JudikaturOGH

17Os21/17t – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Walter H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Mai 2017, GZ 122 Hv 70/16g 34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Walter H***** von der Anklage freigesprochen, er habe am 18. September 2014 in Wien als Schulleiter des Gymnasiums und Oberstufenrealgymnasiums S***** und als mit der Ausstellung von Jahreszeugnissen und Schulnachrichten nach §§ 18 bis 22 SchUG iVm § 56 SchUG und der Zeugnisformularverordnung, jeweils in der damals geltenden Fassung, betraute Person, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Ausstellung materiell richtiger Jahreszeugnisse und Schulnachrichten sowie Abhaltung von Nachtragsprüfungen nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und zwar dadurch,

I/ dass er Originalzeugnisse des Lukas B***** zerriss und der Administratorin der Schule Mag. Gertrude K***** die mündliche und in weiterer Folge schriftliche Weisung erteilte, eine „Duplikats“-Schulnachricht und ein „Duplikats“-Jahreszeugnis für Lukas B***** für das Schuljahr 2012/2013 inklusive der Note „Sehr gut“ im Wahlpflichtfach „Informatik“ in der sechsten Schulstufe Gymnasium herzustellen, obwohl der Schüler zu diesem Wahlpflichtgegenstand „Informatik“ in der sechsten Schulstufe Gymnasium nie angemeldet war, und weder zum damaligen Zeitpunkt noch zum Ausstellungszeitpunkt der „Duplikate“ am 18. September 2014 eine Leistungsüber-prüfung stattgefunden hat, weiters die „Duplikats“-Schulnachricht und ein „Duplikats“ Jahreszeugnis als Schulleiter entsprechend den Formerfordernissen der Zeugnisformularverordnung unterfertigte und anschließend Klassenvorständin Mag. Gertrude Kl***** (erfolglos) aufforderte, ihre Unterschrift auf die „Duplikats“-Schulnachricht und das „Duplikats“ Jahreszeugnis vom 18. September 2014 für das Schuljahr 2012/2013 zu setzen, die tatsachenwidrig eine Teilnahme des Lukas B***** im Wahlpflichtgegenstand „Informatik“ mit der Beurteilung „Sehr gut“ enthielten;

II/ dass er eine Nachtragsprüfung des Lukas B***** durch Mag. Karin N***** über den Prüfungsstoff der sechsten Klasse (Schuljahr 2012/2013) entgegen den gesetzlichen Voraussetzungen des § 20 Abs 3 SchUG iVm § 21 Leistungsbeurteilungsverordnung, jeweils in der geltenden Fassung, anordnete.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nicht im Recht.

Das Erstgericht traf seine Entscheidung auf Basis folgenden Sachverhalts:

Lukas B*****, Schüler des Gymnasiums und Oberstufenrealgymnasiums S*****, teilte zu Beginn des Schuljahres 2014/2015 seiner Lehrerin im Wahlpflichtfach „Informatik“, Mag. Karin N*****, mit, er wolle gern in diesem Fach maturieren. Er hatte das Fach zwar in der siebten (und in weiterer Folge der achten) Klasse regulär besucht; in der sechsten Klasse (im Schuljahr 2012/2013) war er hingegen nicht angemeldet und im Jahreszeugnis nicht benotet worden, weshalb ihm nach Meinung der beteiligten Lehrer die zeitlichen Voraussetzungen für eine Reifeprüfung in diesem Fach gefehlt hätten (vgl § 27 Abs 1 Z 24 Prüfungsordnung AHS in der im Tatzeitraum geltenden Fassung BGBl II 2012/264). Der Angeklagte ordnete, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass Lukas B***** dieses Fach in der sechsten Klasse (unangemeldet) regelmäßig besucht und die „für eine Benotung mit 'Sehr gut' notwendigen Leistungen erbracht bzw. sogar übererfüllt hatte“, an, Mag. Karin N***** solle eine den „im Gesetz bzw. in der Verordnung“ (vgl § 20 Abs 2 und 3 SchUG [idF BGBl I 2015/104], § 21 LeistungsbeurteilungsVO [BGBl 1974/371 idF BGBl II 1997/35]) „ausdrücklich vorgesehenen Prüfungen über den Jahresstoff“ nachgebildete Prüfung mit dem Schüler abhalten. Er zerriss Schulnachricht und Jahreszeugnis dieses Schülers betreffend das Schuljahr 2012/2013 und erteilte der Administratorin der Schule, Mag. Gertrude K***** – zunächst mündlich, dann (infolge deren Bedenken) schriftlich – die Weisung, Schulnachricht und Jahreszeugnis „als Duplikat auszustellen, jedoch mit dem Wahlpflichtfach Informatik und dessen Benotung 'Sehr gut'“. Diese „Duplikate“ unterschrieb er am selben Tag und überreichte sie der Klassenvorständin Mag. Gerlinde Kl***** „zwecks Gegenzeichnung und Übergabe an B***** nach Absolvierung der von ihm angeordneten Prüfung“. Dieser Weisung kam Mag. Gerlinde Kl***** nicht nach. Lukas B***** absolvierte am 4. November 2014 die Prüfung „über den Stoff der sechsten Klasse im Wahlpflichtfach Informatik mit einer Leistung, welche der Note 'Sehr gut' entsprach“ und legte schließlich auch die Reifeprüfung in diesem Fach mit der Beurteilung „Sehr gut“ ab.

