11Os111/17h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Agnes S***** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB aF und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 5. April 2017, GZ 36 Hv 5/17k 35, sowie über deren Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 494 Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Agnes S***** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./) je „idF vor BGBl I 2015/112“ (gemeint: BGBl 1996/762) schuldig erkannt.
Danach hat sie in W***** andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
I./ am 30. August 2015 Jessica Sl*****, indem sie ihr mit einem Glas einen Hieb gegen das Gesicht versetzte, wodurch Sl***** infolge Zerbrechens des Glases Abschürfungen im Bereich der linken Hornhaut und zahlreiche Schnittwunden im Bereich der Nase, des linken Auges und der Wange erlitt, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;
2./ am 20. Dezember 2015 Laura A***** durch Versetzen von Schlägen auf den Kopf, wodurch diese eine Rissquetschwunde im Scheitel-Hinterhauptbereich erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 „Z 9 lit c iVm Z 11“ und 10a StPO stützt.
Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801, RS0116823). Diese Kriterien verfehlt die Beschwerdeführerin, indem sie den Schuldgehalt „der Tat … als maximal Durchschnitt“ bezeichnet und argumentiert, beide Taten (s aber US 4) seien durch „eine vorangegangene Provokation der Opfer ausgelöst worden“, dabei aber prozessordnungswidrig die zur Annahme schwerer Schuld (vgl Schroll , WK-StPO § 198 Rz 13 ff) getroffenen erstgerichtlichen Feststellungen außer Acht lässt (US 3 f, 6, 9 f; vgl RIS-Justiz RS0116021 [T5]).
Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall, nominell auch „Z 9 lit c“) legt nicht dar, aus welchem Grund bei der zu den Tatzeiten jungen Erwachsenen „die Strafzumessung nur 50 % des normalen Strafsatzes“ betragen müsste. § 19 Abs 1 zweiter Satz JGG verweist lediglich hinsichtlich des Mindestmaßes, nicht jedoch des Höchstmaßes von angedrohten Freiheitsstrafen auf die Anordnung des § 5 (hier) Z 4 JGG. Für die in Betracht kommenden Bestimmungen der §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 erster Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 bleibt dies ohne Auswirkung (vgl § 36 letzter Satz StGB idF vor BGBl I 2015/112), bei § 84 Abs 4 StGB idgF führte dies zum Entfall des Mindestmaßes. Das Erstgericht hat rechtsrichtig die günstigere Rechtslage nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 erster Fall StGB aF („Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren“) und nicht § 84 Abs 4 StGB idgF (unter Anwendung des § 19 Abs 1 zweiter Satz JGG iVm § 5 Z 4 JGG „Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren“) zur Anwendung gebracht (vgl US 9).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde (gegen einen Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe – ON 36) folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.