15Os154/17m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Olga S***** und weitere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Olga S***** und Wolfgang H***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. April 2017, GZ 12 Hv 81/16d 88, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Olga S***** und Wolfgang H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten sowie einen ebenfalls rechtskräftigen Freispruch enthält, wurden Olga S***** und Wolfgang H***** jeweils des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I./2./) sowie des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 4 iVm Abs 1 StGB (als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB; III./) schuldig erkannt.
Nach dem Schuldspruch haben – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden relevant –
I./ mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, einen anderen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die ihn in einem 5.000 Euro, nicht jedoch 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar
2./ Olga S***** und Wolfgang H***** am 27. März 2012 in O***** Gerald L***** durch die Vorgabe, die Liegenschaften EZ *****, KG *****, und EZ *****, KG ***** am Wechsel, nach der Scheidung des L***** wieder an diesen rückzuübereignen, zum Abschluss eines Kaufvertrags und zur Übereignung dieser Liegenschaften, wodurch Letztgenannter einen Schaden von zumindest 100.000 Euro erlitt;
II./ Gerald L*****
A./ am 21. April 2015 in R*****
1./ als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er in dem zu AZ 8 St 160/14d der Staatsanwaltschaft Leoben gegen Olga S*****, Wolfgang H*****, Emmerich G***** und Patritz F***** geführten Ermittlungsverfahren vor den Polizeibeamten der Landespolizeidirektion Steiermark, Landeskriminalamt – Außenstelle Niklasdorf, wahrheitswidrig angab, dass beim Verkauf der genannten Liegenschaften an S***** nicht von einer Rückübertragung die Rede gewesen sei, dass er durch sie nicht geschädigt worden sei und dass er 100.000 Euro von ihr erhalten habe;
III./ Olga S***** und Wolfgang H***** am 20. April 2015 in K***** und in G***** Gerald L***** dazu bestimmt, als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem sie ihn aufforderten, die zu Punkt II./A./1./ geschilderten Angaben zu machen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die in einem gemeinsamen Schriftsatz ausgeführten und auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten S***** und H*****, welche sich als nicht berechtigt erweisen.
Vorauszuschicken ist, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS Justiz RS0115902). Soweit die Nichtigkeitsbeschwerden die Ausführungen zu Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO jeweils gemeinsam ohne Differenzierung erstatten, gehen Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein können, zu Lasten der Beschwerdeführer (RIS Justiz RS0100183).
Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ausführt, die Feststellungen zu I./ des Schuldspruchs wären unzureichend begründet, nimmt sie nicht Maß an den tatrichterlichen Erwägungen (US 14 ff).
Betreffend die erstrichterliche Konstatierung, wonach die beiden Rechtsmittelwerber dem Opfer zugesichert hätten, dass es nach Übergabe der Liegenschaft weiter dort wohnen könne und nach seiner Scheidung die Liegenschaft rückübereignet würde, weswegen sich L***** mit dem Verkauf einverstanden erklärt hätte, führen die Nichtigkeitsbeschwerden aus, sie wäre „unschlüssig und unzureichend begründet bzw logisch nicht begründbar und der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechend, sodass erhebliche Bedenken vorliegen, sowohl im Sinne des Nichtigkeitsgrundes in der Z 5 und 5a“ und „dass ein wesentlicher Feststellungsmangel hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Täuschungs und Bereicherungs bzw Schädigungsvorsatzes im Sinne des Nichtigkeitsgrundes in der Z 9a, außerdem der Ausführung des Erstgerichts der entscheidungswesentlichen Umstände gerügt“. Dieses Vorbringen lässt sich keinem der nominell angesprochenen Nichtigkeitsgründe zuordnen.
Indem die Nichtigkeitsbeschwerden rügen, das Schöffengericht hätte sich ausschließlich auf „die Aussage des einzigen Belastungszeugen, nämlich den Drittangeklagten“ gestützt, wird Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall) nicht dargestellt. Widersprüche in den Angaben des Letztgenannten haben die Tatrichter entgegen dem Vorbringen der Beschwerde nicht unberücksichtigt gelassen (US 14).
Mit der Behauptung, das Schöffengericht hätte diese Widersprüche bagatellisiert und die Feststellungen widersprächen der allgemeinen Lebenserfahrung, wird lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft.
