JudikaturOGH

1Ob52/17d – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** S*****, und 2. M***** S*****, vertreten durch Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwalt in Eugendorf, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde N*****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 40.000 EUR sA, über die „außerordentliche“ Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2017, GZ 4 R 159/16d 63, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. April 2016, GZ 12 Cg 31/14b 50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Kläger erheben als vormalige Hälfteeigentümer einer Liegenschaft Zahlungsansprüche über insgesamt 40.000 EUR samt Zinsen, die sie folgendermaßen begründen: Im Flächenwidmungsplan der beklagten Gemeinde sei – aufgrund eines dem Gefahrenzonenplan anhaftenden Koordinatenfehlers der Wildbach und Lawinenverbauung – bei dem von ihnen im Jahr 2002 erworbenen Grundstück die rote Gefahrenzone zu schmal ausgewiesen gewesen. Wäre den Klägern der wahre Verlauf der roten Zone bekannt gewesen, hätten sie vom Kauf Abstand genommen. Nachdem die Gefährdung der Liegenschaft später bekannt geworden sei, sei diese nur mehr mit Verlust veräußerbar. Nach Veräußerung der Liegenschaft änderten die Kläger ihr ursprünglich erhobenes Feststellungsbegehren in ein Zahlungsbegehren über 10.000 EUR samt Zinsen ab und verwiesen darauf, die Liegenschaft habe zumindest um diesen Betrag billiger verkauft werden müssen. Zu einem weiteren Teilbegehren über 30.000 EUR samt Zinsen brachten sie vor, der Beklagten sei im Oktober 2008 durch Übermittlung eines „bereinigten“ Gefahrenzonenplans der ursprüngliche Planfehler zur Kenntnis gelangt. Sie habe aber die Kläger weder verständigt noch konkret auf ihr Grundstück bezogene Maßnahmen zur Gefahrenvermeidung oder (nicht näher konkretisierte) Auflagen angeordnet. Bei einem Hochwasserereignis im Jahr 2012 seien an der Liegenschaft der Kläger und dem Inventar Schäden in einer den Betrag von 30.000 EUR weit übersteigenden Höhe entstanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche“ Revision der Kläger legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof unmittelbar zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Hat das Berufungsgericht über mehrere Entscheidungsgegenstände entschieden, deren Werte nicht zusammenzurechnen sind, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (§ 55 Abs 4 JN). Eine Zusammenrechnung der einzelnen Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN kommt nur in Frage, wenn diese in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS Justiz RS0042741). Ein solcher liegt nur vor, wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RIS Justiz RS0037905).

Dieses Kriterium ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, leiten die Kläger ihre Ersatzansprüche doch aus zwei unterschiedlichen Handlungen bzw Unterlassungen der Beklagten ab. Die Teilforderung über 10.000 EUR wurde – im nunmehrigen Verfahrensstadium wird den Organen der Beklagten insoweit kein Verschuldensvorwurf mehr gemacht – darauf gestützt, dass zum Zeitpunkt ihres Erwerbs im Jahr 2002 die rote Gefahrenzone im Flächenwidmungsplan unrichtig ausgewiesen worden sei; bei Kenntnis dieses Umstands hätten sie die Liegenschaft nicht erworben und hätten den beim Weiterverkauf eingetretenen Differenzschaden nicht erlitten. Die Ersatzansprüche wegen der Hochwasserschäden werden hingegen aus behaupteten rechtswidrigen Unterlassungen ab dem Jahr 2008 abgeleitet. Damit liegen beide vom Berufungsgericht behandelten – und hinsichtlich der Revisionszulässigkeit gesondert zu beurteilenden – Entscheidungsgegenstände im Bereich zwischen 5.000 und 30.000 EUR.

Daher kann das Urteil des Berufungsgerichts nicht mittels außerordentlicher Revision angefochten werden. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob die Eingabe der Kläger als ein (mit einer ordentlichen Revision verbundener) Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zu qualifizieren ist. Bejahendenfalls wird es die Akten dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Andernfalls werden die Kläger unter Fristsetzung zur Verbesserung aufzufordern sein (RIS Justiz RS0109623 [T4], RS0109501 [T8] ua).

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