11Os128/17h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Asir C***** wegen des Vergehens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Mai 2017, GZ 63 Hv 34/17f 18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Asir C***** des Vergehens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im Zeitraum von 2004 bis zuletzt am 22. September 2016 in Wien gewerbsmäßig und mit dem Vorsatz, sich „oder einen Dritten“ durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in einer Vielzahl von Angriffen Ottilie S***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit durch die Zusage, die Darlehensbeträge in kurzer Zeit wieder zurückzubezahlen, zu Handlungen, nämlich zur Übergabe von insgesamt 59.680 Euro Bargeld verleitet, die diese in einem insgesamt jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Werden die angeführten Nichtigkeitsgründe (hier: Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO) nicht getrennt dargestellt, so gehen Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, zu Lasten des Beschwerdeführers, denn es obliegt ihm, die einzelnen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen und insbesondere jene Tatumstände, die einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen, ausdrücklich oder durch deutliche Hinweisungen anzuführen (§ 285a Z 2 StPO; RIS Justiz RS0100183).
Indem die Beschwerde die Urteilsannahmen zur Täuschung über die Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit für den Zeitraum „von 2004 bis Mai 2012“ kritisiert, bezieht sie sich von vornherein nicht auf entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0117264). Denn die vom Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) erfassten Taten (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) wurden vom Erstgericht nicht näher individualisiert, sondern im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) pauschal zu einer gleichartigen Verbrechensmenge (RIS-Justiz RS0119552) zusammengefasst (eine „Vielzahl von Angriffen“; US 2 f, 7 f). Die der Sache nach angestrebte Reduktion der vom Schuldspruch erfassten Anzahl der deliktischen Angriffe und der Schadenssumme (nach dem Beschwerdevorbringen um insgesamt 23.300 Euro) stellt somit weder den Schuldspruch noch die Subsumtion nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB in Frage (RIS-Justiz RS0116736).
Mit eigenständigen Erwägungen zu einer Passage der Aussage des Angeklagten (ON 17 S 7), in welcher er sich zum möglichen Motiv des Tatopfers für die wiederholte Darlehensgewährung bedeckt hielt, bekämpft das Rechtsmittel spekulativ bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Weshalb diese Aussage oder Angaben über den Gesundheitszustand des Angeklagten im Jahr 2015 der Annahme einer (vorsätzlichen) Täuschung über dessen Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit in erörterungsbedürftiger Weise (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen sollten, wird zudem nicht klar gemacht.
Gleichfalls keine für den Schuldspruch oder die Subsumtion entscheidende Tatsache berühren die Urteilsannahmen, der Angeklagte habe im Zeitraum von zehn Jahren insgesamt lediglich etwa 2.000 Euro an das Opfer (teils aktiv, teils durch die Duldung von Lohnabzügen) zurückgezahlt (US 5). Die in diesem Zusammenhang nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) vorgetragene Kritik, das Erstgericht hätte die erwähnten Lohnabzüge im Hinblick auf bloß ungefähre Angaben des Opfers (vgl ON 17 S 9, 11) genauer erheben müssen, lässt zudem nicht erkennen, wodurch der Angeklagte in der Hauptverhandlung an einer sachgerechten Antragstellung gehindert gewesen wäre (RIS Justiz RS0115823).
Dass das Ausmaß der Lohnabzüge die eingegangenen Kreditverbindlichkeiten des Angeklagten auf einen (für die Subsumtion relevanten) Betrag von 5.000 Euro oder weniger reduziert hätte, behauptet im Übrigen nicht einmal die Beschwerde.
Auch unter dem Aspekt der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO betrachtet gelingt es dem Beschwerdeführer durch das bisher Erörterte nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken.
Letztlich wird mit dem Einwand, das Erstgericht hätte bei der Strafbemessung weitere Umstände als mildernd sowie einen (um 23.300 Euro) geringeren Schaden zu berücksichtigen gehabt, weder eine offenbar unrichtige Beurteilung von für die Strafzumessung in Anschlag gebrachten (US 8 f) Tatsachen (Z 11 zweiter Fall; RIS Justiz RS0116960) noch ein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung (Z 11 dritter Fall) aufgezeigt, sondern bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS-Justiz RS0099911).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass das Schöffengericht seine Strafbefugnis überschritt (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall; RIS Justiz RS0125243), indem es von einem für die Strafbemessung zur Verfügung stehenden Strafrahmen „von bis zu fünf Jahren“ ausging (US 8), obwohl die in diesem Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 148 erster Fall StGB (idgF) bloß eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht. Eine Urteilsnichtigkeit im dargestellten Sinn liegt selbst dann vor, wenn die konkret verhängte Strafe (hier sechs Monate Freiheitsstrafe) zwar innerhalb des richtigerweise anzuwendenden Strafsatzes, aber unter irriger Zugrundelegung überhöhter Grenzen dieses Strafsatzes ausgemessen wurde (RIS-Justiz RS0088469 [T8]).
Dieser – in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht geltend gemachte – Umstand erfordert im gegenständlichen Fall allerdings kein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO, weil die Korrektur dieser den Angeklagten benachteiligenden rechtsfehlerhaften Sanktion im Rahmen der dem Oberlandesgericht obliegenden (§ 285i StPO) Entscheidung über die Berufung (noch) möglich ist (RIS Justiz RS0116501).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.