JudikaturOGH

11Os121/17d – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Oktober 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel, und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Barakat H***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Juli 2017, GZ 24 Hv 33/17x 86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Barakat H***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er am 26. Februar 2017 in Wien

(A) mit seiner am 13. April 2003 geborenen, zum Tatzeitpunkt somit unmündigen Tochter Jasmin H***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternommen, indem er ihre Vagina betastete, leckte und den Analverkehr vollzog;

(B) durch die zu A beschriebene Tat mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 (lit) a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Indem die Mängelrüge Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) sowie Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der Feststellungen dazu behauptet, ob der Analverkehr „vollzogen“ wurde oder nicht, bezieht sie sich auf keinen entscheidenden Aspekt (RIS Justiz RS0106268). Weder das Unternehmen des Beischlafs noch das einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung iSd § 206 StGB setzen ein Eindringen des Penis in das Opfer voraus; ein – wie hier hinreichend deutlich festgestelltes – versuchtes Eindringen genügt (RIS Justiz

RS0095114 [T8]; Philipp in WK 2 StGB § 206 Rz 10).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall des § 281 Abs 1 StPO ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunden in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall StPO) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ ( RIS Justiz RS0118316). Mit der Bezugnahme auf eine (im Übrigen ohnedies gewürdigte – US 11) Aussage der Zeugin Jasmin H***** dazu, auf welchem Möbelstück sich ihr Oberkörper während der sexuellen Übergriffe befand, spricht die „logische“ Schlussfolgerungen vermissende Mängelrüge keinen der dargestellten Begründungsfehler an.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) greift ihrem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583).

Indem die Tatsachenrüge im Gegenstand kritisiert, dass die Tatrichter der Zeugin H***** höhere Glaubwürdigkeit zubilligten als dem bisher unbescholtenen Angeklagten, vorbringt, dass sich der Oberkörper des Mädchens während des Übergriffs aufgrund der Örtlichkeiten nicht auf dem Sofa befunden haben könne, aus Blutspuren andere Schlüsse zieht und Spekulationen zu einer Anstiftung zur Verleumdung anstellt, verlässt sie den dargelegten Anfechtungsrahmen.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Gesetz bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Behauptung eines Rechtsfehlers ausschließlich auf Basis der Negativfeststellungen zu einer stattgefundenen Penetration entwickelt, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit.

Weshalb es nicht nur Konstatierungen zu einem versuchten Eindringen in den After durch mehrfache Stöße mit dem Penis (US 4, 5), sondern zu einer „wie immer gearteten Penetration“ bedurfte hätte, obwohl die Tathandlung des § 206 Abs 1 zweiter Fall StGB nicht im Vollzug, sondern im

Unternehmen einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung besteht (dazu im Einzelnen RIS-Justiz RS0095114; Philipp in WK 2 StGB § 206 Rz 10), erklärt die „allenfalls“ eine Verurteilung nach § 207 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) nicht.

Die rechtliche Bedeutung der Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Tat beschränkt sich auf die Frage des Vorliegens des Milderungsumstands des § 34 Abs 1 Z 13 StGB, womit darauf bezogene Feststellungen Strafzumessungstatsachen betreffen und solcherart dem Regelungsbereich des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO zugehören (RIS Justiz RS0122137).

Indem die Rüge ihre Behauptung rechtsfehlerhafter Annahme von Vollendung statt Versuch (nominell Z 11 zweiter Fall) nicht auf Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe entwickelt, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung des Nichtigkeitsgrundes.

Mit der Bekämpfung des Unterbleibens bedingter Nachsicht zumindest eines Teiles der Strafe erstattet die Sanktionsrüge (Z 11) ein Berufungsvorbringen (RIS Justiz RS0099865).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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