Zur subjektiven Tatseite verneinte das Erstgericht Wissentlichkeit in Bezug auf Befugnisfehlgebrauch und Schädigungsvorsatz des Angeklagten. Dieser habe bei Anordnung der Prüfung über den Jahresstoff der sechsten Klasse „in einer Parallelwertung in der Laiensphäre eine Analogie“ zu vom Gesetz vorgesehenen Prüfungen (§ 20 Abs 2 und 3 SchUG) „vor Augen“ gehabt (womit er sich der Sache nach im Irrtum über das normative Tatbestandsmerkmal seiner Befugnisgrenzen befunden habe).

Das Erstgericht stützte diese Feststellung zu fehlender Wissentlichkeit des Befugnisfehlgebrauchs auf die – insofern für überzeugend erachtete – Verantwortung des Angeklagten (US 13) und auf die Annahme, dieser habe das „Duplikats“-Zeugnis zwar sofort unterschrieben, der Klassenvorständin jedoch mit dem Auftrag übergeben, es dem Schüler erst nach (erfolgreicher) Ablegung der Prüfung auszufolgen (US 10). Der Mängelrüge zuwider ist diese Begründung keineswegs offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall), zumal der Angeklagte genau in diesem Sinn aussagte (ON 33 S 8 ff). Indem die Rüge einzelne – teils rechtliche – Erwägungen der Tatrichter zur Plausibilität der Verantwortung des Angeklagten kritisiert, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die von der weiteren Rüge – ohne insoweit Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) deutlich und bestimmt geltend zu machen – erwähnte Aussage der Zeugin Mag. Waltraud M***** zum Inhalt schulrechtlicher Ausbildung von Schulleitern allgemein und zu den Voraussetzungen von Nachtragsprüfungen im Besonderen (ON 33 S 53) steht in keinem erörterungsbedürftigen Gegensatz zu den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (RIS Justiz RS0098495). Denn die Tatrichter gingen ja gerade nicht davon aus, der Angeklagte habe die Prüfung angeordnet, weil er (irrig) vom Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen einer Nachtragsprüfung ausgegangen sei, sondern weil er „eine Analogie vor Augen“ gehabt habe.

Mit der Aussage der Zeugin Mag. Gertrude K***** hat sich das Erstgericht ohnehin auseinandergesetzt (US 10 f) und festgestellt, dass der Angeklagte ihr die Weisung zur Ausstellung eines „Duplikats“-Zeugnisses (infolge ihrer Bedenken) schriftlich gegeben habe (US 4). Entgegen der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) reklamierenden Mängelrüge war eine weitergehende Erörterung der Angaben dieser Zeugin nicht erforderlich, denn diese deponierte (konkret dazu befragt), sie könne sich nicht mehr erinnern, wie sie dem Angeklagten ihre Bedenken mitgeteilt habe, sie habe vermutlich die Variante einer Prüfung über den Jahresstoff mit dem Schüler ins Spiel gebracht (ON 33 S 18).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bloß das Vorbringen der Mängelrüge zur – vom Erstgericht ver- neinten – Wissentlichkeit des Befugnisfehlgebrauchs wiederholt, verfehlt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810).

Da somit bereits die Bekämpfung der Negativfeststellung zur entscheidenden Tatsache der Wissentlichkeit des Befugnisfehlgebrauchs scheitert, erübrigt sich eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens (Z 5 und 9 lit a) zum Schädigungsvorsatz.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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