9ObA75/16v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn (§ 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Walch Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, Beitrittswerber auf Seiten der beklagten Partei 1. E* A.u.H*, 2. E* A.*, 3. E* H.*, 4. E*, diese vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 109,09 EUR brutto sA, im Verfahren über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2016, GZ 9 Ra 23/16t 11, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nebenintervention wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiegt, kann dieser Partei gemäß § 17 Abs 1 ZPO im Rechtsstreit beitreten (Nebenintervention).
Erfolgt der Beitritt als Nebenintervenient erst im Rechtsmittelverfahren hat die amtswegige Prüfung des Vorliegens der Interventionsvoraussetzungen das Gericht vorzunehmen, bei dem das Verfahren anhängig ist und bei dem der Beitritt erklärt wurde. Diesem Gericht obliegt damit auch die Schlüssigkeitsprüfung des behaupteten Interventionsinteresses. Da im Anlassfall der Beitritt nach Erhebung der Revision und deren Vorlage an den Obersten Gerichtshof erklärt wurde, ist somit der Oberste Gerichtshof für die Prüfung der Beitrittsvoraussetzungen zuständig (vgl 3 Ob 45/11f mwN). Auch die Aussetzung des Verfahrens ändert nichts an der funktionellen Zuständigkeit.
2. Gemäß § 18 Abs 1 ZPO kann die Nebenintervention in jeder Lage des Verfahrens bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien erfolgen. Sie wird mit Zustellung des Beitrittsschriftsatzes rechtswirksam.
Grundsätzlich entspricht es der herrschenden Lehre und Rechtsprechung, dass ein Beitritt als Nebenintervenient während der Unterbrechung eines Verfahrens ausgeschlossen ist (RIS Justiz RS0094160; Gitschthaler in Rechberge r, ZPO 4 § 163 Rz 2 f; Fink in Fasching/Konecny ³ § 163 ZPO Rz 31 sowie § 168 ZPO Rz 37). Das wird daraus abgeleitet, dass § 18 Abs 1 ZPO bestimmt, dass ein solcher Beitritt durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien zu erfolgen hat; erst nach diesem Zeitpunkt gesetzte Prozesshandlungen des Nebenintervenienten sind wirksam und zu beachten. Die Zustellung des Schriftsatzes erfordert aber ein gerichtliches Tätigwerden. Da aber nach Eintritt der Unterbrechung Gerichtshandlungen, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung des Verfahrens geschaffenen Zustand Rechnung tragen oder unter den Ausnahmetatbestand des § 163 Abs 3 ZPO fallen, während des Stillstands des Verfahrens unzulässig und gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig sind, ist auch ein Beitritt als Nebenintervenient, der ein solches gerichtliches Tätigwerden zur Voraussetzung hätte, während der Unterbrechung eines Verfahrens ausgeschlossen ( 9 ObA 3/96 mwN; vgl auch 6 Ob 183/14a ).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Aussetzung des Verfahrens allerdings nach § 90a GOG. Hat ein Gericht ein Vorabentscheidungsersuchen gestellt, so darf es nach dieser Bestimmung bis zum Einlangen der Vorabentscheidung nur solche Handlungen vornehmen oder Entscheidungen und Verfügungen treffen, die durch die Vorabentscheidung nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten. Da somit nicht jede Gerichtshandlung unzulässig ist, sondern nur eine solche, die zu einem Widerspruch oder Vorgreifen im Hinblick auf das Ergebnis des Vorabentscheidungsersuchens führen könnte, ist eine Beitrittserklärung als Nebenintervenient nicht deshalb versagt, weil das Verfahren nach § 90a GOG ausgesetzt ist.
3. Die Beitrittswerber verweisen selbst darauf, dass nach der Judikatur im Revisionsverfahren nach Ablauf der Revisionsfrist kein Beitritt auf Seiten des Revisionswerbers, nach Ablauf der Revisionsbeantwortungsfrist kein Betritt auf Seiten des Revisionsgegners mehr möglich ist:
Dies ergibt sich daraus, dass der Beitritt keinem Selbstzweck, sondern dazu dient, dass der Nebenintervenient bei rechtlichem Interesse am Obsiegen einer Partei als „Streithelfer“ Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen, Beweise anbieten und alle sonstigen Prozesshandlungen mit Wirksamkeit für die Hauptpartei vornehmen kann (§ 19 Abs 1 Satz 2 ZPO). Damit ist ein Beitritt, der dem Beitretenden zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung seiner Zulässigkeit (Zeitpunkt der Beschlussfassung: RIS Justiz RS0035441; aA Schneider in Fasching/Konecny 3 § 18 ZPO Rz 10, die auf die Beitrittserklärung abstellt) keinen Einfluss auf den Verfahrensgang ermöglicht, als unzulässig zu qualifizieren.
4. Ob eine andere Beurteilung zu erfolgen hat, wenn nach Ablauf der Rechtsmittelfristen ein Vorabentscheidungsersuchen eingeleitet wurde, muss hier nicht abschließend beantwortet werden, da sich aus dem Vorbringen der Beitrittswerber kein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten ableiten lässt.
Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Es muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RIS Justiz RS0035724). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS Justiz RS0035638). Die Nebenintervention ist zurückzuweisen, wenn schon aus den vorgebrachten Tatsachen kein rechtliches Interesse zu erkennen ist (RIS Justiz RS0035638 [T6]). In diesem Sinn hat der Beitretende sein rechtliches Interesse gemäß § 18 Abs 1 ZPO zu spezifizieren, insbesondere auch dahingehend, dass es am Obsiegen derjenigen Prozesspartei besteht, auf deren Seite der Nebenintervenient beitritt (3 Ob 211/10s). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RIS Justiz RS0035724 [T3]).
Die Beitrittswerber verweisen im Wesentlichen nur darauf, dass ihr rechtliches Interesse darin liegt, dass durch den Europäischen Gerichtshof festgestellt wird, dass es sich bei § 7 Abs 3 ARG um eine Maßnahme handelt, die in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, insbesondere des Rechts auf Freiheit der Religionsausübung, notwendig ist bzw dass es sich um eine spezifische Maßnahme zugunsten der Angehörigen ihrer Kirchen zur Gewährleistung deren völliger Gleichstellung im Berufsleben ist.
Tatsächlich behaupten sie damit kein (rechtliches) Interesse am Obsiegen der Beklagten, die im vorliegenden Verfahren dem Begehren des klagenden Arbeitnehmers auf Zahlung des Feiertagsentgelts entgegentritt, sondern an einer bestimmten Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen und europarechtlichen Bestimmungen, die – wenn überhaupt – nur Vorfragen des hier zu beurteilenden Zahlungsbegehrens sind. Mag diese Auslegung auch für die Beitrittswerber bzw Angehörige ihrer Kirchen bedeutsam sein, hat das Ergebnis des zwischen den Parteien dieses Verfahrens geführten Rechtsstreits keine unmittelbare oder mittelbare Auswirkung auf ihre Rechtsposition. Das wäre aber Voraussetzung für die Zulässigkeit der angestrebten Nebenintervention.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.