15Os99/17y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Adil D***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Adil D***** und Abdeltif B***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Juni 2017, GZ 32 Hv 51/17b 41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Adil D***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./1./ und A./3./) und des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB (A./2./) sowie Abdeltif B***** der Verbrechen des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (B./ iVm A./1./ und A./3./) sowie des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB (B./ iVm A./2./) schuldig erkannt.
Danach haben in W***** anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
A./ Adil D*****
1./ am 16. April 2017 Luigi P***** mit Gewalt gegen eine Person eine Halskette im Wert von 250 Euro, indem er ihn am Jackenkragen packte und ihm die Kette vom Hals riss;
2./ am 23. April 2017 Sebastian F***** gewerbsmäßig unter Einsatz besonderer Fähigkeiten, nämlich einer antrainierten Fingerfertigkeit zur Begehung von Trickdiebstählen, wobei er F***** zunächst in ein Gespräch und anschließend in ein Gerangel verwickelte, um ihn abzulenken, während er die Armbanduhr im Wert von 90 Euro von dessen linkem Handgelenk entfernte;
3./ am 23. April 2017 Mag. Wolfgang S***** mit Gewalt gegen eine Person dessen Armbanduhr im Wert von ca 1.000 Euro, indem er ihn am linken Handgelenk packte und festhielt, seinen Fuß zwischen die Beine des Genannten hakte und ihn trotz Widerstands um die eigene Achse drehte, wobei er den Vorgang wiederholte, sodass er die Uhr vom Handgelenk S*****s lösen und an sich nehmen konnte,
B./ Abdeltif B***** zu den unter Punkt A./ angeführten strafbaren Handlungen D*****s beigetragen, indem er sich jeweils vor den Taten mit diesem über die Tatausführung beratschlagte, sich während der Taten zum Eingreifen bereithielt und bei der Ablenkung der Opfer half, wodurch er D***** psychisch unterstützte, sowie indem er am 16. April 2017 (A./1./) Luigi P***** festhielt, als dieser die entrissene Halskette aufheben wollte, und am 23. April 2017 (A./3./) Mag. Wolfgang S***** die Leine seines mitgeführten Hundes wegnahm, wodurch er die Tatausführung des Adil D***** förderte.
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten verfehlen ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D*****:
Voranzustellen ist, dass allfällige Unklarheiten, die durch die Art der Rechtsmittelausführung (hier: keine Differenzierung zwischen Mängel- und Tatsachenrüge – Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO) zu Lasten des Beschwerdeführers gehen (RIS Justiz RS0100183).
Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist das Urteil mit keinem Begründungsdefizit behaftet. Denn die Feststellungen, wonach vorrangiges Ziel der Angeklagten war, die Opfer abzulenken und ihnen im Zuge eines leichten Gerangels Sachen wegzunehmen, wobei sie sich jeweils über die „grobe Tatausführung“ beratschlagten, B***** sich zum Eingreifen bereithielt und bei der Ablenkung der Opfer half (US 5, 11), und jenen, dass es B***** zu A./1./ – ebenso wie D***** – (dennoch) in seinen Vorsatz aufgenommen hatte, dass D***** dem Opfer die Halskette (erforderlichenfalls) mit Gewalt wegnehmen werde (US 6, 11), schließen einander nach den Kriterien logischen Denkens nicht aus (Z 5 dritter Fall; RIS Justiz RS0119089).
Ebensowenig ist der Schluss auf einen Raubvorsatz des Beschwerdeführers aus dessen Verantwortung (ON 40 S 6) und dem äußeren Tatgeschehen (US 11) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall; RIS Justiz RS0099413) zu beanstanden.
Die Feststellungen und Erwägungen zum Vorsatz des Mitangeklagten B***** betreffen keine für die strafrechtliche Haftung des Beschwerdeführers als unmittelbarer Täter eines Raubes (vgl RIS Justiz RS0089628) entscheidenden Tatsachen (RIS Justiz RS0117499).
Mit dem Verweis auf eine – bloß isoliert hervorgehobene (vgl ON 3 S 57; ON 40 S 16 ff) – Passage in der Aussage des Zeugen Mag. S***** zu A./3./, wonach er (zunächst) den Eindruck gehabt habe, D***** wolle mit ihm tanzen, wird weder ein Widerspruch noch eine offenbar unzureichende Begründung iSd § 281 Abs 1 Z 5 dritter oder vierter Fall StPO dargetan.
Im Übrigen liegt auch Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) nur bei unrichtiger Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln vor, nicht aber bei einem – wie hier – behaupteten Widerspruch zwischen der Aussage eines Zeugen einerseits und Feststellungen andererseits (RIS Justiz RS0099431).
Weshalb die zu A./3./ getroffenen Konstatierungen, wonach D***** das Opfer packte, festhielt und durch Einhaken seines Fußes gegen dessen Widerstand mit erheblichem physischen Druck (nochmals) drehte, weiter bedrängte und aus dem Gleichgewicht zu bringen versuchte, während er die Uhr vom Handgelenk des Opfers löste (US 8), die Annahme einer iSd § 142 Abs 1 StGB gewaltsamen Sachwegnahme in objektiver Hinsicht nicht zu tragen vermögen (vgl RIS Justiz RS0094127, RS0093482), erklärt die – nicht am Urteilssachverhalt orientierte – Beschwerde (der Sache nach Z 10) nicht (RIS Justiz RS0099810).
