JudikaturOGH

25Ds1/17i – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts wegen Schuld gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Kärntner Rechtsanwaltskammer vom 24. November 2016, AZ D 13/15, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, des Kammeranwalts Dr. Tschurtschenthaler, des Beschuldigten und seines Verteidigers Mag. Peter Poppmeier zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** vom wider ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe

1./ zwischen 13. und 16. Februar 2015 im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts Klagenfurt als Verfahrenshelfer des Angeklagten Andreas F***** nach Abweisung eines Vertagungs und Enthebungsantrags diesem mitgeteilt, dass er für ihn nicht zuständig sei;

2./ am 16. Februar 2015 über telefonische Nachfrage der zuständigen Gerichtsbeamtin erklärt, „dass er nicht zur Verhandlung komme, nur weil die komische Richterin das nicht einsieht“; sowie

3./ am selben Tag über telefonische Nachfrage der Richterin diese als „überheblich“ bezeichnet und angemerkt, dass „sie keinen Finger rühren würde und wenn sie sich entscheiden würde, dann innerhalb von zwei Sekunden“.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen des Disziplinarrats wurde der Beschuldigte im genannten Strafverfahren als Verfahrenshilfeverteidiger für den Angeklagten bestellt. Infolge einer Terminkollision beantragte er die Vertagung der für 9. März 2015 ausgeschriebenen Hauptverhandlung. Die Verhandlungsrichterin wies diesen Antrag ab. Der Beschuldigte informierte den Angeklagten, dass er sich bemüht habe, als Verfahrenshelfer umbestellt zu werden und dass dieser schon hören werde, wer die Verhandlung verrichte. Tatsächlich beauftragte der Beschuldigte hiefür einen Substituten. Am 16. Februar 2015 rief die zuständige Beamtin der Strafabteilung den Beschuldigten an und teilte ihm mit, dass seinem Vertagungsantrag nicht stattgegeben wurde. Hierauf äußerte der Beschuldigte, dass er nicht zur Verhandlung komme, nur weil die „komische Richterin“ das nicht einsehe. In der Folge rief die zuständige Richterin den Beschuldigten an. Bei diesem Gespräch bezeichnete der Beschuldigte sie als „überheblich“ und äußerte sinngemäß, dass sie sich nur zwei Sekunden Zeit nehme, um einen Beschluss zu fassen. Beide Telefonate wurden in einer (erkennbar gemeint: jeweils beidseitig) „emotional aufgeheizten Stimmung“ geführt und entfalteten „keine Außenwirkung“.

Aus Sicht des Disziplinarrats fanden die Äußerungen des Beschuldigten in § 9 Abs 1 RAO Deckung und waren vom Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst.

Während der Freispruch hinsichtlich der vorgeworfenen Fehlinformation des Angeklagten (1./) unangefochten in Rechtskraft erwuchs, bekämpft der Kammeranwalt jenen in Bezug auf die Äußerungen gegenüber der Gerichtsbeamtin (2./) und der Richterin (3./) mit Berufung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) strebt erkennbar einen Schuldspruch sowohl wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung (§ 1 Abs 1 erster Fall DSt) als auch wegen jenes der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) an.

M it der bloßen Behauptung, das Recht gemäß § 9 Abs 1 RAO, alles zur Vertretung seiner Partei für dienlich Erachtete unumwunden vorzubringen, gelte nicht für Unmutsäußerungen ohne Zusammenhang mit einer Vertretungshandlung, legt die Berufung nicht dar, welche konkrete Berufspflicht iSd § 1 Abs 1 erster Fall DSt durch das Verhalten des Beschuldigten verletzt worden sei (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 5; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 , 857) und entbehrt daher insoweit einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung des geltend gemachten materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116569 ).

Soweit die Rechtsrüge einen Schuldspruch wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes begehrt, legt sie wiederum nicht dar, warum die Äußerungen als so schwerwiegend anzusehen seien, dass sie ungeachtet dessen, dass sie nach den Feststellungen keinem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangten und somit „keine Außenwirkung“ entfalteten, ausnahmsweise dennoch die Gefahr der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach sich gezogen hätten (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 12 f). Vielmehr geht die Berufung sogar davon aus, dass ein auf § 3 DSt gestützter (also geringfügiges Verschulden und keine oder nur unbedeutende Folgen voraussetzender) Freispruch vertretbar gewesen wäre.

Ihr war daher ein Erfolg zu versagen.

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