11Os52/17g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Dr. Sadoghi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mehyar A***** wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 20. Dezember 2016, GZ 22 Hv 108/16x-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Mehyar A***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (I./) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in L*****
I./ am 15. August 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit drei Mittätern mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Gerhard P***** fremde bewegliche Sachen wegzunehmen oder abzunötigen versucht, indem sie ihn aufforderten, Geld herzugeben, ihn mit den Worten „Wir haben ein Messer auch ! Zeig´s ihm !“ bedrohten, [gewaltsam – US 4] zu Boden brachten und die Geldtasche aus dessen Hosentasche zu ziehen suchten;
II./ am 6. August 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern Rok K***** am Körper verletzt, indem sie diesen festhielten, schlugen und traten, wodurch er Kratzer und Rötungen erlitt;
III./ am 6. August 2016 Anton Ka***** durch gefährliche Drohung zu einer Handlung genötigt, indem er ein Messer gegen diesen richtete und in dessen Richtung stach, wobei er äußerte, Ka***** solle weggehen bzw nicht näher kommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10a StPO stützt.
Der
Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass das Gericht bei der Lösung von Tatfragen (§ 258 Abs 2 StPO) berechtigt ist, nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen, die – wenn sie vertretbar sind – als Akt freier richterlicher Beweiswürdigung mittels Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbar sind ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 449 ff).
Ihr Bezugspunkt ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0106268). Davon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen, wobei in allen Fällen die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS Justiz RS0119370).
Solcherart bildet es kein aus Z 5 beachtliches Begründungsdefizit, wenn dem Angeklagten die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht überzeugend genug erscheint und aus seiner Sicht aus den Verfahrensergebnissen auch andere, für ihn günstigere Schlüsse denkbar gewesen wären. Dies verkennt die Beschwerde, soweit sie gegen die erstgerichtliche Annahme des gemeinschaftlichen Tatentschlusses (US 3 iVm US 8 ff zu Schuldspruch I./) und der gemeinsamen Ausführung der Tat mit isoliert herausgegriffenen Aussagepassagen des Angeklagten und der Mittäter argumentiert.
Die Kritik an den Urteilsausführungen zur Verabredung der Tat in einem Lokal spricht überdies keine entscheidende Tatsache an, weil für eine verabredete Vorgangsweise die vorhergehende explizite Vereinbarung eines Tatplans nicht Voraussetzung ist, sondern konkludentes gemeinsames Handeln beim unmittelbaren Tatgeschehen ausreicht. Auch blieb die schlüssig aus dem Geschehen (der Angeklagte und zwei Mittäter, von denen einer auch der Aufforderung, tatsächlich Gewalt anzuwenden, folgte, standen hinter dem Tatopfer) abgeleitete „Bereitschaft zum Eingreifen“ demnach nicht unbegründet
. Der Beschwerdeführer übersieht, dass im – hier zu Schuldspruch I./ konstatierten (US 3 ff iVm US 8 und 10) – Fall der Mittäterschaft (§ 12 erster Fall StGB) nicht jeder der einvernehmlich handelnden Täter selbst das gesamte Tatbild verwirklichen muss. Er muss bloß eine dem Wortlaut des in Rede stehenden Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung setzen, um den gesamten (von seinem Vorsatz umfassten) Erfolg zu verantworten (RIS Justiz RS0117320, RS0089574; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 26 mwN).
Soweit die Beschwerde
eine „aktenwidrige Feststellung“ (siehe aber RIS Justiz RS0099547; Ratz , WK StPO § 281 Rz 468) in der Konstatierung erblickt, dass „… P***** … mittlerweile laut nach der Polizei schrie“, weswegen „die vier aus Angst vor Entdeckung die Flucht ergriffen“ (US 4), spricht sie angesichts der weiteren Feststellung, „P***** schrie laut auf … daraufhin liefen die Angeklagten weg“ bzw „… bemerkten, dass P***** nicht bereit war, sein Geld herzugeben ...“ keine entscheidende Tatsache an ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 398, 474). Unter dem Aspekt der Rechtsrüge (nominell Z 5 fünfter Fall; inhaltlich Z 9 lit b) mangelt es den Feststellungen zum Strafausschließungsgrund des Rücktritts vom Versuch vermissenden Vorbringen an der gebotenen Orientierung an der Feststellung, wonach der Versuch fehlgeschlagen war (US 4 f). Der Beschwerdeführer leitet nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl zum entsprechenden Erfordernis: RIS-Justiz RS0116569), inwiefern er davon ausgehend dennoch strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten sein soll (vgl dazu RIS Justiz RS0090331, RS0089866, RS0090012; Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 157 ff), und legt nicht dar, weshalb die geforderten Feststellungen indiziert sein sollten, obwohl sich weder er noch einer der – abgesondert verfolgten – Mittäter in diese Richtung verantwortet hatten.
Aus Z 10a ist ein Urteil dann nichtig, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hat.
Nicht anders als im Fall von Rechts- und Subsumtionsrügen (§ 281 Abs 1 Z 9 und 10 StPO) ist somit Gegenstand der Diversionsrüge der Vergleich der im Urteil getroffenen Konstatierungen mit den Diversionskriterien. Hat das Gericht aus Sicht des Beschwerdeführers zu deren Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen, ist ein Feststellungsmangel geltend zu machen (RIS Justiz RS0119091).
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerde nicht gerecht. Der Angeklagte (zur Tatzeit junger Erwachsener) erklärt mit der Behauptung „partieller Verantwortungsübernahme“ durch sein Bewusstsein, dass das Handeln seiner Mittäter „nicht rechtens war“, nicht, in welcher Hinsicht seine demgemäß zu drei Schuldspruchpunkten leugnende Einlassung Konstatierungen zu seiner Bereitschaft indiziert hätte, Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen zu übernehmen (zu diesem Kriterium diversionellen Vorgehens RIS Justiz RS0116299, RS0126734).
Das Rechtsmittel setzt sich mit der pauschalen Behauptung mangelnder Schuldschwere auch nicht mit den Konstatierungen auseinander, wonach bei den dem Angeklagten angelasteten Fakten sowohl Gewalt als auch eine Waffe zum Einsatz gelangten und zwei Angriffen eine arbeitsteilige Vorgehensweise zugrunde lag, und schweigt gleichermaßen zu den spezialpräventiven Umständen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.