15Os56/17z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Farhan A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 2. März 2017, GZ 36 Hv 2/17x 56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch enthält, wurde Farhan A***** von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 31. Oktober 2016 in I***** Alexandra D***** durch Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er die Genannte am Oberkörper umklammerte, ihr den Mund zuhielt, sie sodann in eine Ecke drängte, ihr die Unterbekleidung nach unten zog, sich selbst entblößte und seinen Unterkörper von hinten gegen ihren drückte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die einen Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach §§ 15, 205a Abs 1 StGB, „in eventu“ wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach §§ 15, 218 Abs 1 Z 1 StGB anstrebt. Das Rechtsmittel geht fehl.
Die gesetzesgemäße Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Vom Erstgericht getroffene – dem Anfechtungsziel entgegenstehende – (Negativ-)Feststellungen sind nach Maßgabe der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO genannten Kategorien mit Mängelrüge zu bekämpfen. In Bezug auf den angestrebten Schuldspruch fehlende Urteilsannahmen sind mit dem Aufzeigen eines Feststellungsmangels (Z 9 lit a), somit durch Hinweis auf vorliegende, solche Feststellungen indizierende Verfahrensergebnisse, geltend zu machen (RIS-Justiz RS0118580).
Diese Kriterien verfehlt die Rechtsmittelwerberin, indem sie – einen Schuldspruch nach §§ 15, 205a Abs 1 StGB anstrebend – zwar die Feststellung begehrt, wonach dem Angeklagten „bei Vornahme seiner Handlungen bewusst war, dass er gegen den Willen der Alexandra D***** und nach vorangegangener Einschüchterung der Genannten handelte“, die dem entgegenstehende (Negativ-)Feststellung des Erstgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass es der Angeklagte auch nur für möglich hielt, D***** durch sein Verhalten dazu zu zwingen, „gegen ihren Willen eine geschlechtliche Handlung über sich ergehen zu lassen“ (US 4), aber übergeht.
Hinsichtlich der dritten Alternative des § 205a Abs 1 StGB („vorangegangene Einschüchterung“) wiederum unterlässt es die Rüge, auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes, die gewünschte Konstatierung indizierendes Tatsachensubstrat hinzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0118580 [T7 und T8]).
Gleiches gilt für die in Bezug auf einen Schuldspruch nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB – unter eigenständiger Interpretation der Sexualbezogenheit des Verhaltens des Angeklagten („welches Verhalten … indiziert“; vgl dazu Philipp in WK 2 StGB § 218 Rz 5 f) – begehrte Feststellung, dass es dem Angeklagten „bei Vornahme seiner Handlungen bewusst war, dass er Alexandra D***** dadurch belästigt, was er jedoch billigend in Kauf nahm“.
Der bloß auf eine selektive Wiedergabe der Konstatierungen zum objektiven Hergang gestützte Hinweis, die Feststellungen würden sich „zwanglos schon aus einer lebensnahen Betrachtung des äußeren Geschehens“ ergeben, genügt den Anforderungen an die Geltendmachung eines Feststellungsmangels vorliegend nicht, weil die Beschwerde die Urteilsgründe für die gegenteilige Annahme des Schöffengerichts (US 6 f) vernachlässigt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).