4Ob97/17v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers S***** S*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Beklagten 1. M***** GmbH, 2. o***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert gegenüber der Erstbeklagten 33.344 EUR und gegenüber der Zweitbeklagten 11.308 EUR), aus Anlass der außerordentlichen Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. März 2017, GZ 3 R 70/16k-14, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Oktober 2016, GZ 30 Cg 13/16p 10, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seinen Bewertungsausspruch dahin zu präzisieren und ergänzen, dass die Ansprüche gegen jeden Beklagten gesondert bewertet werden.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096; RS0037838). Gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN müssen somit bei Anspruchshäufung die Werte mehrerer in einer Klage geltend gemachter Ansprüche zusammengerechnet werden, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Voraussetzung für den Anwendungsbereich des § 55 Abs 1 Z 1 JN ist aber auch, dass es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen um solche einer einzelnen oder um solche gegen eine einzelne Partei handelt (vgl Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 55 JN Rz 14).
2. Liegt eine Parteienhäufung vor, so sind gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Das Gesetz verlangt somit im Bereich der Parteienhäufung das Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft entweder auf Klags- oder auf Beklagtenseite. Es muss somit entweder eine Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des Streitgegenstands bestehen oder eine Parteienmehrheit, die aus demselben tatsächlichen Grund (allenfalls sogar solidarisch) berechtigt oder verpflichtet ist. Liegt hingegen – wie hier – lediglich eine formelle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 2 ZPO vor, kommt es selbst dann nicht zu einer Zusammenrechnung der Streitwerte, wenn die geltend gemachten Forderungen in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl RIS-Justiz RS0053096 [T10]). Ist in einem Verfahren Anspruchs- und gleichzeitig Parteienhäufung gegeben, sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 1 JN zwar die gehäuften Ansprüche der betreffenden Partei zusammenzurechnen, nicht jedoch diese Ansprüche mit jenen der übrigen formellen Streitgenossen (vgl Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 55 JN, Rz 23 und 23/1).
3. So sind nach der Rechtsprechung etwa Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis ebenso wenig zusammenzurechnen (RIS Justiz RS0037838 [T32]) wie Unterhaltsansprüche, die sich gegen beide Elternteile richten (RIS-Justiz RS0037838 [T47]).
4. Der Akt ist daher dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zu übermitteln, den Bewertungsausspruch dahin zu ergänzen, dass die Ansprüche gegen jede der beiden Beklagten gesondert bewertet werden.