JudikaturOGH

11Os147/16a – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen C***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 4. Oktober 2016, GZ 34 Hv 84/16z 20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde C***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1) sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in T***** A*****

(1) am 26. Jänner 2016 mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich des Oralverkehrs, genötigt, indem er sie am Oberarm und an der Bekleidung packte, sie an den Haaren zog, ihr drei Ohrfeigen versetzte, sie zu Boden stieß und ihr Gesicht mehrmals zu seinem entblößten Penis drückte;

(2) am 27. Jänner 2016 durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Veröffentlichen einer Bildaufnahme zu einer Handlung, nämlich zum nochmaligen Erscheinen in seiner Wohnung, zu nötigen versucht, indem er ihr mit einer telephonischen Textbotschaft des Inhalts: „Glaubi da heit bist in Internet als Bl“ ankündigte, andernfalls ein Lichtbild, das sie beim Oralverkehr zeigt, im Internet online zu stellen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) zu Recht abgelehnt (ON 19 S 15 verso) wurden die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge (ON 19 S 15) des Angeklagten

- auf „Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens“ zum Beweis dafür, dass „die in AS 5/ON 3 ersichtliche Rötung im Gesicht der A***** nicht in kausalem Zusammenhang mit einem körperlichen Übergriff des Angeklagten stehe, sondern auch die Folge eines Hautausschlages sein könne“, sowie

- auf „Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, zumal vor dem Hintergrund der zeugenschaftlichen Deponate der […] E*****, die von Depressionen der A***** sprach, nicht ausgeschlossen werden könne, dass auf Grundlage dieser Depressionen eine Falschbezichtigung des Angeklagten erfolgt sei“.

Ersterem Antrag war nämlich weder zu entnehmen, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis (kein kausaler Zusammenhang mit einem körperlichen Übergriff gerade des Angeklagten) erwarten lasse, noch ließ er einen Konnex zur Schuld- oder zur Subsumtionsfrage erkennen (RIS-Justiz RS0118444). Im Übrigen ging das Erstgericht ohnedies nicht davon aus, dass die in Rede stehende Hautrötung auf Tätlichkeiten des Angeklagten zurückzuführen sei (US 9 f).

Die Hilfestellung von Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen wiederum kommt nur ganz ausnahmsweise bei – durch Beweisergebnisse aktenmäßig belegten – Anhaltspunkten für solche psychischen Störungen in Betracht, die entweder erheblich sind und dem Grad des § 11 StGB nahekommen oder gegen die allgemeine Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit oder die Aussageehrlichkeit dieses Zeugen schlechthin sprechen (RIS Justiz RS0097733, RS0120634; Hinterhofer , WK-StPO § 126 Rz 8). Der zur Begründung des zweiten Antrags herangezogene Hinweis, wonach das Opfer (unabhängig von der vom Schuldspruch 1 erfassten Tat) an Depressionen leide, indiziert aber keinen solchen Ausnahmefall.

Im Übrigen hat es der Antragsteller verabsäumt, darzulegen, warum anzunehmen sei, dass sich die – zur Mitwirkung an einer entsprechenden Befundaufnahme nicht verpflichtete – Zeugin hierzu bereitfinden werde (RIS Justiz RS0118956; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 350).

Sowohl das auf Z 5 als auch das auf Z 9 lit a gestützte Beschwerdevorbringen setzt den Beweiswerterwägungen des Erstgerichts – unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (RIS-Justiz RS0102162) – eigenständige Überlegungen (zum Tatmotiv des Angeklagten [RIS-Justiz RS0088761], zur Überzeugungskraft der Angaben des Angeklagten und der tatbetroffenen Zeugin [RIS Justiz RS0106588] und zu den möglichen Ursachen einer [auf einem bei Anzeigenerstattung angefertigten Lichtbild ersichtlichen] Rötung im Gesicht des Opfers) entgegen. Damit wird bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.

Soweit erkennbar Sachverhalte behauptet werden, die den Prüfungskriterien eines Nichtigkeitsgrundes entsprechen, sei entgegnet:

Das Schöffengericht erachtete die Angaben des Opfers zum Tathergang – auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass dieses den Angeklagten an Körpergewicht weit übertrifft (US 4, 11 f) – als glaubhaft und gründete darauf seine den Schuldspruch 1 tragenden Feststellungen (US 8 bis 16).

Entgegen dem Einwand „unstatthafter Vermutungen zu Ungunsten des Angeklagten“ (Z 5 vierter Fall) ist diese Schlussfolgerung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Die Beschwerdevorwürfe, das Erstgericht habe sich mit bestimmten Verfahrensergebnissen „nicht auseinandergesetzt“ (nominell teils auch Z 9 lit a, der Sache nach nur Z 5 zweiter Fall), stellen ausnahmslos keinen Bezug zu entscheidenden – nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 391, 399) – Tatsachen her und entziehen sich schon deshalb einer meritorischen Erwiderung.

Im Übrigen hat das Schöffengericht

- den Umstand, dass die Zeugin E***** nicht schon in der polizeilichen Vernehmung, sondern erst in der Hauptverhandlung angab, einen „roten Fleck“ im Gesicht des Opfers wahrgenommen zu haben, als dieses ihr vom Tatgeschehen laut Schuldspruch 1 berichtet habe (ON 19 S 11 verso),

- die Aussage dieser Zeugin, A***** habe ihr erzählt, schon zuvor an Depressionen gelitten zu haben und deshalb medikamentös therapiert worden zu sein (ON 19 S 13 f), sowie

- die Aussage des Zeugen W*****, wonach A***** auf einem Lichtbild, das sie auf einer Geburtstagsfeier im Februar 2016 zeige, einen „ziemlich fröhlichen Eindruck“ vermittle (ON 19 S 13 verso),

den Beschwerdebehauptungen zuwider ohnedies erwogen (US 15, 15 f und 16).

Die – im Rechtsmittel zudem aus dem Zusammenhang gelöst wiedergegebene (siehe aber RIS-Justiz RS0116504) – Einschätzung der Zeugin E*****, der Angeklagte sei (gemeint nämlich: zur Zeit der Befragung) „harmlos“ (ON 19 S 11 verso), bedurfte schon deshalb keiner Erörterung in den Urteilsgründen (Z 5 zweiter Fall), weil Meinungen und Mutmaßungen kein Gegenstand des Zeugenbeweises sind (RIS-Justiz RS0097573 [insbesondere T9]).

Die vom Nichtigkeitswerber (betreffend Schuldspruch 2) vermissten Feststellungen zum Nötigungsziel (nominell Z 5, inhaltlich Z 9 lit a) finden sich – von der Beschwerde prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) missachtet – in US 7.

Welcher – über die vom Erstgericht ohnedies getroffenen (US 5 bis 7 zu Schuldspruch 1, US 7 zu Schuldspruch 2) hinausgehenden – „Feststellungen zur objektiven bzw. subjektiven Tatseite“ es seiner Ansicht bedurft hätte (Z 9 lit a), sagt der Rechtsmittelwerber nicht (siehe aber RIS-Justiz RS0118342).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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