JudikaturOGH

3Ob22/17g – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A* GmbH, *, vertreten durch Mag. Paul Philipp Pöllinger, Rechtsanwalt in Baden, gegen die verpflichtete Partei W*, vertreten durch MMag. Dr. Irmtraud Oraz, Rechtsanwältin in Wien, wegen zwangsweiser Räumung, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 24. November 2016, GZ 17 R 143/16z 19, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 12. August 2016, GZ 12 E 3160/16y 8, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Rekursgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verwies den Verpflichteten mit seinen Einwendungen gemäß § 40 Abs 2 EO auf den Rechtsweg und wies unter anderem die Anträge des Verpflichteten auf Aufschiebung und Einstellung der Räumungsexekution ab.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Verpflichteten gegen diese Entscheidung wegen nachträglichen Wegfalls der Beschwer (infolge zwischenzeitigen Vollzugs der zwangsweisen Räumung) zurück, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Der Verpflichtete erhob dagegen zunächst einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs, den er in der Folge fristgerecht dahin verbesserte, dass er einen Antrag an das Rekursgericht auf Abänderung des Zulassungsausspruchs, verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs, einbrachte. Erstmals im verbesserten Schriftsatz rügte der Verpflichtete eine unrichtige Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht: In Wahrheit übersteige dieser 30.000 EUR (ON 32).

Im Hinblick auf dieses Vorbringen entschied das Rekursgericht nicht über den Abänderungsantrag, sondern legte die Akten dem Obersten Gerichtshof vor. Die Beurteilung, ob das Rekursgericht bei der Bewertung den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten habe, obliege dem Obersten Gerichtshof. Im Fall einer Zurückweisung des Abänderungsantrags samt Revisionsrekurs durch das Rekursgericht wäre ein Bewertungsfehler durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr korrigierbar.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage.

1. Die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rechtsmittelgericht ist grundsätzlich unanfechtbar (RIS Justiz RS0042410) und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS Justiz RS0042385; RS0042515). Von der zweiten Regel wird nur insoweit eine Ausnahme gemacht, als das Gericht zweiter Instanz zwingende Bewertungsvorschriften verletzt oder eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen hat (RIS Justiz RS0042450 [T8, T19] ua). Den zweitgenannten Bewertungsfehler will der Rechtsmittelwerber im vorliegenden Fall erkennbar geltend machen.

2. Will eine durch die Entscheidung der zweiten Instanz beschwerte Partei in einem Rechtsmittel geltend machen, dass eine offenkundige, den Obersten Gerichtshof nicht bindende Unterbewertung vorgenommen worden sei und dass bei zutreffender Bewertung eine Anrufung des Höchstgerichts in Betracht käme, steht ihr – im Bereich zwischen 5.000 und 30.000 EUR – regelmäßig die Möglichkeit offen, ungeachtet der Bewertung durch das Gericht zweiter Instanz ein außerordentliches Rechtsmittel (allenfalls verbunden mit einem eventualiter gestellten Antrag nach § 508 ZPO) zu erheben und in diesem geltend zu machen, dass die Wertgrenze von 30.000 EUR bei zutreffender Bewertung des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz überschritten sei. Schließt sich der Oberste Gerichtshof dieser Beurteilung an, steht der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels der abweichende Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz nicht entgegen (1 Ob 78/16a).

3. Im vorliegenden Fall stellte der Verpflichtete allerdings nur einen Abänderungsantrag, verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs. Zur Entscheidung darüber ist der Oberste Gerichtshof aber – außer im Fall der Stattgebung des Abänderungsantrags durch das Rekursgericht – nicht zuständig.

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