JudikaturOGH

11Os8/17m – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. März 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. März 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Richard S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 30. August 2016, GZ 37 Hv 6/16h 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Betroffene Richard S***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Demnach hat er am 26. Jänner 2016 in S***** unter dem Einfluss eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich dem Zustand einer akuten psychotischen Exazerbation der bei ihm vorliegenden paranoiden Schizophrenie,

1./ „Petra Sc***** dadurch, dass er sie von hinten angegriffen und ihr mit einem Brotmesser mit einer 25 bis 30 cm langen Klinge einen Schlag gegen ihre rechte Schläfe versetzt hat, wodurch sie eine Schädelprellung, eine Abschürfung im Bereich der rechten Schläfe und eine Schnittwunde im Bereich der rechten Schläfe, somit eine leichte Körperverletzung erlitt, versucht, absichtlich schwer am Körper zu verletzen,

2./ die Polizeibeamten Peter F*****, Thomas M***** und Sonja J***** durch Stechen mit einem Brotmesser mit einer Länge von 25 bis 30 cm in Richtung der Beamten, sohin mit Gewalt, an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme und Verbringung zur nächsten Polizeidienststelle, zu hindern versucht, und

3./ die Polizeibeamten Peter F*****, Thomas M***** und Sonja J***** während der Vollziehung ihrer Aufgaben durch die zu 2./ beschriebene Tathandlung, wenn auch nur fahrlässig, schwer am Körper zu verletzen versucht,“

somit Taten begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (1./), das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (2./) und das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 2, Abs 4 StGB (3./) zugerechnet würden und die jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Die in Bezug auf die Anlasstat 1./ eine Subsumtion (nur) nach § 83 Abs 1 StGB anstrebende Rüge vermisst Feststellungen dazu, ob der Angriff des Betroffenen die Eignung besaß, eine schwere Körperverletzung herbeizuführen; eine Klärung dieser Frage sei auch deshalb notwendig, weil das Erstgericht nicht festgestellt habe, „ob der Schlag gegen Petra Sc***** mit der Schneide der Klinge bzw mit dem platten Teil der Klinge geführt wurde“.

Solcherart orientiert sich die Rüge nicht am Verfahrensrecht. Denn sie legt nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (RIS Justiz RS0116565 ua; Ratz , WK StPO § 281 Rz 588 ff) dar, aus welchem Grund es zur rechtsrichtigen Subsumtion des Verhaltens des Betroffenen unter §§ 15, 87 Abs 1 StGB erforderlich sein sollte, neben der – zur subjektiven Tatseite getroffenen – Feststellung, dass es dem Betroffenen darauf ankam, „Sc***** durch das Versetzen eines Schlags mit einem Brotmesser mit einer 25 bis 30 cm langen Klinge gegen ihre rechte Schläfe, somit gegen den Gesichtsbereich, schwer am Körper zu verletzen“ (US 3), zusätzlich Feststellungen zur Eignung des objektiven Verhaltens, eine schwere Körperverletzung herbeizuführen, zu treffen.

Der mit diesem Vorbringen der Sache nach offenbar angesprochene absolut untaugliche Versuch (§ 15 Abs 3 StGB; dSn Z 9 lit a) würde im Übrigen voraussetzen, dass die einem Tatbestand entsprechende Sachverhaltsverwirklichung bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls geradezu denkunmöglich ist, somit unter keinen Umständen erwartet werden kann ( Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 70). Eine entsprechende Einwendung ist der Rüge – insoweit wird nämlich nur vorgebracht, dass „lediglich der Schlag mit der „Plattenseite“ eines Brotmessers nicht geeignet [sei], jedenfalls eine schwere Körperverletzung hervorzurufen“ – nicht zu entnehmen (RIS Justiz RS0115363, RS0102826, RS0098852, RS0090345, RS0089800).

Die lapidare Behauptung der die Anlasstat 3./ bekämpfenden Rechtsrüge (Z 9 lit a), dass weder zur Frage, ob „die Stichbewegungen […] geeignet waren, eine Verletzung bei den einschreitenden Polizeibeamten zu verursachen“, noch „zur objektiven Tatseite“ ausreichende Feststellungen getroffen worden seien, wird einer prozessordnungsgemäßen Darstellung eines Rechtsfehlers nicht gerecht (US 4 f; RIS Justiz RS0095939, RS0116569).

Das abschließende Vorbringen der gegen die Anlasstat 3./ gerichteten Rechtsrüge beschränkt sich auf den Hinweis auf isoliert betrachtete Details aus der Aussage eines Zeugen (wonach „die Distanz […] für einen Treffer mit einem Messer realistisch betrachtet einfach zu weit“ gewesen sei und der Betroffene die Bewegungen mit dem Messer nur gemacht habe, als er am Rücken liegend in der S***** getrieben sei [ON 20 S 10]); solcherart verfehlt die Rüge einmal mehr die prozessordnungsgemäße Ausführung (RIS Justiz RS0118342; Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 584, 593).

Trotz Antrags auf Totalaufhebung des Urteils enthält die Nichtigkeitsbeschwerde keinerlei Sachvorbringen zur Anlasstat 2./ (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung – bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zu der von der Generalprokuratur weiters vorgeschlagenen amtswegigen Maßnahme hinsichtlich der Subsumtion auch unter § 84 Abs 4 StGB sieht sich der Oberste Gerichtshof mangels jedweder Auswirkung auf die Anlasstaten, die Einweisungsentscheidung und die Strafkarte nicht veranlasst.

Über die (bloß angemeldete [vgl ON 27 S 12, ON 29], jedoch schriftlich nicht ausgeführte) Berufung wird gemäß § 285i StPO das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (vgl RIS Justiz RS0090270, RS0090208).

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