14Os60/17f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ahmed S***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ibrahim I***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 18. April 2017, GZ 7 Hv 135/16m 117, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten Ibrahim I***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant –Ibrahim I***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.
Danach hat er zwischen 20. und 21. März 2016 in W***** und an anderen Orten Österreichs im einverständlichen Zusammenwirken mit den unter einem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Ahmed S***** und Ahmed M***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und mit dem Vorsatz, sich und Dritte durch ein dafür geleistetes Entgelt in Höhe von mindestens 500 Euro pro geschleppter Person unrechtmäßig zu bereichern, die rechtswidrige Ein- und Durchreise von mindestens drei Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs gefördert, indem er die beiden Mitangeklagten „als Schlepper anheuerte“ und sie mit dem entgeltlichen Transport von drei im Urteil namentlich genannten irakischen Staatsangehörigen, die über keine gültigen Reisedokumente für die Einreise in einen oder den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügten, von Österreich nach Deutschland beauftragte, worauf die beiden Mitangeklagten den Auftrag an den abgesondert verurteilten Amro A***** weitergaben, welcher diesen sodann ausführte und die genannten Fremden in Begleitung von Ahmed S***** und Ahmed M***** mit geplantem Endziel Deutschland entgeltlich von W***** nach We***** transportierte und dabei auf frischer Tat betreten wurde.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Ibrahim I***** kommt keine Berechtigung zu.
Mit ihrem – gerade noch deutlich genug – gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite gerichteten Einwand von Unvollständigkeit verfehlt die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall, nominell auch Z 10) eine prozessordnungskonforme Ausführung, weil sie die Fundstelle der angeblich übergangenen Beweismittel in den umfangreichen Akten nicht nennt (RIS Justiz RS0124172).
Davon abgesehen enthalten die von der Rüge zitierten – als übergangen reklamierten – (Halb-)Sätze aus den Aussagen der geschleppten Fremden fast ausschließlich Schilderungen über deren Ängste und Befürchtungen, von den Angeklagten und dem (von Ahmed S***** und Ahmed M***** beauftragten) Fahrer betrogen zu werden. Derartige subjektive Meinungen, persönliche Einschätzungen oder Ansichten sind jedoch nicht Gegenstand einer Zeugenaussage und unterfallen damit auch nicht der Erörterungspflicht im Sinn der Z 5 zweiter Fall (RIS-Justiz RS0097540,
RS0097545). Inwiefern die darüber hinaus hervorgehobenen Berichte der Zeugen über Vorsichtsmaßnahmen, die sie aufgrund ihrer Zweifel an der Verlässlichkeit der Schlepper setzten, und das Verhalten des Fahrers Rückschlüsse auf die Täterintention zulassen, einen (von Beginn an) auf Betrug gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers indizieren und solcherart im erörterungsbedürftigen Widerspruch zu den Feststellungen zur subjektiven Tatseite des § 114 FPG stehen sollten, wird nicht klar.
Gleiches gilt für die Passage aus der Verantwortung des Angeklagten, wonach er (im Nachhinein) von der Person, die schon am Vortag für die drei irakischen Staatsangehörigen „interveniert“ hatte, darüber informiert wurde, dass diese „beschissen worden seien“.
Mit dem Hinweis auf einzelne Urteilsfeststellungen bezieht sich die Rüge nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommene, im Urteil übergangene Verfahrensergebnisse (RIS-Justiz RS0118316), ein Widerspruch im Sinn der Z 5 dritter Fall wird – zu Recht – nicht behauptet.
Insgesamt bekämpft die Mängelrüge mit diesem Vorbringen – nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung – bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter, die die entscheidungswesentlichen Urteilsannahmen, nach denen
tatplangemäß Deutschland das Ziel der vom Beschwerdeführer mit entsprechendem Vorsatz geförderten – wenn auch letztlich im Inland beendeten – rechtswidrigen Reisebewegung war (vgl dazu RIS-Justiz
RS0127813 [T5]) – den Gesetzen logischen Denkens und den grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend – schwergewichtig auf die insoweit letztlich übereinstimmenden Einlassungen der drei Angeklagten stützten (US 8, 15).
Dies trifft auch auf den Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG) zu, inhaltlich dessen die Beschwerde ohne jede
Auseinandersetzung mit den – im Übrigen logisch und empirisch einwandfreien – Urteilsausführungen (US 12 f) bloß die Ansicht vertritt, es gäbe für diese Annahme „keine Hinweise“ und sich – insoweit unverständlich – erneut auf die oben zitierte Verantwortung des Beschwerdeführers beruft.
Soweit die einen Schuldspruch wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) unter Bezugnahme auf die schon in der Mängelrüge als übergangen monierten Verfahrensergebnisse und Urteilsannahmen auch einen „Feststellungsmangel bzw Rechtsfehler mangels Feststellungen“ dazu behauptet, dass den irakischen Staatsangehörigen „in Wahrheit … durch die Vorspiegelung, sie würden 'geschleppt' werden, Geldbeträge herausgelockt“ wurden, ignoriert sie die Konstatierungen zu einem auf die Förderung der rechtswidrigen Durchreise der Fremden durch Österreich und Einreise nach Deutschland gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers (US 4 iVm US 15) und
verfehlt damit den im
Urteilssachverhalt gelegenen (tatsächlichen) Bezugspunkt (vgl RIS-Justiz RS0099724).
Die Kritik an der Annahme der Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 2 FPG argumentiert auf Basis der Bestimmung in der – zum Tatzeitpunkt nicht mehr in Geltung stehenden – Fassung vor BGBl
I 2015/121, die eine Tatbegehung in Bezug auf eine größere Zahl von Fremden vorsah (vgl demgegenüber § 114 Abs 3 Z 2 FPG idgF: „in Bezug auf mindestens drei Fremde“), und leitet solcherart die angestrebte rechtliche Konsequenz nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 588).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.