JudikaturOGH

11Os92/17i – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen P***** A***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 23. März 2017, GZ 13 Hv 5/17y 79, sowie über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 494a StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde P***** A***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (I./), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 StGB und mehreren Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB (II./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III./), der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB (IV./) und der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (V./) schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in M*****

I./ im August 2015 den schwer alkoholisierten und durch Drogenkonsum beeinträchtigten, schlafenden D***** H*****, somit eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands missbraucht, indem er eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornahm, nämlich seinen Penis anal einführte;

II./ zwischen Juni und 7. August 2016 in mehreren Angriffen mit dem am ***** 2008 geborenen, somit unmündigen P***** K***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er diesen mit seinem Penis, dem Finger und mit einem Vibrator anal penetrierte, und diese Handlungen in derselben Weise an sich vornehmen ließ, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung des K*****, nämlich eine psychische Belastungs- und Anpassungsstörung zur Folge hatte;

III./ ...

IV./

A./ …

B./ bis 8. August 2016 pornografische Darstellungen unmündiger und mündiger minderjähriger Personen, nämlich Foto und Videodateien besessen, indem er diese auf seinen Computern, Mobiltelefonen und einem USB Stick speicherte.

V./ ...

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Mängelrüge unterlässt die zur prozessordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes unerlässliche Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0116504, RS0119370).

Das Erstgericht hat sich – den Beschwerdeausführungen zum Schuldspruch I./ zuwider – mit den Aussagen des Angeklagten selbst (US 16 bis 19) und der Zeugen Markus G***** und Maik S***** (US 19 f) auseinandergesetzt. Die aus den Aussagen gezogenen Schlüsse der Tatrichter können unter dem Aspekt der Unvollständigkeit nicht bekämpft werden. Im Ergebnis kritisiert der Beschwerdeführer (in diesem Zusammenhang unzulässig) die tatrichterliche Beweiswürdigung. Im Übrigen war – dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe zufolge – das Erstgericht nicht gehalten, sich mit jedem Detail sämtlicher Aussagen auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0106642).

Die zu Schuldspruchpunkt II./ in Ansehung der Anwendung auch des § 206 Abs 3 StGB zur Darstellung gebrachte

Subsumtionsrüge verfehlt die gebotene Ausrichtung am Gesetz, das auch bei diesem materiellen Nichtigkeitsgrund die strikte Beachtung des Urteilssachverhalts und dessen Vergleich mit der angewendeten Rechtslage fordert (RIS Justiz RS0099810; Ratz , WK StPO § 281 Rz 581). Die angestrebte rechtliche Konsequenz ist zudem nicht bloß zu behaupten, sondern – ausgehend von den Feststellungen – methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS Justiz RS0116569). Diesbezüglich haben die Tatrichter – von der Beschwerde nur unvollständig referiert – festgestellt, dass (neben leichten Verletzungen) durch die mehrfachen (nicht bloß durch die verba legalia geschilderten) Missbrauchshandlungen an K***** ein mehr als 24 Tage dauernder psychischer Leidenszustand hervorgerufen wurde (US 11, 12), das Verhalten des Angeklagten die Grundlage der Zurechnung der posttraumatischen Belastungsstörung bildete und für ihn die Herbeiführung dieser Folge durch das Unternehmen der dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen an dem achtjährigen Opfer vorhersehbar war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht in der Lage gewesen wäre, das Risiko des Erfolgseintritts zu erkennen und danach zu handeln, hätten nicht vorgelegen (US 13).

Welche darüber hinausgehenden Konstatierungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich sein sollten, erklärt die Beschwerde nicht (RIS Justiz RS0099620 [T7]).

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die aggravierende Wertung des „jungen Alters“ (US 33) des Opfers vorliegend nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil bereits die Unmündigkeit, also die Nichtvollendung des vierzehnten Lebensjahres (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB) an sich strafsatzbestimmend (§ 206 Abs 1 StGB) ist und jedes (noch) weitere Zurückbleiben des Lebensalters des (hier: zur Tatzeit achtjährigen – US 2) Opfers unter dieser Altersgrenze gemäß § 32 Abs 3 StGB strafschärfend wirkt (vgl RIS Justiz RS0090958 [insbesondere T3, T4]).

Soweit die Sanktionsrüge argumentiert, die Staatsanwaltschaft hätte im Ermittlungsverfahren zu Unrecht „gemäß § 26 StGB“ die Einziehung diverser Geräte angeordnet, obwohl die „technische Möglichkeit“ bestanden hätte, bloß die Daten zu löschen, bekämpft sie das Konfiskationserkenntnis (zum Eigentum an den Gegenständen und zur Verhältnismäßigkeit der Konfiskation vgl im Übrigen US 35, 36) gerade nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde – die trotz Antrags auf Totalaufhebung des Urteils keinerlei Sachvorbringen zu den Schuldsprüchen III./ bis V./ enthält (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) – war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO) bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§ 285i StPO).

Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass dem Erstgericht durch den als erschwerend gewerteten Umstand, dass der Angeklagte „die Tathandlung … als eine ihre Autoritätsstellung missbrauchende Person“ (US 33) begangen hat, angesichts des Schuldspruchs III./ ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (Z 11 zweiter Fall) unterlaufen ist (RIS Justiz RS0109969, RS0118870).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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