Die Ableitung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen zu A./3./ (US 7 f, 13) aus den Überwachungsaufnahmen und den Angaben der Zeugen Mag. S***** und K***** (ON 3 S 55 f und 113 f; ON 40 S 15 ff und S 18) verstößt keineswegs gegen die Kriterien logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze (RIS Justiz RS0118317, RS0116882). Ebensowenig ist der Schluss auf den Raubvorsatz des Beschwerdeführers aus dem äußeren Geschehensablauf und dem bereits zu A./1./ gezeigten Verhalten (US 14) unter dem Blickwinkel offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zu beanstanden.
Dass die Tatrichter aus den von der Beschwerde angesprochenen Beweisergebnissen nicht die vom Rechtsmittelwerber gewünschten Schlussfolgerungen gezogen haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS Justiz RS0098400).
Durch das bisher Erörterte gelingt es dem Beschwerdeführer auch nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken.
Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) die zu A./3./ (ebenso wie zu A./1./) getroffenen Feststellungen zum (Raub )Vorsatz (US 6, 8 f) negiert und bloß auf einer eigenständigen Würdigung der Beweisergebnisse aufbauend die rechtliche Unterstellung sämtlicher Fakten unter §§ 127, 130 erster Fall StGB einfordert, entspricht sie nicht den Kriterien prozessordnungskonformer Darstellung eines Subsumtionsfehlers (RIS Justiz RS0099810).
Schließlich wird mit der Behauptung (nominell Z 10), zu A./3./ wäre Versuch statt Vollendung anzunehmen gewesen, weil „die Wegnahme vereitelt“ worden sei, weder eine rechtsfehlerhafte Subsumtion (Z 10; RIS Justiz RS0122138) noch in prozessordnungskonformer Weise (vgl RIS Justiz RS0116565) eine unrichtige rechtliche Beurteilung festgestellter Strafzumessungstatsachen (Z 11) dargetan (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 709, 712; RIS Justiz RS0122137). Weshalb die Sachwegnahme noch nicht vollendet gewesen sein soll, obwohl der Täter nach dem Urteilssachverhalt (US 8) erst auf der Flucht über die Bahngleise von unbeteiligten Passanten gestellt werden konnte, erklärt die Beschwerde nämlich nicht.
Bleibt anzumerken, dass sich die Vollendung des Wegnehmens bzw Abnötigens beim Raub weniger als beim Diebstahl an den räumlichen Gewahrsamsverhältnissen ausrichtet als vielmehr an der Abwehrsituation und Verteidigungssituation des Opfers. Danach ist der Raubtatbestand vollendet, wenn das Tatobjekt dem unmittelbaren Zugriff und Machtbereich des Opfers entzogen ist (vgl RIS Justiz RS0094231, RS0094252).
Allenfalls ungeklärt gebliebene Indizien für Strafzumessungstatsachen, über deren Vorliegen das Erstgericht beim Strafbemessungsvorgang rechtlich nicht abgesprochen hat, können (bloß) mit Berufung geltend gemacht werden.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*****:
Auch diese ist ohne Differenzierung zwischen Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5a) ausgeführt (RIS Justiz RS0100183).
Die Tatrichter leiteten den (bedingten) (Raub )Vorsatz des Beschwerdeführers bei der Leistung seiner die Taten des Mitangeklagten zu A./1./ und A./3./ fördernden Handlungen (US 6 f) aus einer Gesamtschau der konkreten Geschehnisse, dem stets gemeinschaftlichen Vorgehen, der Überlegung, dass im Fall eines Widerstands des Opfers das vorrangige Vorhaben (Trickdiebstahl unter bloßem Bedrängen) ohne einen gewissen Krafteinsatz gegen dieses kaum zu vollbringen sei, sowie weiters aus dem Umstand ab, dass B***** das Opfer zu A./1./ durch Festhalten am Aufheben der von D***** entrissenen Kette hinderte (US 11 iVm US 5 f), zu A./3./ überdies aus dem gewaltsamen Vorgehen zu A./1./ (US 14). Diese Begründung widerspricht – dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider – weder Kriterien logischen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS Justiz RS0118317, RS0116882).
Ebensowenig steht sie im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu der Annahme, dass beide Angeklagten vorrangig auf eine Sachwegnahme durch Ablenkung und bloßes Bedrängen der Opfer abzielten (US 5).
Das eine Subsumtion „sämtlicher Fakten“ unter §§ 127, 130 erster Fall StGB einfordernde Rechtsmittel des Angeklagten B***** verabsäumt eine prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (Z 10), indem es die zu A./1./ und A./3./ in objektiver und subjektiver Hinsicht getroffenen Urteilsannahmen übergeht, eine eigenständige Bewertung der Beweisergebnisse vornimmt und darauf aufbauend rechtliche Schlüsse zieht.
Mit der Behauptung, zu A./3./ sei es bloß beim Versuch geblieben, wird der Beschwerdeführer auf die entsprechenden Ausführungen zum Rechtsmittel des Mitangeklagten D***** verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.