3Ob47/17h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Hintermeier Pfleger Brandstätter Hintermeier Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Zustimmung zur Löschung eines Vorkaufsrechts über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2017, GZ 1 R 172/16b 13,
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen gaben der auf Einwilligung zur Löschung eines Vorkaufsrechts gerichteten Klage statt, weil die von der Beklagten vorgenommene Einlösung nicht alle mit dem Vorkaufsrecht belasteten und verkauften Miteigentumsanteile erfasste. Die dagegen von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
Rechtliche Beurteilung
1. Die zentrale Rechtsfrage für die Beurteilung des Inhalts des Vorkaufsrechts ist die Auslegung der Vorkaufsabrede aus dem Jahr 1975 (Beilage ./N).
2. Das erkennt auch die Revision, die dazu jedoch nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn sie das Fehlen von Feststellungen zu den Absichten und Kenntnissen der vertragsschließenden Parteien rügt. Die Beklagte stellte in erster Instanz nämlich gar keine Behauptungen zu einer vom Wortlaut der Vorkaufsabrede abweichenden Parteienabsicht auf. Vielmehr vertrat sie vor dem Erstgericht den gegenteiligen Standpunkt, dass sie eine Vereinbarung mit dem Kläger über den Inhalt ihres Vorkaufsrechts nie getroffen habe. Ihre gegenteilige Argumentation im Rechtsmittelverfahren ist somit aktenwidrig und stellt keine gesetzmäßige Ausführung der außerordentlichen Revision dar; sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor.
3. Die Auslegung der Vereinbarung Beilage ./N ist daher allein nach ihrem Wortlaut (RIS Justiz RS0017834) als rechtliche Beurteilung (RIS Justiz RS0017911 ua) vorzunehmen.
4. Aus dem unstrittigen und deshalb auch noch in dritter Instanz verwertbaren (RIS Justiz RS0121557 [T3]) Wortlaut der „Löschungserklärung“, die die Vorkaufsabrede enthält (Beilage ./N), samt seinerzeitiger Verbücherung (vor der Grundbuchsumstellung), die dem Grundbuchsauszug Beilage ./P zu entnehmen ist, und dem aktuellen Grundbuchsauszug (Beilage ./A) ergibt sich Folgendes:
Rechtsvorgänger des Klägers im Eigentum der Liegenschaftsanteile war bei Begründung des Vorkaufsrechts im Jahr 1975 zum Einen der Vater der Beklagten, der über 1133/2858 Anteile verfügte (davon 1066/2858 Anteile untrennbar verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung im Obergeschoss, während die restlichen 67/2858 Anteile im schlichten Miteigentum standen); zum Anderen war dessen Ehegattin zu 296/2858 Anteilen, untrennbar verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung im Dachgeschoss, Miteigentümerin. Beide Personen sind bereits verstorben.
