11Os38/17y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Dr. Sadoghi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Amir M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Shir S***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Thommy L***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. Oktober 2016, GZ 4 Hv 68/16h 163, sowie über die Beschwerden des Angeklagten L***** und der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss nach § 494a StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im die Angeklagten M*****, S*****, Raziulah H***** und L***** betreffenden Ausspruch der Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten S***** fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Angeklagten Amir M*****, Raziulah H***** und Thommy L***** enthält, wurde der Angeklagte Shir S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und Z 3 SMG (I./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG (II./) schuldig erkannt.
Demnach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz zusammengefasst wiedergegeben – von Anfang Oktober 2015 bis Ende Jänner 2016 in G***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift
I./ in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er insgesamt mindestens 1.500 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 9,4 % (mindestens 141 Gramm Delta 9 THC) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die aus ihm selbst, M***** sowie H***** bestand, an verschiedene Abnehmer gewinnbringend veräußerte, wobei er die Tat in der Absicht ausführte, sich durch die wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, er mehr als zwei Taten begangen hat und bereits einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war;
II./ ...
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch I./ richtet sich die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde.
Gegen die Begründung der Feststellungen zu einer bereits Anfang Oktober 2015 beginnenden Tatbegehung wenden sich Vorwürfe der Unvollständigkeit, des Widerspruchs und der Aktenwidrigkeit (Z 5 zweiter, dritter und fünfter Fall; vgl RIS Justiz RS0099547), die sich auf die Argumentation stützen, dass sich den vorliegenden Beweisergebnissen vor Anfang Dezember 2015 keine Tatbeteiligung des Angeklagten entnehmen lasse. Dieses Vorbringen spricht insgesamt keine entscheidenden Tatsachen an (RIS Justiz RS0106268).
Der aktuelle Deliktszeitraum ist weder für die Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung noch für die gewerbsmäßige Tatbegehung relevant (vgl Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 6). Eine sich aus dem behaupteten kürzeren (aber die Dauer von einem Monat jedenfalls übersteigenden) Tatzeitraum allenfalls ergebende Reduktion der inkriminierten Suchtgiftmenge hätte im Hinblick auf die Konstatierungen zur durchschnittlichen Tagesverkaufsmenge von 20 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 9,4 % Delta 9 THC (US 17 iVm US 36) keinen Einfluss auf die – in Bezug auf die Suchtgiftmenge ohnehin nur von einem nicht weiter qualifizierten (etwa fünfzehn oder fünfundzwanzigfachen) Übersteigen der Grenzmenge ausgehende – rechtliche Beurteilung der strafbaren Handlung.
Ins Leere geht auch der – ohne exakte Bezeichnung der betreffenden Fundstelle in den Akten (RIS Justiz RS0124172) – gegen die Urteilsannahmen der insgesamt vom Angeklagten weitergegebenen Suchtgiftmenge mit der Begründung erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), dass sich eine solche Menge nicht aus den Angaben der Zeuginnen Jasmin K***** und Lisa St***** ergäbe, weil das Urteil in diesem Zusammenhang nicht den Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels wiedergibt (neuerlich RIS Justiz RS0099547). Im Ergebnis zielen die auf die inkriminierte Suchtgiftmenge bezogenen Ausführungen der Rüge lediglich auf eine – im schöffengerichtlichen Verfahren in dieser Form – unzulässige Kritik an der (sich im Übrigen auch auf weitere Verfahrensergebnisse stützenden [vgl US 35 f]) Beweiswürdigung der Tatrichter (RIS Justiz RS0098471 [T1]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von einem das Konfiskationserkenntnis betreffenden Rechtsfehler (Z 11 erster Fall), der – weil die Angeklagten diesen Ausspruch (auch) mit Berufung nicht bekämpfen (RIS Justiz RS0130617) – von Amts wegen wahrzunehmen war (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Gemäß § 19a StGB sind vom Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendete Gegenstände zu konfiszieren, wenn sie (neben weiteren Voraussetzungen) zur Zeit der Entscheidung erster Instanz in dessen (Allein )Eigentum stehen. Zu diesem Erfordernis schweigt das Urteil jedoch bei allen Angeklagten (vgl US 6, US 44).
Dieser Teil des Sanktionsausspruchs war daher aufzuheben und dem Landesgericht für Strafsachen Graz im Umfang der Aufhebung die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.
Über die Berufungen und Beschwerden des Angeklagten L***** sowie der Staatsanwaltschaft wird zunächst das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.