11Os60/17h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtshörerin cand. iur. Schwarzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen M***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 23. März 2017, GZ 36 Hv 165/16h 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde M***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 StGB und der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er von Juni 2001 bis 4. Oktober 2001 in L*****
I./ mit der am ***** 1987 geborenen, sohin unmündigen A***** in wiederholten Angriffen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen und in einem Fall den Beischlaf unternommen, indem er sie wiederholt mit den Fingern und zumindest einmal mit der Zunge vaginal penetrierte, zumindest einmal einen Oralverkehr an sich vornehmen ließ und einmal mit seinem Penis zum Geschlechtsverkehr ansetzte, wobei die Taten eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung in Form einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung zur Folge gehabt haben;
II./ an der unmündigen A***** außer dem Fall des § 206 StGB in mehreren Angriffen geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen, indem er sie in jeweils wiederholten Angriffen über und unter der Bekleidung an den Brüsten berührte, sie dort küsste, sie mit den Händen am Geschlechtsteil berührte und zumindest einmal ihre Hand auf seinen Penis legte.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Die nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) vorgetragene Kritik (nominell teils Z 5, teils Z 5a), es sei kein Gutachten zur Glaubwürdigkeit des Tatopfers eingeholt worden, geht schon deshalb ins Leere, weil die Beurteilung der Wahrheit und Richtigkeit der Aussage von Zeugen als Prüfung der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der im Verfahren vorgeführten Beweismittel ein Akt freier Beweiswürdigung ist, der ausschließlich dem erkennenden Gericht zusteht (RIS-Justiz RS0098297, RS0097733; vgl im Übrigen RS0115823, RS0114036) zur Subsidiarität der Aufklärungsrüge.
Die Hilfe stellung durch einen Sachverständigen kommt dabei nur in jenen Ausnahmefällen in Betracht, in denen objektive Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung, Entwicklungsstörung oder einen sonstigen Defekt vorhanden sind, wobei die Störungen erheblich sein und dem Grad des § 11 StGB nahekommen müssen oder gegen die allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit oder gegen die Aussageehrlichkeit des Zeugen schlechthin sprechen (RIS-Justiz RS0120634; Hinterhofer , WK-StPO § 126 Rz 8). Solche Umstände indizierende Anhaltspunkte, die im Übrigen aus den Akten auch nicht ersichtlich sind, hat der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf die Schlussfolgerungen des psychiatrischen Sachverständigen und dessen Hinweis, dass sein Gutachten „ja kein Glaubwürdigkeitsgutachten“ darstelle, nicht dargetan.
Aus welchem Grund der von einem Wahlverteidiger vertretene Angeklagte „über die Möglichkeit, ein aussagepsychologisches Gutachten zu beantragen“, aufgeklärt hätte werden müssen, erklärt die Beschwerde nicht (vgl RIS-Justiz RS0096569).
Bei der weiteren Kritik der Aufklärungsrüge, das Tagebuch des Opfers und der Akt des zuständigen Jugendamts hätten von Amts wegen beigeschafft werden müssen, unterlässt der Angeklagte einmal mehr einen nachvollziehbaren Hinweis, aus welchem Grund er an der entsprechenden Antragstellung gehindert gewesen wäre (RIS Justiz RS0115823)
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Aktenwidrig sind Entscheidungsgründe nur dann, wenn sie den Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig wiedergeben (RIS-Justiz RS0099547). Dies verkennt der Beschwerdeführer, soweit er ins Treffen führt, der Sachverständige hätte „nicht festgestellt“, dass die „Tathandlungen tatsächlich kausal für die schwere Körperverletzung“ des Opfers gewesen seien, weswegen deren Feststellung durch die Tatrichter „aktenwidrig“ wäre, wobei er überdies die ausführlichen Erwägungen des Erstgerichts dazu außer Acht lässt (US 19, 20; RIS-Justiz RS0116504, RS0119370). Das daran anknüpfende Vorbringen, dies werde „subsidiär auch unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO wegen Überschreitung des Beweiswürdigungsermessens geltend gemacht“ entspricht prozessordnungsgemäßer Ausführung einer Tatsachenrüge nicht (RIS-Justiz RS0115902, RS0116733, RS0119583).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Dieses wird zu berücksichtigen haben (RIS-Justiz RS0122140), dass der Sanktionsausspruch unter (von der Beschwerde nicht geltend gemachter) Nichtigkeit leidet, weil die Wertung der
Uneinsichtigkeit des Angeklagten als eine für die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe (primär mit-)entscheidende Tatsache (US 22) eine iSd § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS-Justiz RS0090897).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.