11Os132/17x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ivana I***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 Abs 1 erster Fall und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dragisa S***** und die Berufungen des Genannten, der Angeklagten Ivana I***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. August 2017, GZ 13 Hv 3/17d 340, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Angeklagten S***** in der Subsumtion der dem Schuldspruch zu I./A./b./ und c./ zugrundeliegenden Taten (auch) unter §§ 128 Abs 2, 130 Abs 2 erster Fall StGB sowie in der zu diesen Schuldsprüchen gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Genannten zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe des Angeklagten S***** werden der Genannte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Die Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Wien rückgemittelt, das entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten I*****, jene des Angeklagten S***** betreffend das Verfallserkenntnis sowie jene der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagte I***** zuzuleiten hat.
Dem Angeklagten S***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden Urteil wurden Ivana I***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster Fall und Abs 2 erster Fall StGB (I./A./a./ und b./), der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB (I./C./a./ und b./) und des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall und § 15 StGB (II./A./ und B./) sowie Dragisa S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 Abs 1 erster Fall und Abs 2 erster Fall StGB (I./A./b./ und c./), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I./B./), „des“ (vgl aber RIS-Justiz RS0118718 [T1]) Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB (I./C./b./) und des Vergehens der Hehlerei nach § 164 „Abs 1 und 2“ StGB (richtig: nur nach Abs 2; vgl Kirchbacher in WK² StGB § 164 Rz 17; RIS Justiz RS0095500, RS0119965, RS0116655; I./D./) schuldig erkannt.
Danach haben – soweit hier relevant –
I./ in W***** und an anderen Orten im Bundesgebiet
A./ in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von überwiegend schweren Diebstählen [längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges; US 15, 18, 21] fortlaufende[s] [anstelle Einnahme, richtig:] Einkommen zu verschaffen, Nachgenannten fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro, hinsichtlich Dragisa S***** [auch] 300.000 Euro übersteigenden Gesamtwert, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen oder dies versucht, und zwar
a./ Ivana I***** mit der abgesondert verfolgten Sara T***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäterin (§ 12 StGB) von 20. bis 25. Jänner 2016 der Ruth M***** zumindest 4.500 Euro, welche sie mittels entfremdeter Bankomat- und Sparkarte in zumindest drei Angriffen behoben;
b./ Ivana I***** und Dragisa S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) von 8. bis 18. April 2016 der Ingeborg G***** in zehn Angriffen insgesamt 30.000 Euro, indem sie das Geld mittels einer auf nicht mehr feststellbare Weise entfremdeten Sparkarte an diversen Bankomaten behoben;
c./ Dragisa S***** zwischen 22. August und 24. August 2016 Irmgard und Friedrich Sc***** zumindest 240 Stück Wiener Philharmoniker-Münzen und Irmgard Sc***** einen Diamantring und ein Paar Perlenohrstecker im Gesamtwert von ca 294.295 Euro;
B./ Dragisa S***** nach dem 18. November 2015 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, nämlich ein vinkuliertes Sparbuch der Theresia Z*****;
C./ sich unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz, dass sie oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde[n], verschafft, und zwar
a./ ...
b./ Ivana I***** und Dragisa S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) zwischen 16. Februar und 8. April 2016 eine näher bezeichnete Sparkarte der Ingeborg G*****;
D./ Dragisa S***** nach dem 18. November 2015 eine Sache, die der Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, nämlich einen Ring der Theresia Z*****, welchen Sara T***** dieser am 18. November 2015 gestohlen hatte, von Sara T***** angekauft;
II./ …
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****.
Die sich auf eine Kommentarstelle ( Danek , WK StPO § 270 Rz 40) beziehende Mängelrüge (Z 5) lässt mit Blick darauf, dass die Tatrichter außer zu I./A./c./ von einem Geständnis des Beschwerdeführers ausgingen (US 18), nicht deutlich und bestimmt erkennen, ob sie das Urteil auch in Bezug auf entscheidende Tatsachen bekämpft, die den Schuldspruch zu den übrigen Urteilsfakten betreffen. Solcherart bedingte Unklarheiten gehen zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS-Justiz RS0100183).
Dem Vorbringen (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider ist der zur Begründung der subjektiven Tatseite erfolgte Verweis auf die im Urteil dargestellte (US 16 f iVm US 2 f) und begründete (US 20 f) objektive Vorgangsweise zu I./A./c./ (US 21) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen zu schließen, ist nämlich ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht anders möglich (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).
Die gewerbsmäßige Begehungsweise nach § 130 Abs 1 erster Fall StGB wiederum wurde willkürfrei aus der Vielzahl der Angriffe, der Vermögenslosigkeit und einer einschlägigen Vorstrafe abgeleitet (US 21).
Der mit Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobene Einwand, es fehle an „tragfähigen“ Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer nicht oder nicht alleine über die unbaren Zahlungsmittel (I./C./b./) und die Urkunde (I./B./) verfügen durfte, orientiert sich prozessordnungswidrig nicht am Urteilssachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Danach wusste S***** zum Zeitpunkt der Aneignung (auch) dieser Gegenstände jeweils, „dass sie nicht ihm gehörten und er darüber nicht verfügungsberechtigt war“ (US 17). Welcher Feststellungen es darüber hinaus zu dieser Frage bedurft hätte, erklärt die Beschwerde nicht.
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Im Recht ist allerdings die Subsumtionsrüge (Z 10), die zu I./A./b./ und c./ das Fehlen von Feststellungen zur Annahme der Qualifikationen nach §§ 128 Abs 2 und 130 Abs 2 erster Fall StGB aufzeigt. Denn aus dem Urteil geht weder eine gemäß § 70 Abs 1 Z 3 StGB erforderliche Zahl an inkriminierten Angriffen in Bezug auf einen 5.000 Euro übersteigenden Beutewert (vgl auch US 22) hervor noch – zufolge Fehlens entsprechender Feststellungen zu I./A./c./ – ein auf die Erlangung von Vermögenswerten in einem insgesamt (auch) 300.000 Euro übersteigenden Wert gerichteter Vorsatz des Angeklagten S*****.
Dies führt – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang (§ 285e StPO).
Bei der Angeklagten I*****, die selbst keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat, hat sich der dem Erstgericht bei der Subsumtion der ihr zu I./A./a./ und b./ angelasteten Diebstähle (auch) unter die Qualifikation nach § 130 Abs 2 erster Fall StGB unterlaufene Rechtsfehler nicht konkret zu deren Nachteil iSd § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO ausgewirkt. Denn ihre Strafe wurde unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 29 StGB nach dem – ebenfalls mit Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bewehrten – zweiten Strafsatz des § 148 StGB ausgemessen (US 9); (auch) bei ihr wurde im Übrigen (ua) bloß das Zusammentreffen von „einem“ Verbrechen (II./) mit „drei“ Vergehen (I./C./a./ und b./; vgl RIS-Justiz RS0118718 [T1]) als erschwerend gewertet (US 22 f).
Die Entscheidung über die Berufungen betreffend die Angeklagte I***** sowie jene des Angeklagten S***** gegen den Verfallsausspruch kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO), wobei hinsichtlich des zu I./A./a./ und b./ aufgezeigten Rechtsfehlers keine (der Angeklagten I***** zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (RIS-Justiz RS0118870).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.