Soweit die Rechtsmittelwerber kritisieren, die Tatrichter hätten Details aus den Aussagen des Drittangeklagten übergangen (Z 5 zweiter Fall), wird verkannt, dass es kein Begründungsmangel ist, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Dass aus den (formell einwandfrei ermittelten) Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, die Erkenntnisrichter sich aber dennoch für die den Angeklagten ungünstigeren entschieden haben, ist als Ausfluss der freien Beweiswürdigung mit Mängelrüge unbekämpfbar (RIS Justiz RS0098377 [T8]).
Soweit die Mängelrügen (Z 5 zweiter Fall) ausführen, das Erstgericht hätte sich mit den finanziellen Verhältnissen des Drittangeklagten vor dem Kaufvertrag im März 2016 als auch danach nicht auseinandergesetzt, wird kein entscheidender Umstand angesprochen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 399; vgl im Übrigen US 5 ff, 15 ff).
Das Vorbringen, es wäre „in keiner Weise klar, wie der Drittangeklagte vermeint, einer Rückübereignung der Liegenschaft zusammen mit den Schulden, diese begleichen zu können, wenn er doch zum gleichen Zeitraum nicht einmal den Unterhalt für seinen minderjährigen Sohn Tobias R***** begleichen kann und auch nicht die Schulden gegenüber dem Zweitangeklagten zurückbezahlen kann“, lässt sich keinem Nichtigkeitsgrund zuordnen. Letztlich unternehmen die Rechtsmittelwerber neuerlich den Versuch, die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung anzugreifen. Das gilt auch, soweit auf das dem Drittangeklagten zugesagte und tatsächlich gewährte Wohnrecht Bezug genommen wird.
Betreffend die Feststellung, wonach der vereinbarte Teilkaufpreis von 100.000 Euro nicht an den Drittangeklagten bezahlt wurde, behaupten die Nichtigkeitswerber, die Begründung wäre unvollständig und offenbar unzureichend (Z 5 zweiter und vierter Fall), und kritisieren, dass die Tatrichter sich diesbezüglich nur auf die Aussagen des Drittangeklagten bezogen, wobei es aber „der allgemeinen Lebenserfahrung und den logischen Denkgesetzen“ widerspreche, dass dieser „niemals (auch nicht per SMS) in irgendeiner Weise sich darüber beschwert hat, dass ihm die zustehenden 100.000 Euro nicht bezahlt worden sind“. Damit wird einmal mehr bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung angegriffen, ohne inhaltlich einen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen.
Das gilt auch für das Vorbringen, „aus der Tatsache, dass einerseits die Bank Druck machte, das Obligo auszugleichen und andererseits eine Scheidung im Raum stand, kann alleine noch nicht abgeleitet werden, dass die Erstangeklagte und der Zweitangeklagte die behaupteten Ängste des Drittangeklagten ausgenützt hätten“.
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld und subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (RIS Justiz RS0118780).
Ein diesen Vorgaben entsprechendes Vorbringen wird von den Nichtigkeitswerbern nicht erstattet.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810). Indem die Rechtsrügen (Z 9 lit a) behaupten, die Tatrichter hätten zum Bereicherungsvorsatz und zum Schädigungsvorsatz überhaupt keine Feststellungen getroffen, orientieren sie sich nicht an den erstrichterlichen Konstatierungen (US 10) und verfehlen damit die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit.
Zu III./ des Schuldspruchs beziehen sich die Nichtigkeitsbeschwerden auf die Antwort des Drittangeklagten in der Hauptverhandlung am 27. März 2017, auf die Frage, ob die Rechtsmittelwerber ihn dazu aufgefordert hätten, bei seiner Vernehmung vor der Polizei nicht die Wahrheit zu sagen: „Ja sicher, ob Sie es mir glauben oder nicht, es ist die Wahrheit, die ich sage.“ Indem sie daraus ableiten, der Drittangeklagte wäre „offensichtlich in keiner Art und Weise dazu aufgefordert worden, nicht die Wahrheit zu sagen“, werden die Aussagen des Belastungszeugen bloß eigenständig interpretiert, ohne einen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen. Mit der pauschalen Behauptung, die Feststellungen wären „unvollständig und unzureichend begründet bzw widersprechen der allgemeinen Lebenserfahrung und den logischen Denkgesetzen und sind logisch nicht begründbar“, wird Nichtigkeit nach Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO nicht aufgezeigt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.