JudikaturOGH

11Os39/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen G***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 14. April 2016, GZ 41 Hv 1/16m 23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde G***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (I./1./), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 StGB idF BGBl I 2001/130 (I./2./) sowie der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB idF BGBl I 1988/599 (I./3./), des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl I 2006/56 (I./4./) und der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in ***** und an anderen Orten

I./ Ende April 2013

1./ K***** mit Gewalt, indem er ihre Arme mit seinen Händen festhielt, sie niederdrückte und sein Glied in ihre Vagina einführte, zur Duldung des Beischlafs genötigt;

2./ durch die zu I./1./ beschriebene Handlung mit der am ***** 2000 geborenen, somit unmündigen K***** den Beischlaf unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung der unmündigen Person zur Folge hatte;

3./ durch die zu I./1./ beschriebene Handlung mit seiner Tochter, somit mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen;

4./ durch die zu I./1./ beschriebenen Handlung mit seiner minderjährigen Tochter eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;

II./ zwischen 24. Juli 2012 und 17. Mai 2014 sich pornographische Darstellungen unmündiger und mündiger Minderjähriger verschafft, indem er mehrere Tausend derartiger Bild- und Videodateien über das Internet auf seinen Computer herunterlud und auf seiner Festplatte speicherte, welche Abbildungen der Genitalien und der Schamgegend Minderjähriger, welche reißerisch verzerrt, auf sich selbst reduziert und von anderen Lebensäußerungen losgelöst waren, enthalten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Vorab ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. März 2017 den auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG gestützten Antrag des Angeklagten, in § 281 Abs 1 Z 5a StPO die Wortfolge „aus den Akten erhebliche“, in eventu das Wort „erhebliche“ sowie § 207a Abs 3 StGB zur Gänze, in eventu das Wort „sich“ sowie die Wortfolge „verschafft oder eine solche“ als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen hat (G 249–250/2016).

Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider führt der vom Beschwerdeführer behauptete (nach Ansicht des Beschwerdeführers in der über Wunsch der minderjährigen Zeugin zugestandenen Vermeidung bestimmter Wörter gelegene) Formfehler im Ablauf einer kontradiktorischen Vernehmung nicht per se zur Nichtigkeit der Verlesung des dabei aufgenommenen Protokolls gemäß § 252 Abs 1 Z 2a StPO. Der Einwand einer Verletzung des aus Art 6 Abs 3 lit d MRK abgeleiteten Rechts auf Fragestellung wäre aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO geltend zu machen, scheitert aber daran, dass der Angeklagte sich gegen die gemäß § 252 Abs 2a StPO mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten erfolgte (RIS Justiz RS0127712; Kirchbacher , WK StPO § 252 Rz 134, 141, 147) Verlesung in der Hauptverhandlung nicht durch entsprechende Antragstellung zu Wehr setzte (ON 22 S 22; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 365).

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte der Antrag auf Vernehmung der H***** zum Beweis, „dass sich K***** nach dem behaupteten Vorfall Ende April 2013 völlig normal verhalten hat, es nachfolgend Kontakte mit dem Angeklagten gab wie diese auch zuvor stattgefunden haben“, und dass „die diagnostizierten Störungen vorwiegend auf den Vorfall in der Türkei … zurückgehen“ (ON 22 S 20 f), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil weder die Frage nachfolgender Kontakte zum Angeklagten noch das Verhalten des Opfers nach der Tathandlung erhebliche Tatsachen betreffen (RIS-Justiz RS0116503, RS0118319) und der weitere Antrag nicht darlegte, weshalb die beantragte Beweisführung das behauptete Ergebnis zur Zuordnung der erwähnten Störungen erwarten lassen könnte (RIS-Justiz RS0099189).

Unter Verweis auf Art 6 MRK kritisiert der Beschwerdeführer (Z 4) die im Rahmen der Prozessleitung durch den Vorsitzenden verfügte Nichtzulassung von Fragen seines Verteidigers zu Vorfällen während eines Türkeiurlaubs (ON 22 S 16 f). Damit wird aber bereits der in einer Entscheidung des Schöffensenats gelegene Anfechtungsgegenstand der Verfahrensrüge verfehlt (RIS Justiz RS0097971; Ratz , WK StPO § 281 Rz 303).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) – ohne Bezugnahme auf den jeweils angezielten Schuldspruch – zahlreiche Urteilspassagen (teilweise hervorhebend) zitiert, sich damit jedoch nicht konkret auseinandersetzt, sondern daran lediglich die zusammenfassende Behauptung anschließt, diese Begründungselemente würden „als Scheinbegründungen, Unvollständigkeiten und Undeutlichkeiten für den sie tragenden Schuldspruch“ nicht ausreichen, macht sie kein Begründungsdefizit geltend und entzieht sich mangels jeglicher argumentativer Verknüpfung einer inhaltlichen Erwiderung.

Letzteres gilt auch für die Ausführungen zu behaupteten Widersprüchen in den Urteilserwägungen zur Motivationslage des Opfers und zu diversen – von der Rüge nicht näher konkretisierten – tatrichterlichen Hinweisen auf die Lebenserfahrung sowie „offensichtliche oder augenscheinliche“ Umstände.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) beschränkt sich darauf, aus einzelnen Beweisergebnissen zur Beischlaffähigkeit des Angeklagten sowie zur Wahrscheinlichkeit, dass der Beischlaf nicht durchgeführt, sondern bloß „angedeutet“ worden sei, eigenständige Schlüsse zu ziehen und weiters – teilweise unter Hinweis auf Beweisergebnisse zum sonstigen Sexualverhalten des Opfers – die tatrichterliche Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Geschädigten in unzulässiger Weise (RIS Justiz RS0099649) zu hinterfragen. Im Ergebnis argumentiert damit auch sie allein auf dem Niveau einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS-Justiz RS0098471 [T1]) und verfehlt solcherart die prozessgemäße Darstellung des geltend gemachten, lediglich auf unerträgliche Beweiswürdigungsergebnisse abstellenden Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Aufgrund des eingangs zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs erübrigt sich ein Eingehen auf die Anregung des Angeklagten, der Oberste Gerichtshof möge einen Antrag an diesen (siehe dazu im Übrigen RIS-Justiz RS0130514; vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 597 und § 285j Rz 4–6) auf Aufhebung der in § 281 Abs 1 Z 5a StPO enthaltenen Wortfolge „aus den Akten erhebliche“ stellen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO ist festzuhalten, dass die in Ansehung des Schuldspruchs II./ vorgenommene – weil die zum Urteilszeitpunkt geltende Rechtslage (BGBl I 2015/154) für den Angeklagten im Vergleich zum Tatzeitrecht günstiger war (§ 61 StGB; RIS Justiz RS0088989; 11 Os 99/16t) – verfehlte Anwendung des § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 sich nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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