JudikaturOGH

9ObA46/17f – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Werner Krachler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Mag. Gerhard Pilz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** AG, *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2016, GZ 8 Ra 97/16t 70, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ein den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO begründender Widerspruch des Urteils mit sich selbst besteht dann, wenn einzelne Aussprüche innerhalb des Spruchs einander logisch ausschließen (RIS-Justiz RS0042171). Es ist demnach nur auf den Spruch der Entscheidung abzustellen. Danach liegt hier aber die vom Revisionswerber relevierte Nichtigkeit nicht vor, weil divergierende Entscheidungen über das auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses infolge Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gerichtete Klagehauptbegehren und das auf Rechtsunwirksamkeitserklärung der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG gerichtete Eventualbegehren aus verschiedenen Gründen denkbar sind.

2. Die vom Revisionswerber behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft; sie liegt ebenfalls nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Dem Hauptbegehren liegt die Beurteilung der Frage zugrunde, ob die Kündigung rechtswirksam erklärt wurde. Auf Grundlage der dazu vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht überprüften Feststellungen war das Hauptbegehren entscheidungsreif. Lediglich hinsichtlich der behaupteten Verfehlungen des Klägers (insbesondere die Jahre 2009 bis 2013 betreffend), die die Beklagte als persönliche Kündigungsgründe iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG geltend machte, hielt das Berufungsgericht die Aufhebung der abweislichen Entscheidung des Erstgerichts über das Eventualbegehren und eine neuerliche Urteilsfällung darüber für erforderlich, weil das Erstgericht insofern eine nachvollziehbare und überprüfbare Beweiswürdigung unterlassen habe. Das Verhalten des Klägers nach der mündlichen Verwarnung der Beklagten vom 15. 3. 2012 ist, wie nachstehend näher ausgeführt wird, für die Entscheidung über das Hauptbegehren nicht relevant.

3. Der Auslegung von Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung kommt unter anderem dann keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn die Auslegung der fraglichen Bestimmung klar und eindeutig ist (9 ObA 43/12g; 8 ObA 74/14m; vgl RIS-Justiz RS0109942 [T1]). Dies ist hier der Fall.

Die im Anlassfall noch anwendbare Fassung der Betriebsvereinbarung „Ermahnungen und Verwarnungen“ beschreibt unter anderem die vom Dienstgeber einzuhaltende Vorgangsweise bei Erteilung einer formellen Ermahnung, nämlich zum einen einer mündlichen Verwarnung und zum anderen einer schriftlichen Verwarnung des Dienstnehmers. Die schriftliche Verwarnung ist dabei stets mit der Androhung der Auflösung des Dienstverhältnisses im Falle weiterer Verstöße auszusprechen. Daraus leitet der Kläger ab, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses aus persönlichen Gründen rechtsunwirksam sei, weil ihr keine schriftliche Verwarnung im Sinn der genannten Betriebsvereinbarung vorangegangen sei.

Der normative Teil von Betriebsvereinbarungen ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln gemäß §§ 6, 7 ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0050963). Die insbesondere auf den festgestellten Zweck der Betriebsvereinbarung beruhende Auffassung des Berufungsgerichts, die Betriebsvereinbarungsparteien hätten mit der Errichtung eines betriebsinternen Ermahnungs- und Verwarnsystems eine Alternative zur Auflösung des Dienstverhältnisses, aber keine zwingend einzuhaltenden Voraussetzungen für den Ausspruch einer Kündigung schaffen wollen, ist nicht zu beanstanden. Schließlich war auch die Übung im Betrieb so, dass nicht vor jeder Kündigung aus persönlichen Gründen das in der Betriebsvereinbarung festgelegte System von Verwarnungen eingehalten wurde. Die Betriebsvereinbarungsparteien haben – nach den bindenden Feststellungen – in der mit 1. 10. 2014 neu gefassten Betriebsvereinbarung diese Übung nunmehr auch schriftlich festgehalten, indem sie ausdrücklich vereinbart haben, dass das Recht des Dienstgebers, das Dienstverhältnis nach den Regeln des Angestelltengesetzes und des ABGB bzw des Kollektivvertrags zu kündigen, durch diese Betriebsvereinbarung unberührt bleibt.

Auch aus der schriftlich dokumentierten mündlichen Verwarnung des Klägers vom 15. 3. 2012 ist für den Kläger nichts zu gewinnen. Den darin enthaltenen Hinweis, dass eine neuerliche Verfehlung eine schriftliche Verwarnung im Sinn der Betriebsvereinbarung nach sich ziehe und in weiterer Folge das Dienstverhältnis aufgelöst werden könne, durfte der Kläger schon aufgrund der bestehenden Übung im Betrieb nicht so verstehen, dass die Beklagte damit ihr Kündigungsrecht einschränken wollte.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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