Dem Erwerb ihrer (insgesamt) 1429/2858 Anteile durch die Beklagte von einer Dritten mit Kaufvertrag vom 25. Oktober 1975 stimmten die damals dafür Vorkaufsberechtigten, der Vater der Beklagten und dessen Ehegattin, ebenso zu wie der Löschung ihres einverleibten Vorkaufsrechts, was in der Löschungserklärung vom 29. November/9. Dezember 1975 (Beilage ./N) festgehalten wurde. Gleichzeitig räumte die Beklagte den beiden „ das Vorkaufsrecht “ an den von ihr erworbenen (nicht nach solchen im schlichten Miteigentum und solchen, die mit Wohnungseigentum verbunden sind, differenzierten) 1429/2858 Anteilen ein, das nicht verbüchert wurde. Im Anschluss enthält diese Urkunde folgende Regelung: „ Die Ehegatten [der Vater der Beklagten und dessen Ehegattin] räumen ihrerseits Frau [der Beklagten] das Vorkaufsrecht im Sinne des Gesetzes an den ihnen gehörigen 1133/2858 Anteilen bzw. 296/2858-Anteilen der obigen Liegenschaft […] ein und bewilligen die Einverleibung dieses Vorkaufsrechts zugunsten [der Beklagten] bei diesen Anteilen der gegenständlichen Liegenschaft. “ Dieses (nun zu C LNr 1 einverleibte) Vorkaufsrecht war ursprünglich, dh vor der Grundbuchsumstellung wie folgt unter C OZl 12 eingetragen: „ Auf den 1133/2858 d. [Vaters der Beklagten] BOZl. 4a u. 296/2858 d. [Ehegattin des Vaters der Beklagten] BOZl. 4b: Vorkaufsrecht für [die Beklagte] einverleibt. “
5. Die dargestellte Formulierung zeigt zunächst, dass der Vater der Beklagten an seinen 1066/2858 Anteilen das Vorkaufsrecht – ohne Unterscheidung nach mit Wohnungseigentum verbundenen Anteilen und solchen im schlichten Miteigentum – einräumte; die rechtlich unterschiedlichen Anteile wurden also undifferenziert gemeinsam belastet, dh als Einheit behandelt. Bei den Anteilen der Ehegattin des Vaters der Beklagten war eine solche Unterscheidung zwar nicht möglich, es ist allerdings zu beachten, dass sie der Beklagten nicht gesondert ein „eigenes“ Vorkaufsrecht an ihren Anteilen gewährte, sondern die Einräumung gemeinsam mit dem Vater der Beklagten als „Ehegatten“ ausgesprochen wurde. Damit geht einher, dass die Ehegatten „das Vorkaufsrecht“ einräumten und der Verbücherung „dieses Vorkaufsrechtes“ zustimmten, sodass auch die Verwendung der Einzahl klar zum Ausdruck bringt, dass der Beklagten nicht zwei Rechte (iSv je ein Recht durch zwei Personen) an verschiedenen Miteigentumsanteilen zugestanden wurden. In einer Gesamtschau ist dadurch hinreichend deutlich – und auch für die Beklagte erkennbar – dokumentiert, dass nicht nur die Miteigentumsanteile des Vaters der Beklagten, sondern auch jene seiner Ehegattin als verbundene familiäre Einheit, die rechnerisch die zweite Liegenschaftshälfte darstellt, angesehen und so behandelt wurden; konsequent und in Übereinstimmung mit der Diktion der Vereinbarung erfolgte dessen Belastung nur mit einem einzigen, die zweite Miteigentumshälfte als Ganzes erfassenden Vorkaufsrecht. Eine Möglichkeit der Beklagten, das Vorkaufsrecht davon abweichend nur für einen der im Grundbuch bestehenden Anteile ausüben zu dürfen, ist der Vorkaufsabrede daher nicht zu entnehmen.
6. Die vom Berufungsgericht erzielte Auslegung des Wortlauts der Vorkaufsabrede, wenn der Vorkaufsverpflichtete alle Liegenschaftsanteile im Rahmen eines Kaufvertrags verkaufe, sei für die wirkliche Einlösung zu fordern, dass die Vorkaufsberechtigte die Bestimmungen dieses Kaufvertrags zur Gänze übernehme, also nur alle drei Miteigentumsanteile als Einheit einlösen könne, ist nach den dargestellten Überlegungen jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof (vgl 5 Ob 718/79; Verschraegen in Kletečka/Schauer ABGB ON 1.05 § 1072 Rz 24).
7. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass dieses Verständnis der Vorkaufsabrede ganz offensichtlich auch seiner Verbücherung zugrunde lag: Wurde doch – sowohl ursprünglich, als auch nach der Grundbuchsumstellung – gar nicht jeder Anteil des Klägers/seiner Rechtsvorgänger mit einem gesonderten Vorkaufsrecht belastet (dann hätten nämlich zuerst zwei, nach der Umstellung drei Vorkaufsrechte einverleibt werden müssen), sondern stets nur ein gemeinsames Vorkaufsrecht für alle Anteile eingetragen.