hat“ (ON 133 S 9), keine Verteidigungsrechte verletzt.
Diesem Antrag fehlte die Darlegung, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer abermaligen (vgl bereits ON 85 S 37 ff) Befragung dieses Zeugen erst nachträglich ergeben haben sollte (RIS-Justiz RS0098117). Der Hinweis im Antrag, der Zeuge sei mit dem Angeklagten zusammengetroffen und könne sich an die „vorgenannten Beweisthemen erinnern“, macht nicht plausibel, wodurch das Josef L***** am 17. Februar 2016 fehlende Erinnerungsvermögen plötzlich wieder aufgefrischt worden sein sollte, obwohl der Zeuge an diesem Tag gerade dazu keine Auskunft zu geben vermochte (ON 85 S 37 ff). Inwieweit eine allfällige Existenz des Branimir Pop***** und ein allfälliges Zusammentreffen mit diesem für die hier relevante Frage des betrügerischen Herauslockens von Geldbeträgen konkret von Bedeutung sei, war dem Beweisantrag nicht zu entnehmen. Der Ankauf von Fed-Bonds wurde von Hermann Po***** entschieden in Abrede gestellt (US 12), sodass es überdies eines Vorbringens bedurft hätte, weshalb der Zeuge L***** als am Geschäft nicht unmittelbar Beteiligter dennoch in der Lage sein sollte, eine andere Aussage zu treffen, und inwieweit dadurch eine entscheidende Tatsache tangiert werde.
Durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines „graphologischen“ (gemeint: schriftenvergleichenden) Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Mitangeklagte Milan Z***** den verfälschten Schenkungsvertrag nie unterfertigt habe (ON 133 S 9), wurden schon deshalb keine Verteidigungsrechte des Angeklagten verletzt, weil das Erstgericht von der Echtheit der Unterschrift am Schenkungsvertrag ohnehin nicht überzeugt war (US 18). Mit gegen die
Glaubwürdigkeit des Walter Fr***** sprechenden Beweisergebnissen hat sich das Erstgericht im Übrigen eingehend auseinandergesetzt und – unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall – mängelfrei dargelegt, weshalb es von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen zu den entscheidenden Tatsachen dennoch überzeugt war (US 18).
Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente zur Antragsfundierung sind aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).
Mit ihrer Kritik am Adhäsionserkenntnis bezieht sich die Mängelrüge nicht auf schuld oder subsumtionsrelevante Umstände (vgl aber RIS Justiz RS0106268 [insbesondere T10]).
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431). Indem die Mängelrüge weder ein derartiges Fehlzitat einer Aussage behauptet noch auf eine entscheidende Tatsache Bezug nimmt, sondern vorbringt, die den Todeszeitpunkt des Branimir Pop***** betreffenden Urteilsannahmen seien „aktenwidrig“, zeigt sie den behaupteten Fehler nicht auf.
Nach den Feststellungen zu 1./ wurde die Vermieterin Renate Pr***** vom Angeklagten und seinem Mittäter bei der Anmietung der Zimmer im Juni 2011 (konkludent) darüber getäuscht, dass diese – wie auch im Jahr 2010 – in der Lage und Willens wären, die anfallenden Mietzinse zu bezahlen (US 6). Ob und weshalb das Mietverhältnis im Juli 2011 nicht aufgelöst wurde, ist für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage nicht von Bedeutung.
Soweit sich die Tatsachenrüge (Z 5a) gegen die Schuldspruchpunkte 1./ bis 4./ wendet, bei ihrer Argumentation aber die Fundstelle des Vorkommens des angeblich qualifizierte Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen auslösenden Verfahrensergebnisses im Akt nicht bezeichnet oder die Bezugnahme auf eine entscheidende Tatsache unterlässt, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.
Weshalb die Depositionen von Zeugen zu Branimir Pop*****, zu einer Reise mit „Charles“ oder zur Besichtigung von Fed-Bonds die Verantwortung des Angeklagten stützen sollten, obwohl dieser einen Zusammenhang der Geldflüsse mit solchen Wertpapieren in Abrede gestellt hatte (vgl dazu ON 85 S 11, 12; US 11), macht die Rüge (Z 5a) nicht klar.
Mit dem Hinweis auf den Zeugen F***** und dessen Angaben in der Hauptverhandlung, denen das Gericht mit einer den Denkgesetzen entsprechenden Begründung nicht folgte (US 15 f), gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des getroffenen Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (RIS Justiz RS0118780). Gleiches gilt für das Hervorheben des fehlenden Detailwissens des (verantwortlich abgehörten) Walter Fr***** dazu, wann er welche Beträge an den Angeklagten oder dessen Mittäter übergeben habe (ON 68 S 16) oder den Versuch der Beschwerde, aus dem Lebenswandel des Walter Fr***** oder dessen Illiquidität für den Angeklagten günstige Schlüsse zu ziehen.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).
Daran orientiert sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht, indem sie einen Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptet, gleichzeitig aber die zu 1./ und 3./ getroffenen Urteilskonstatierungen (US 4 f, 6 f) übergeht, als falsch bezeichnet („Entgegen der vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen“), aus der Aussage der Zeugin Renate Pr***** und den Angaben des Paul F***** in der Hauptverhandlung (vgl dazu US 15, 16) urteilskonträre Schlüsse zieht und ihre Argumentation auf Basis eines zugunsten des Angeklagten fingierten Sachverhalts entwickelt.
Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet, die aggravierende Wertung der „zahlreichen Angriffe“ bei der Strafbemessung (US 21) verstoße zufolge der Verurteilung nach § 148 StGB gegen das Doppelverwertungsverbot. Dies trifft vorliegend schon deswegen nicht zu, weil gewerbsmäßige Begehung (vgl dazu US 7) im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB (bloß) drei solche Taten voraussetzt, der Schuldspruch aber weit mehr davon umfasst, und damit die über die dritte Tat hinausgehenden „Angriffe“ keineswegs die Strafdrohung bestimmen (vgl RIS-Justiz RS0091375, RS0099968; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 21; jüngst 13 Os 117/17f).
Mit der Behauptung, das Erstgericht habe bei der Strafzumessung einen Milderungsgrund, nämlich die „Unbescholtenheit des Angeklagten“ außer Acht gelassen, macht die Sanktionsrüge keinen Nichtigkeits , sondern einen Berufungsgrund geltend (RIS Justiz RS0099911).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.