14Os122/17y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Zach, LL.M. (WU) als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sergo P***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 13. Oktober 2017, GZ 601 Hv 13/17p 57, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sergo P***** des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach §§ 15, 278b Abs 2 StGB (I./), des Verbrechens der kriminellen Organisation nach §§ 15, 278a zweiter Fall StGB (II./), des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (III./1./), des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (III./2./) und der Vergehen der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (IV./) schuldig erkannt.
Danach hat er
I./ sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), nämlich „der in der UN-Sanktionenliste aufscheinenden Terrororganisation IS-Islamic State zu beteiligen versucht, indem er die Ausreise aus Österreich mit dem Ziel Syrien in Angriff nahm, um sich in dem vom IS kontrollierten Gebiet am bewaffneten Kampf durch logistische Unterstützungshandlungen, finanziell oder auf sonstige Art und Weise durch Stärkung der Gruppenmoral zu beteiligen, wobei er in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) handelte, durch seine Beteiligung die terroristische Vereinigung IS oder deren strafbare Handlungen zu fördern, indem er am 22. Mai 2017 in S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Magomed B***** D***** als Mittäter versuchte, mit einem falschen albanischen Reisepass und einem falschen albanischen Führerschein vom Flughafen W***** nach Istanbul auszureisen, um mit Unterstützung von Schleppern über die grüne Grenze nach Syrien und das von der terroristischen Vereinigung IS kontrollierte Gebiet zu gelangen, wobei die versuchte Ausreise scheiterte, da er und Magomed B***** D***** am Flughafen W***** im Zuge der Passkontrollen angehalten wurden“;
II./ sich durch das zu I./ geschilderte Verhalten „an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Ausmaß anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, nämlich der international agierenden kriminellen Organisation IS-Islamic State, als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) zu beteiligen versucht“;
III./ am 22. Mai 2017 in S***** im Zuge der zu I./ geschilderten Tathandlung eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz (§ 2 Abs 4 Z 4 FPG) inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, nämlich einen albanischen Reisepass mit der Nr BG8***** (1./) sowie eine falsche Urkunde, nämlich einen albanischen Führerschein mit der Nr KO5***** (2./), im Rechtsverkehr zum Beweis seines Rechts auf ungehinderte Reisebewegung und der Tatsache seiner Identität gebraucht;
IV./ am 20. Juli 2017 in W***** falsche besonders geschützte Urkunden (§ 224 StGB), und zwar einen deutschen Führerschein sowie einen deutschen Reisepass, beide lautend auf Karl F*****, geboren am 26. April 1994, mit dem Vorsatz besessen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis seines Rechts auf ungehinderte Reisebewegung und der Tatsache seiner Identität gebraucht werden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Indem die Mängelrüge (Z 5) die zur Überzeugung des Schöffensenats von der Täterschaft des Angeklagten führenden Verfahrensergebnisse (US 14–17) bloß eigenständig zu dessen Gunsten interpretiert und solcherart seiner Verantwortung, dass die (versuchte) Ausreise aus Österreich zwecks einer (Zweit-)Heirat einer Internetbekanntschaft in der Türkei erfolgt wäre, zum Durchbruch zu verhelfen sucht, bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt nur vor, wenn das Erstgericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen entgegen der Anordnung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO bestimmte (wesentliche) Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen, vorhandene Widersprüche zwischen den Aussagen vernommener Personen nicht gewürdigt oder seinen Konstatierungen entgegenstehende Beweisergebnisse nicht erörtert hat. Stehen die als übergangen gerügten Beweisergebnisse den festgestellten, entscheidenden Tatsachen nicht entgegen, sind sie nicht gesondert erörterungsbedürftig (vgl RIS-Justiz RS0098646 [T8]). Dies vernachlässigt die Beschwerde, soweit sie eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen „Nr. 25“ über die allgemeine Zugänglichkeit eines auf dem Mobiltelefon des Angeklagten sichergestellten Hetzvideos, den Einschätzungen der (Leumunds-)Zeugen Andreas W***** und Moussa A***** D***** betreffend die religiös-politische Gesinnung des Angeklagten und weiters eine Erörterung des Umstands vermisst, dass weder die Auswertung der sichergestellten Mobiltelefone noch die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten belastendes Beweismaterial hervorbrachten.
Der Beschwerdeeinwand, wonach die auf dem Mobiltelefon befindlichen Fotos mit salafistischem und dschihadistischem Inhalt schon vor längerer Zeit abgespeichert worden seien und daher nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten hätten berücksichtigt werden dürfen, erschöpft sich abermals in unzulässiger Beweiswürdigungskritik.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit dem pauschalen Hinweis, dass den Angaben der Zeugen Andreas W*****, „Nr. 25“ und Moussa A***** D***** mehr Gewicht beizumessen gewesen wäre, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gibt nicht bekannt, aus welchem Grund den zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 278a StGB getroffenen Feststellungen der erforderliche Sachverhaltsbezug fehlen soll.
Soweit die Beschwerde (in Bezug auf die Schuldsprüche I./ und II./) eine aktive Beteiligung des Angeklagten als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der verpönten Organisation in Abrede stellt, geht sie prozessordnungswidrig an den zur Annahme des Versuchs (§ 15 StGB) des jeweiligen Organisationsdelikts führenden Konstatierungen des Erstgerichts vorbei (US 13).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.