7Ob117/17g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Parteien 1. mj L* S*, geboren am * 2007 und 2. mj D* S*, geboren am * 2009, vertreten durch den Drittantragsteller Mag. C* S*, alle *, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Parteien Mag. P* S*, vertreten durch Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen einstweiliger Verfügung nach § 382e EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Mai 2017, GZ 48 R 147/17b, 48 R 148/17w 80, womit der Beschluss und der „Ergänzungsbeschluss“ des Bezirksgerichts Döbling vom 30. März 2017, GZ 1 C 12/16s 66 und 67, in der Hauptsache bestätigt wurden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der auf Verlängerung der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügungen bis zur Rechtskraft des Scheidungsverfahrens gerichtete Antrag (ON 55) abgewiesen wird.
Die Antragsteller sind schuldig, der Antragsgegnerin die mit 1.523,20 EUR (darin enthalten 253,87 EUR USt und 8,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Drittantragssteller und die Antragsgegnerin sind seit 28. 5. 2008 verheiratet; der Erst- und der Zweitantragssteller sind deren Kinder. Am 29. 2. 2016 brachte die Antragsgegnerin die Scheidungsklage ein; das Verfahren ist anhängig.
Am 25. 3. 2016 erließ das Erstgericht eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 382b und 382e EO, mit der der Antragsgegnerin das Verlassen der Ehewohnung aufgetragen, ihr der Aufenthalt in der Schule der Kinder und auf dem Sportplatz ihres Fußballvereins oder der jeweiligen unmittelbaren Umgebung sowie jegliches Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit den gefährdeten Parteien verboten wurde (hinsichtlich der Kinder vorbehaltlich einer Kontaktrechtsregelung im Pflegschaftsverfahren).
Mit den angefochtenen Beschlüssen verlängerte das Erstgericht die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung hinsichtlich des Aufenthalts- und des Kontaktaufnahmeverbots bis zur Beendigung des Scheidungsverfahrens.
Es nahm zusammengefasst als bescheinigt an:
An vier Kontaktterminen im Besuchscafe vermied die Antragsgegnerin das Zusammentreffen mit dem Drittantragsteller im Eingangsbereich nicht, sondern verblieb in dessen Nähe, ohne aber aktiv Kontakt mit ihm aufzunehmen. Der Drittantragsteller hat sich „unwohl und schlecht“ gefühlt und hat von sich aus den Bereich verlassen. An einem anderen Tag trafen die Kinder an einer Bushaltestelle auf die Antragsgegnerin, die daraufhin mit ihnen in den Bus einstieg und nicht nur bis zu ihrem Fahrtziel, sondern darüber hinaus mit den Kindern noch mindestens zwei Stationen bis zum Fußballclub weiterfuhr und sie über die Straße begleitete. Es konnte nicht bescheinigt werden, ob das Zusammentreffen zufällig oder absichtlich erfolgte. Am 30. 1. 2017 war der Erstantragsteller krank und daher nicht in der Schule. Er rief im Laufe des Vormittags die Antragsgegnerin an und ersuchte um Rückruf. Die Antragsgegnerin rief zurück und telefonierte (aktiv) am Vormittag 12 Minuten, gegen Mittag 21 Minuten und nochmals am Nachmittag 15 Minuten mit dem Erstantragsteller. Bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Verlängerung der einstweiligen Verfügung wurde der Antragsgegnerin ein unbegleitetes Kontaktrecht, zuletzt sogar mit Übernachtungen, eingeräumt.
Rechtlich gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin wiederholt gegen die einstweilige Verfügung verstoßen habe, wobei für die Verlängerung jeglicher Verstoß genüge.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin in der Hauptsache nicht Folge. Der Umstand allein, dass es seit der Erlassung der Gewaltschutzverfügung zu keinen weiteren Tätlichkeiten gekommen sei, ändere nichts am Fortbestand der Gefahrenlage.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs , strebt die Antragsgegnerin die Abweisung des Verlängerungsantrags an.
Die Antragsteller begehren in ihrer Revisionsrekursbeantwortung , die angefochtenen Entscheidungen zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Zur Rechtzeitigkeit:
Die Zustellung der angefochtenen Rekursentscheidung erfolgte entgegen den Annahmen der Revisionsrekursbeantwortung am 26. 5. 2017, sodass der am 9. 6. 2017 eingebrachte Revisionsrekurs rechtzeitig ist.
Ein Beschluss über die Verlängerung einer einstweiligen Verfügung kommt der Erlassung einer neuen einstweiligen Verfügung gleich und rechtfertigt die analoge Anwendung des § 402 Abs 1 EO. Der Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 1 Z 2 ZPO findet daher nicht statt (RIS Justiz RS0109194).
Zur Verlängerung hinsichtlich des Erst- und des Zweitantragstellers:
§ 382e Abs 2 EO sieht eine Verlängerung der Geltungsfrist der einstweiligen Verfügung nach Zuwiderhandlung durch den Antragsgegner für längstens ein Jahr vor.
In JAB 106 BlgNR 24. GP 12 wird ausgeführt, dass dann, wenn durch einen Verstoß gegen das Kontaktverbot das Fortbestehen der Gefahrenlage manifest werde, eine Verlängerung der einstweiligen Maßnahme gerechtfertigt sei.
Die hier bescheinigten Vorfälle im Besuchscafe sind in Bezug auf die Kinder schon deshalb keine Verstöße, weil die Kontaktrechtsausübung der Mutter ausdrücklich aus der einstweiligen Verfügung ausgenommen wurde und im Übrigen das in diesem Zusammenhang geltend gemachte, bloß passive Verhalten der Antragsgegnerin den Drittantragsteller betraf. Der Telefonkontakt wurde vom Erstantragsteller eingeleitet, der ausdrücklich um Rückruf bat. Zur gemeinsamen Busfahrt ist nicht bescheinigt, dass die Antragsgegnerin den Kontakt herbeigeführt hat. Es manifestiert sich dadurch in Zusammenhang mit der positiven Kontaktrechtsentwicklung (unbegleitetes Kontaktrecht mit Übernachtungen) kein Fortbestehen der Gefahrenlage.
Zur Verlängerung hinsichtlich des Drittantragstellers:
Der Drittantragsteller ist Partei des Hauptverfahrens und hat auch eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO erwirkt.
Nach der allgemeinen Bestimmung des § 391 EO kann eine einstweilige Verfügung verlängert werden, wenn der Antragsteller dartut, dass ihr beabsichtigter Zweck nicht erreicht wurde (RIS-Justiz RS0005534; RS0005613; so auch 7 Ob 15/14b).
Das Zusammentreffen des Drittantragstellers mit der Antragsgegnerin fand nur im Rahmen eines vorgesehenen Kontakts mit den Kindern im Besuchscafe statt und die Antragsgegnerin setzte dabei keinerlei aktives Verhalten gegen den Drittantragsteller. Aus ihrem Verhalten folgt nicht, dass der Gefährdungstatbestand weiter vorliegt, zumal keine begleiteten Kontakte mehr stattfinden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 2 EO iVm § 41 ZPO und für das Rechtsmittelverfahren weiter iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach § 14 lit c RATG.