JudikaturOGH

13Os101/17b – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Nogori R***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 23 St 42/17b der Staatsanwaltschaft Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 12. Mai 2017, AZ 11 Bs 89/17a (ON 116 der Ermittlungsakten), und vom 21. Juli 2017, AZ 11 Bs 194/17t (ON 173 der Ermittlungsakten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Aufgrund gerichtlich bewilligter Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 74) wurde Nogori R***** am 1. April 2017 wegen des Verdachts des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB festgenommen (ON 76 S 1). Das Landesgericht Innsbruck wies in der Folge den Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft mangels dringenden Tatverdachts ab und ordnete die Enthaftung an (ON 81).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 12. Mai 2017 (ON 116) gab das Oberlandesgericht Innsbruck der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck Folge und verhängte über Nogori R***** die Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO. Insoweit ging es von der Prämisse aus, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO nicht auszuschließen sei.

Nach mehrmaliger Haftfortsetzung beantragte der Beschuldigte am 30. Juni 2017 seine Enthaftung (ON 162), worauf das Landesgericht Innsbruck am 11. Juli 2017 eine Haftverhandlung durchführte (ON 164), in der es die Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO beschloss, weil der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO nicht auszuschließen sei (ON 165).

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten (ON 168) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem nunmehr ebenfalls angefochtenen Beschluss vom 21. Juli 2017 (ON 173) nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO (§ 173 Abs 2 Z 1 StPO) fort.

In der Sache erachtete das Beschwerdegericht Nogori R***** – gestützt auf die kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnisse, Gutachten von Sachverständigen aus den Fachbereichen der Spurenkunde, der Gerichtsmedizin und der Pathologie sowie mehrere Zeugenaussagen – dringend verdächtig, er habe am 2. Februar 2017 im Bereich K***** seine Schwiegertochter Jennifer V***** vorsätzlich getötet.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht den dringenden Verdacht des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Beschlüsse des Beschwerdegerichts erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten ist unzulässig:

Zum Beschluss vom 12. Mai 2017 (ON 116):

Diese Entscheidung wurde dem Verteidiger nach der Aktenlage am 15. Mai 2017 zugestellt (ON 116 S 23). Am Tag der Einbringung der Grundrechtsbeschwerde, dem 8. August 2017 (ON 177 S 1), war die hiefür vorgesehene Frist von 14 Tagen (§ 4 Abs 1 GRBG) bereits abgelaufen, womit die Beschwerde insoweit verspätet erhoben wurde.

Zum Beschluss vom 21. Juli 2017 (ON 173):

Die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nach ständiger Judikatur nur nach Maßgabe der Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS Justiz RS0110146, RS0112012 [T6] und RS0114488 [insbesondere T2]).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie aus den vom Oberlandesgericht – durch methodisch einwandfreie (14 Os 133/10f; Kirchbacher/Rami , WK-StPO § 174 Rz 12 f mwN) identifizierende Wiederholung (BS 6) der Erwägungen vorheriger Beschwerdeentscheidungen – zur Begründung herangezogenen Beweismitteln anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet (vgl Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 28). Hinzu kommt, dass sie insoweit auch die gebotene Orientierung an der Gesamtheit der Erwägungen des Beschwerdegerichts (BS 6 bis 9) unterlässt (RIS Justiz RS0106464 [insbesondere T4], RS0112012).

Hinzugefügt sei, dass die in der Grundrechtsbeschwerde auch vorgenommene Bezugnahme auf das Ergänzungsgutachten Dr. S***** vom 24. Juli 2017 (ON 174) gegen das im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltende Neuerungsverbot ( RIS Justiz RS0106584; Kier in WK 2 GRBG § 1 Rz 12) verstößt.

Auf das im ordentlichen Beschwerdeverfahren (ON 166) nicht thematisierte Vorbringen zum dringenden Tatverdacht, wonach der Beschuldigte bei den Vernehmungen unter Medikamenteneinfluss gestanden und das Opfer suizidgefährdet gewesen sei, war schon mangels horizontaler Erschöpfung des Instanzenzugs nicht einzugehen (13 Os 55/09a, 13 Os 73/09y, SSt 2009/35; RIS Justiz RS0114487 [insbesondere T20]; Kier in WK 2 GRBG § 1 Rz 41).

Die Prognoseentscheidung, also die rechtliche Annahme, es sei nicht auszuschließen, dass einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gründe vorliege (§ 173 Abs 6 StPO), prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens darauf, ob sich diese als willkürlich, sohin nicht oder nur offenbar unzureichend begründet, darstellt (13 Os 173/08b, SSt 2008/103; 14 Os 74/15m, EvBl 2015/159, 1109; RIS-Justiz RS0117806; Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 47), was die Beschwerde nicht behauptet.

Zudem steht auch dem Vorbringen zum Ausschluss des Vorliegens von Haftgründen das Prozesshindernis der horizontalen Nichterschöpfung des Instanzenzugs entgegen.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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