11Os133/17v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Juli 2017, GZ 45 Hv 72/17m 36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in W*****
I./ am 6. Februar 2016 durch die Aufforderung an einen unbekannten Täter der Gruppierung „Chemical Love“, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 500 Gramm Amphetamin mit einem Reinheitsgehalt an Amphetamin von 70,6 % und 25 Gramm MDMA mit einem Reinheitsgehalt an MDMA von 22,88 % per Post zu schicken, dazu bestimmt, die genannten Suchtgifte aus Deutschland auszuführen und nach Österreich einzuführen;
II./ vorschriftswidrig Suchtgift abzüglich eines nicht mehr feststellbaren Anteils für den Eigenkonsum, jedoch jedenfalls die fünfzehnfache Menge der Grenzmenge übersteigend, mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen, indem er das Suchtgift im Internet bei unbekannten Tätern der Gruppierung „Chemical Love“ und „Crimenet.BIZ“ bestellte, es sich per Post oder Paketdienst schicken ließ und in seiner Wohnung verwahrte, und zwar
a./ ab dem 6. Februar 2016 die zu I./ beschriebenen Suchtgifte;
b./ ab Sommer 2016 und Dezember 2016 jeweils 10 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt an „Cocain.H l“ von 74,94 %, enthaltend somit 14,98 Gramm „Cocain.HCl“;
c./ im Zeitraum von Februar 2016 bis März 2017 in mehreren Angriffen jeweils 50 bis 100 Gramm Cannabiskraut mit einem nicht mehr feststellbaren Reinheitsgehalt, wobei er zuletzt Cannabiskraut enthaltend zumindest 4,57 Gramm Delta-9-THC und 59,86 Gramm THCA besaß;
III./ vorschriftswidrig Suchtgift im Zeitraum von September 2016 bis Anfang März 2017 gewerbsmäßig an 10 bis 15 unbekannte Abnehmer insgesamt 70 Gramm Cannabiskraut enthaltend zumindest 0,41 % Delta-9-THC und zumindest 5,6 % THCA gegen einen Kaufpreis von 12 Euro pro Gramm überlassen.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Als nichtigen Akt der Hauptverhandlung (Z 3) rügt die Beschwerde, dass das dem Verteidiger zugestellte Protokoll über die Hauptverhandlung keine Unterschrift des Vorsitzenden, des Schriftführers oder des Leiters der Geschäftsabteilung enthalte, weshalb „rechtlich gesehen überhaupt kein HV Protokoll vorhanden“ sei. Eine Verletzung des § 271 Abs 6 StPO wird schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die im Akt erliegende Urschrift des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 24. Juli 2017 sehr wohl die vermissten Unterschriften enthält (ON 35 S 33) und die für die Beteiligten des Verfahrens bestimmten Ausfertigungen keiner Unterfertigung bedürfen ( Danek , WK StPO § 271 Rz 39).
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider blieben die Feststellungen, wonach der Angeklagte ausschließlich Cannabiskraut täglich, Kokain, MDMA und Amphetamin hingegen lediglich gelegentlich konsumierte, weshalb er – trotz Eigenkonsums – jedenfalls eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigende Menge Suchtgift erwarb und besaß, um dieses in Verkehr zu setzen (US 4; II./), nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Die Tatrichter leiteten diese Annahmen aus einer Gesamtschau der Beweisergebnisse, nämlich aus der vom Angeklagten ursprünglich zu seinem Eigenkonsum gebotenen Einlassung vor dem Haft und Rechtsschutzrichter, seiner „kaufmännischen“ Vorgangsweise unter Anlegung einer breiten Palette an Suchtgiften, Ankauf einer Suchtgiftwaage, eines Etikettierungs und eines Einschweißgeräts sowie aus den zum Verkauf im Darknet und Suchtgiftversand per Post angefertigten Namensaufklebern und Gelatinekapseln ab, während die abgeschwächte Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung als an Vorhalte angepasst und solcherart nicht überzeugend eingestuft wurde (US 4, 6 ff).
Auf dieser Basis spricht die bloße Bestreitung des Vorliegens tragfähiger Beweise sowie die Behauptung, die hervorgekommenen Verfahrensresultate – insbesondere (nicht näher konkretisierte, in ON 25 erliegende) Internet-Chat-Protokolle sowie die Aussage des Zeugen Christian Z***** (vgl US 8) – reichten für die getroffenen Urteilsannahmen nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit hin, keinen aus der Z 5 beachtlichen Mangel an. Dass dem Nichtigkeitswerber die Urteilsgründe nicht „nachvollziehbar“ genug erscheinen und auch andere, für ihn günstigere Schlüsse denkbar gewesen wären, stellt weder eine „unstatthafte Vermutung zu seinen Lasten“ noch „Willkür“ her (RIS Justiz RS0098400, RS0099455).
Der Einwand, das Erstgericht habe die Aufnahme weiterer ihm zugänglicher Beweise (nämlich durch Vernehmung eines vom Zeugen Z***** genannten Polizeibeamten) unterlassen und damit die Pflicht zur materiellen Wahrheitserforschung verletzt (der Sache nach Z 5a), lässt nicht erkennen, wodurch der Beschwerdeführer an der Ausübung seines Rechts auf zweckdienliche Antragstellung gehindert gewesen sein sollte ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 480; RIS Justiz RS0115823).
Ebensowenig wird deutlich gemacht (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO), welche konkreten „widerstreitenden Verfahrensergebnisse“ bei der Urteilsbegründung „umgangen“ worden sein sollten (Z 5 zweiter Fall).
Dass dem Angeklagten grenzüberschreitender Suchtgifthandel in der Variante der Bestimmung zur Aus und Einfuhr (§ 12 zweiter Fall StGB iVm § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG [I./]) nicht neben einem mit Beziehung auf dasselbe Suchtgift und Überlassungsvorsatz ausgeübten Besitz im Inland (§ 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG [II./]) anzulasten sei, sondern vielmehr „das eine das andere“ zufolge Subsidiarität, tatbestandlicher Handlungseinheit bzw Verdrängung konsumiere (vgl aber: RIS Justiz RS0111410 und auch RS0118871), verabsäumt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (RIS Justiz RS0116565).
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers war daher die Nichtigkeitsbeschwerde – ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1; §§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.