JudikaturOGH

15Os163/17k – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Anaib S***** wegen mehrerer Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. September 2017, GZ 113 Hv 73/17h 51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anaib S***** mehrerer Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 vierter Fall StGB (A), mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall und Z 3 dritter Fall StGB (B/I), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B/II) sowie mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B/III) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ längere Zeit hindurch gegen die nachgenannten, zu Beginn der Tathandlungen jedenfalls unmündigen Personen fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei er die Taten nach § 107b Abs 3 StGB jeweils länger als ein Jahr ausübte, und zwar

I./ gegen seine am 18. September 1996 geborene Tochter Jasmeen K***** zumindest zwischen 1. Juni 2009 und 4. April 2017 in Wien

1./ durch fortdauernde körperliche Misshandlungen und vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben (§ 83 Abs 1 und Abs 2 StGB), indem er ihr wöchentlich Schläge mit der flachen Hand und mit der Faust versetzte, sie an den Oberarmen gewaltsam packte und sie in mindestens drei Angriffen würgte, wodurch sie Hämatome und Kratzwunden erlitt,

2./ durch fortdauernde vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen die Freiheit (§§ 105 Abs 1, 107 Abs 1 StGB), indem er

a./ sie durch wöchentlich getätigte sinngemäße Äußerungen, er werde sie, ihre Geschwister und ihre Mutter umbringen, zumindest mit Körperverletzungen (US 7) gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

b./ sie am 11. Juli 2016 durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie widrigenfalls umbringen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod (US 7), zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der polizeilichen Anzeigeerstattung einer unmittelbar zuvor zum Nachteil ihrer Mutter begangenen Körperverletzung nötigte,

II./ gegen seinen am 13. Mai 1999 geborenen Sohn Rwinder S***** zumindest zwischen 1. Juni 2009 und 4. April 2017

1./ in W***** durch fortdauernde körperliche Misshandlungen und vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben (§ 83 Abs 1 und Abs 2 StGB), indem er ihm wöchentlich Schläge mit der flachen Hand versetzte, die Faust gewaltsam gegen seine Stirn drückte und einmal gegen seinen rechten Fuß trat, wobei er durch den Tritt eine Schwellung an seinem rechten Fuß, ansonsten jedoch keine wahrnehmbaren Verletzungen erlitt,

2./ durch fortdauernde vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen die Freiheit (§§ 99 Abs 1, 105 Abs 1, 107 Abs 1 StGB), indem er

a./ ihn in W***** durch wöchentlich getätigte sinngemäße Äußerungen, er werde ihn, seine Geschwister und seine Mutter umbringen und ihn mit einem Schuhlöffel schlagen, zumindest mit einer Körperverletzung (US 8) gefährlich bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen,

b./ ihn in W***** in einem Angriff durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihn widrigenfalls umbringen, also durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung (US 8), zu einer Unterlassung nötigte, nämlich zur Abstandnahme der Inkenntnissetzung eines ihn behandelnden Ohrenarztes davon, dass eine Mittelohrentzündung durch einen Schlag des Angeklagten ausgelöst worden sein könnte.

c./ ihn im März und April 2017 in I***** in mehreren Angriffen widerrechtlich gefangen hielt, indem er ihn in einem Wohnhaus jeweils über mehrere Stunden hinweg einsperrte,

III./ gegen seinen am 18. November 2005 geborenen Sohn Anmol S***** zwischen November 2010 und 4. April 2017 in W*****

1./ durch fortdauernde körperliche Misshandlungen und vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben (§ 83 Abs 1 und Abs 2 StGB), indem er ihm wöchentlich Schläge mit der flachen Hand gegen sein Gesicht und seinen Rücken versetzte und ihn an den Schultern gewaltsam packte, wodurch er Kratzwunden erlitt,

2./ durch fortdauernde vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen die Freiheit (§ 107 Abs 1 StGB), indem er ihn durch wöchentlich getätigte sinngemäße Äußerungen, er werde ihn, seine Geschwister und seine Mutter umbringen, zumindest mit einer Körperverletzung gefährlich bedrohte,

B./ seine Ehegattin Kulwinder K***** in W*****

I./ von Ende 2004 bis 4. April 2017 durch die wöchentlich getätigten sinngemäßen Äußerungen, er werde sie zerstückeln und ihre Schwester, ihre Eltern und ihren Neffen ermorden, wenn sie sich scheiden lasse, also durch Drohung mit dem Tod, zur Abstandnahme von der Beendigung der ehelichen Beziehung, also zu einer Unterlassung, die besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzte, genötigt;

II./ am 4. April 2017 durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie und die Kinder umbringen, mit zumindest einer Verletzung am Körper (US 6) gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen,

III./ von Ende 2004 bis 4. April 2017 vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr ein bis zwei Mal wöchentlich Schläge mit der flachen Hand und mit der Faust, Tritte und Stöße gegen ihren Körper versetzte, ihr den Mund zuhielt, sie würgte, sie an den Oberarmen gewaltsam packte und Gegenstände nach ihr warf, wodurch sie Hämatome erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten nominell aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung die Vernehmung des Zeugen Gurmic S***** zum Beweis dafür, dass „das von den Familienmitgliedern geschilderte Familienleben nicht in diesem Ausmaß stattgefunden hat, sondern, dass bis vor den Vorfällen Oktober 2016 ein normales und harmonisches Familienleben stattgefunden hat und die Aussagen der Familienmitglieder unberechtigt sind“ (ON 50 S 18).

Entgegen dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde dieses Begehren vom Schöffengericht ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten als unzulässige Erkundungsbeweisführung abgewiesen, ließ der Antrag doch nicht erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS Justiz RS0118444), denn ihm ist nicht zu entnehmen, inwiefern der beantragte Zeuge verlässliche Angaben zum Beweisthema machen können sollte, obwohl er seinen Wohnsitz an einer anderen Adresse hat.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO wird lediglich nominell angeführt, ein inhaltlich entsprechendes Vorbringen jedoch nicht erstattet.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

In diesem Sinn vermögen die Hinweise auf die Umstände, dass Kulwinder K***** den Angeklagten nach erfolgter einvernehmlicher Scheidung (Ende 2004; US 6) wieder heiratete und sich die Opfer am 12. Oktober 2016 der Aussage entschlugen (US 10), keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Der Nichtigkeitswerber verkennt zudem, dass die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks ein kritisch psychologischer Vorgang ist, der als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS Justiz RS0099419).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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