4Ob236/16h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Dr. S***** R*****, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Trummer Thomas Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Land Burgenland, *****, vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 3.172.272,46 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. März 2016, GZ 14 R 165/15k 46, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 18. August 2015, GZ 2 Cg 26/09x 42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 6.872,76 EUR (darin 1.145,46 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das beklagte Land war Eigentümer der H***** Bank ***** AG. Im Zuge der Privatisierung dieser Bank trat die Gemeinschuldnerin (im Folgenden: Klägerin) als Mitglied eines österreichisch-ukrainischen Bieterkonsortiums als Mitbieterin auf; den Zuschlag erhielt jedoch eine österreichische Versicherungsgesellschaft (G*****), obwohl sie einen geringeren Kaufpreis als die Klägerin geboten hatte.
Aufgrund einer Beschwerde der Klägerin sprach die Europäische Kommission aus, dass die beklagte Partei beim Verkauf ihrer Anteile an der Bank den Käufern unter Verletzung des Art 88 Abs 3 EGV eine rechtswidrige staatliche Beihilfe gewährt habe, die der Differenz zwischen den beiden im Rahmen der Ausschreibung abgegebenen endgültigen Preisangeboten entspreche; Österreich müsse diese Kaufpreisdifferenz (in Höhe von 54,7 Mio EUR) von den Käufern zurückfordern. Die Republik Österreich, die beklagte Partei und die Käuferin bekämpften diese Entscheidung erfolglos beim Europäischen Gericht; die gegen dessen Entscheidungen gerichteten Rechtsmittel wies sodann der EuGH mit Urteil vom 24. 4. 2013 zu C 214/12P, C 215/12P und C 223/12P zurück.
In einem Vorprozess begehrte die Klägerin die Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen der beklagten Partei und der G*****. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Sache zu 4 Ob 209/13h ausgesprochen, dass das Unionsrecht weder die Rückabwicklung des Kaufvertrags über die Aktien noch die Nichtigkeit des Kaufvertrags mit der G***** fordert. Die Folge des Vorliegens einer nach dem Unionsrecht unzulässigen Beihilfe ist vielmehr nur die – vom beklagten Land zu erfüllende – Verpflichtung der Republik Österreich, die Beihilfe von der G***** zurückzufordern, was durch eine Aufzahlung des Erwerbers an den Veräußerer erfolgen kann. Auch das nationale Lauterkeitsrecht gewährt keinen weitergehenden Anspruch.
Die Klägerin begehrt nunmehr Schadenersatz für die ihr durch die Teilnahme am Bieterverfahren entstandenen Kosten für Finanz- und Unternehmerberaterleistungen, Rechtsberatung, Übersetzungen, Öffentlichkeitsarbeit, Reisetätigkeit ua. Sie sei im Bieterverfahren diskriminiert worden, und die beklagte Partei habe nur Scheinverhandlungen mit ihr geführt. Es sei nicht richtig, dass durch die Übernahme der Bank durch die Klägerin ein Abwandern von Kunden gedroht hätte und dass die Zustimmung der Finanzmarktaufsicht (FMA) für den Fall des Verkaufs an die Klägerin versagt worden wäre. Die beklagte Partei wäre verpflichtet gewesen, die Klägerin unter diesen Umständen zum ehestmöglichen Zeitpunkt aus dem Bieterverfahren auszuscheiden. Da sie dies unterlassen habe, hafte sie der Klägerin für deren Aufwand im Bieterverfahren. Trotz der Beschwerde der Klägerin bei der Europäischen Kommission habe die beklagte Partei das Closing durchgeführt und damit gegen das Durchführungsverbot verstoßen. Aus diesen Rechtsverstößen resultierten Schadenersatzansprüche der Klägerin wegen culpa in contrahendo, nach § 1 iVm § 16 UWG wegen Rechtsbruchs sowie wegen Staatshaftung und Schutzgesetzverletzung.
Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, im „Process Letter“, den die sie beratende Investmentbank an alle Bieter versandt habe, sei darauf hingewiesen worden, dass kein Anspruch auf Vertragsabschluss bestehe und die Verkäuferin unter keinen Umständen für Kosten oder sonstige Aufwendungen der Interessenten hafte, die diesen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Verkaufsprozess entstünden. Im Laufe der Verhandlungen habe sich herausgestellt, dass die Klägerin kein Garant für die solide Führung der Bankgeschäfte gewesen wäre. Ein Verkauf an das klägerische Konsortium hätte zu einem erheblichen Abfluss an liquiden Mitteln der Bank führen können. Auch die von diesem beabsichtigte Integration einer ukrainischen Bank hätte für die beklagte Partei (wegen ihrer Ausfallshaftung) ein großes Risiko bedeutet; außerdem sei unklar gewesen, ob die FMA die Transaktion genehmigt hätte. Die Höhe des Kaufpreises sei nicht das einzige Zuschlagskriterium gewesen, ein wesentlicher Punkt sei unter anderem auch die Transaktionssicherheit gewesen. Die Klägerin hätte bis zum Schluss der Vertragsverhandlungen keinen Nachweis dafür vorlegen können, dass im Fall eines Zuschlags an das Konsortium für die Bank gesicherte Refinanzierungslinien in Ansehung des erwarteten Kapitalabflusses zur Verfügung stünden. Die Klägerin habe auch wiederholt versprochen, einen strategischen Partner zu suchen, der sich am Kauf beteilige; ein solcher sei jedoch bis zum Schluss der Verkaufsverhandlungen nicht präsentiert worden.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Schadenersatzansprüche seien schon dem Grunde nach nicht berechtigt, sodass es sich erübrige, auf den vereinbarten Haftungsausschluss einzugehen. Soweit sich die Klägerin auf Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten stütze, sei nach den Feststellungen bis zur Entscheidungsfindung keineswegs schon festgestanden, dass die Bank nicht an das Konsortium der Klägerin verkauft werde. Auch eine Benachteiligung der Klägerin im Bieterverfahren könne nicht festgestellt werden. Es wäre an der Klägerin gelegen, nach den Hinweisen der beklagten Partei auf die problematische Refinanzierungssituation ihr Angebot zu modifizieren und entsprechende Sicherheiten bereitzustellen. Der beklagten Partei könne nach den gegebenen Umständen nicht vorgeworfen werden, die Klägerin nicht schon früher aus dem Bieterprozess ausgeschieden zu haben. Das Durchführungsverbot des Art 108 Abs 3 Satz 3 AEUV sei ein Schutzgesetz iSv § 1311 ABGB. Die beklagte Partei habe zwar dagegen verstoßen, indem sie noch vor der Genehmigung der Beihilfe durch die Europäische Kommission den Verkauf durchgeführt habe; ein Anspruch auf die in diesem Prozess geltend gemachten Kosten und Aufwendungen ergebe sich daraus aber mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs nicht. Der Schutzweck des Durchführungsverbots erstrecke sich nämlich darauf, einen volkswirtschaftlich schädlichen Subventionswettlauf unter den Mitgliedstaaten und die damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Aus demselben Grund sei auch ein Staatshaftungsanspruch der beklagten Partei zu verneinen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Schadenersatzansprüchen wegen gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfengewährung und zur Frage des Schutzzwecks des unionsrechtlichen Durchführungsverbots zulässig sei. Weder die Europäische Kommission noch das Europäische Gericht oder der EuGH hätten mit bindender Rechtskraftwirkung ausgesprochen, dass das klägerische Bieterkonsortium im Bieterverfahren der Bestbieter gewesen sei. Die rechtswidrige Beihilfe bestehe nur im zu wenig bezahlten Kaufpreis, nicht aber im Unternehmenserwerb selbst und somit auch nicht in der Erteilung des Zuschlags. Die Schadenersatzansprüche der Klägerin, die sich darauf stützten, dass sie bzw das klägerische Bieterkonsortium in analoger Anwendung des Vergaberechts Bestbieter gewesen sei und daher ihr anstelle der G***** der Zuschlag erteilt hätte werden müssen, gingen daher mangels Rechtswidrigkeit ins Leere. Auch aus einem Rechtsbruch nach § 1 UWG ließe sich kein Schadenersatzanspruch begründen, weil die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin nicht darauf abzielten, die G***** dazu zu verhalten, die wettbewerbswidrig erhaltene Beihilfe zurückzuzahlen und damit die wettbewerbswidrige Begünstigung auszugleichen. Sie würden daher nicht vom Schutzzweck der übertretenen Norm (Art 108 AEUV) erfasst, sodass es am Rechtswidrigkeitszusammenhang für eine Haftung aus Schadenersatz mangle.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts – in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision geht auf die vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfragen nicht näher ein, sondern erachtet die Revision aus zwei (anderen) Gründen als zulässig: Einerseits sei das Berufungsgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Bindungswirkung abgewichen (die Entscheidung der Kommission, dass die Klägerin im Bieterverfahren diskriminiert worden sei, sei für den hier geführten Schadenersatzprozess bindend), andererseits weiche das Berufungsgericht von den vom Obersten Gerichtshof entwickelten Leitsätzen zur Prüfung von Schadenersatzansprüchen des übergangenen Bestbieters im Vergabeverfahren ab. Damit zeigt die Klägerin jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf (vgl RIS Justiz RS0102059):
2. Zur Bindungswirkung ist auszuführen, dass zwar unstrittig ist, dass (gemäß den rechtskräftigen Entscheidungen der europäischen Instanzen) die beklagte Partei der G***** eine unionsrechtswidrige Beihilfe gewährt hat. Die Europäische Kommission hat dies in ihrer Entscheidung 2008/719/EG allerdings nicht mit einer Diskriminierung der Klägerin im Bieterverfahren begründet, sondern hält dazu in Rz 142 vielmehr ausdrücklich fest, dass die Klägerin aus rein verfahrensrechtlicher Sicht nicht benachteiligt wurde. Von einem Verstoß gegen eine Bindungswirkung kann daher schon aus diesem Grund keine Rede sein. Im Übrigen handelt es sich bei der Bekämpfung der entsprechenden Feststellungen der Vorinstanzen um eine in dritter Instanz unzulässige Tatsachenrüge.
3. Zum Abweichen des Berufungsgerichts von Rechtsprechung zu Schadenersatzansprüchen macht die Klägerin geltend, dem übergangenen Bieter gebühre der Ersatz des Erfüllungsinteresses, wenn ihm bei rechtmäßiger Vorgangsweise der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die gegenständliche Klage auf Ersatz des Vertrauensschadens wegen nicht rechtzeitigen Ausscheidens aus dem Bieterverfahren gerichtet ist. Den Revisionsausführungen zum Erfüllungsinteresse kommt daher keine Relevanz zu. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels kann somit nicht darauf gestützt werden.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.