9Ob47/17b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei F***** H*****, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen zuletzt 49.305,24 EUR sA (Revisionsinteresse: 31.266,54 EUR sA) und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. Juni 2017, GZ 5 R 19/17d 33, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gestützt auf die Revisions gründe der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens richtet sich der Beklagte im Kern dagegen, dass das Erstgericht – vom Berufungsgericht bestätigt – das Sachverständigengutachten, nach dem der Hergang des Schiunfalls nicht mehr objektiv zu klären sei, übergangen und stattdessen den festgestellten Sachverhalt aus eigenen Erfahrungssätzen abgeleitet habe.
Das Berufungsgericht hat die bereits in der Berufung thematisierte Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ebenso wie Begründungsmängel des erstgerichtlichen Urteils verneint. Vom Gericht zweiter Instanz verneinte Nichtigkeiten oder Verfahrensmängel erster Instanz können im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0042963; RS0042981 ua).
2. Der Beklagte bekämpft in Wahrheit die erstgerichtliche Beweiswürdigung. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren aber nicht mehr angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hätte, wäre sein Verfahren mangelhaft (RIS Justiz RS0043371). Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist dagegen mangelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen dazu anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS Justiz RS0043150). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge nun als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS Justiz RS0043371 [T28]).
Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht zur zentralen Frage des Unfallhergangs ausführlich (Berufungsurteil S 16–18) mit der Beweisrüge des Beklagten auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, warum es sie nicht für berechtigt erachtete. Ein Begründungsmangel des Berufungsgerichts liegt hier nicht vor.
3. Eine Aktenwidrigkeit haftet einer Entscheidung nur dann an, wenn der Inhalt einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben wurde und dies zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt geführt hat (RIS Justiz RS0007258; RS0043347). Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen werden kann, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung (RIS Justiz RS0043347). Eine bloße Schlussfolgerung oder Wertung der Gerichte kann nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bilden (RIS Justiz RS0043256; RS0043277).
Das ist auch hier nicht der Fall: Das Erstgericht hat – vom Berufungsgericht bestätigt – ausführlich dargelegt, warum es von den vom Sachverständigen diskutierten Varianten zur Rekonstruktion des Unfallhergangs derjenigen folgte, die letztlich insbesondere nach den Endlagen der Streitteile als einzig mögliche Kollisionsvariante verblieb. Darin liegt keine unrichtige Wiedergabe des Akteninhalts im dargestellten Sinn.
4. Mit der Rechtsrüge können Feststellungen nur insoweit angefochten werden, als sie auf Schlussfolgerungen beruhen, die mit den Gesetzen der Logik und der Erfahrung unvereinbar sind (RIS Justiz RS0043356; RS0043503 [T4]). Ein solcher Verstoß liegt nur dann vor, wenn die logische oder sprachliche Operation des Gerichts zur Gewinnung seiner Beweiswürdigung bereits in abstracto logisch oder sprachlich unmöglich war (RIS Justiz RS0043307 [T5]; RS0043356 [T3]).
Nach den dargelegten Erwägungen der Vorinstanzen trifft das hier nicht zu. Selbst wenn der Sachverständige aus technischer Sicht den Unfallhergang nicht mehr exakt rekonstruieren konnte, ist es weder unlogisch noch unmöglich, wenn die Tatsacheninstanz von den vom Sachverständigen erwogenen Möglichkeiten nach dem Ausschlussverfahren und in Würdigung der gesamten Beweisergebnisse den Kollisionshergang feststellt. Denkgesetze der Logik oder Beweismaß- und Beweislastregeln der ZPO wurden hier nicht verletzt.
5. Der Beklagte richtet sich auch gegen die Annahme seines Alleinverschuldens. Dem Kläger sei ein Verstoß gegen die FIS Regel 5 vorzuwerfen, wofür Feststellungen zu einer unfallkausalen plötzlichen Richtungsänderung des Klägers fehlten.
Es steht fest, dass sich beide Streitteile in einem Linksbogen nach dem Kurvenscheitelpunkt in Richtung Talabfahrt befanden und der Beklagte als der schnellere und positionsmäßig von oben kommende Fahrer zwar den Kläger, dieser aber nicht den Beklagten in dem für einen sorgfältigen Schifahrer zu beobachtenden Blickfeld gehabt hat. Dass der Kläger „in eine andere Schiabfahrt eingefahren“ sei, trifft nicht zu, weil sich die Streitteile auf einer Piste, die sich erst weiter talwärts in zwei Pistenäste teilte, befanden. Damit kann aber aus der FIS Regel 5, nach der sich jeder Schifahrer, der (ua) in eine Abfahrt einfahren will, nach oben und unten vergewissern muss, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann, kein Sorgfaltsverstoß des Klägers abgeleitet werden.
6. Der Beklagte bekämpft schließlich die Höhe der dem Kläger zugesprochenen Verunstaltungsentschädigung.
Maßgebend für die Höhe der Entschädigung sind insbesondere das Ausmaß der Entstellung, die hieraus ableitbaren Schlüsse auf die Art der Verletzung sowie die Größe der Wahrscheinlichkeit der Behinderung des besseren Fortkommens und die Minderung der Heiratschancen (s RIS Justiz RS0031311 ua). Das Ausmaß richtet sich dabei stets nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls (RIS Justiz RS0031344 [T8] ua).
Nach den Feststellungen verbleiben beim Kläger zahlreiche sichtbare Narben am rechten Unterschenkel und nach Hauttransplantationen eine optisch erkennbare Delle im Bereich der Schienbeinvorderkante. Das Berufungsgericht nahm die Bemessung der Verunstaltungsentschädigung (2.000 EUR) anhand von Vergleichsfällen der Rechtsprechung vor. Der Beklagte zeigt keinen Fall auf, zu dem diese Bemessung in Widerspruch stünde.
7. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist seine außerordentliche Revision zurückzuweisen.