11Fss2/17h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz als weitere Richter über den von Andrzej S***** im Verfahren AZ 28 Hv 20/15g des Landesgerichts Innsbruck gestellten Fristsetzungsantrag nach Einsichtnahme durch die Generalprokuratur und Abstimmung gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo. 2005 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Nachdem ein Einspruch des Andrzej S***** gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 2. März 2015 (ON 197 der Hv-Akten) mit Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 25. März 2015, AZ 11 Bs 79/15b (ON 250), abgewiesen worden war, wurde Genannter mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Mai 2015 (ON 345) mehrerer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Genannten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19. Mai 2016, AZ 11 Os 106/15w (11 Os 107/15t, 11 Os 110/15h, 11 Os 121/15a; ON 523) gab das Oberlandesgericht Innsbruck seiner Berufung mit Urteil vom 29. Juni 2016, AZ 6 Bs 169/16w (ON 558), nicht Folge.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 stellte der Verurteilte den Antrag, der Oberste Gerichtshof möge im Zusammenhang mit dem vorgenannten Verfahren über den Anklageeinspruch jeweils angemessene Fristen für die Vornahme folgender Verfahrenshandlungen setzen:
1./ den Richtern des Oberlandesgerichts Innsbruck Dr. M*****, Dr. L***** und Dr. K***** zur Anzeige „ihrer Ausgeschlossenheit gemäß § 44 Abs 2, [43 Abs 2, Abs 3] StPO“ in Bezug auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 25. März 2015;
2./ dem Oberlandesgericht Innsbruck zur Entscheidung über die „mit Antrag vom 25. Oktober 2016 geltend gemachten Ausschließungsgründe“ hinsichtlich der zu 1./ genannten Richter bei Entscheidung über den Anklageeinspruch;
3./ dem Oberlandesgericht Innsbruck zur Entscheidung durch einen Senat von drei Richtern über den Einspruch des Antragstellers „vom 13. März 2015 bzw 23. März 2015“ (ON 223, 227) gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 2. März 2015 (ON 197);
4./ dem Oberlandesgericht Innsbruck zur „Vornahme der Einstellung des Verfahrens gemäß § 215 Abs 2 (§ 212 Z 1) StPO hinsichtlich der Subsumtionseinheit sui generis im Sinn eines Verbrechens nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, Z 2, 130 dritter und vierter Fall; 15 StGB […] infolge der Einstellungserklärung der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 10. Dezember 2014 zum Verfahren AZ 11 St 157/11p“ und zur „Zuweisung der Sache gemäß § 215 Abs 4 (§ 212 Z 5, Z 6) StPO hinsichtlich [...] der Vergehen nach § 229 Abs 1 StGB und nach § 241e Abs 3 StGB dem zuständigen Gericht“ mit der (neuerlichen) Entscheidung über den Anklageeinspruch.
Zur Begründung führte der Antragsteller aus, bislang habe noch kein „unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht“ über seinen Anklageeinspruch entschieden, weil die zu 1./ genannten Richter bereits im Ermittlungsverfahren, ua zu AZ 11 Bs 8/15m (ON 55) und AZ 11 Bs 83/15s (11 Bs 84/15p), mit Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen des Angeklagten befasst und daher von der Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift ausgeschlossen gewesen seien. Daraus folge, dass die in Rede stehende Anklageschrift nicht rechtswirksam geworden sei, was wiederum die Unwirksamkeit des am 19. Mai 2015 gefällten Strafurteils des zudem örtlich und sachlich unzuständigen Landesgerichts Innsbruck nach sich ziehe. Überdies sei im Hinblick auf die zu 4./ erwähnte Einstellungserklärung der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen das Verbot wiederholter Strafverfolgung (§ 17 StPO; Art 4 Z 1 7. ZPMRK) verstoßen worden. Die von der Polizei am 6. und 7. Dezember 2014 getätigten Ermittlungen seien trotz Fehlens inländischer Gerichtsbarkeit erfolgt. Letztlich habe das Oberlandesgericht Innsbruck bei seiner Berufungsentscheidung vom 29. Juni 2016 diese aus Sicht des Antragstellers vorliegenden Verfahrens- und Verfolgungshindernisse zu Unrecht nicht von Amts wegen aufgegriffen.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 91 Abs 1 GOG setzt der Erfolg eines Fristsetzungsantrags voraus, dass das betroffene Gericht mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung, etwa der Anberaumung oder Durchführung einer Tagsatzung oder Verhandlung, der Einholung eines Sachverständigengutachtens oder der Ausfertigung einer Entscheidung säumig ist.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck über den Anklageeinspruch des Beschwerdeführers erging im gegenständlichen Verfahren – wie dargestellt – am 25. März 2015 (AZ 11 Bs 79/15b), also noch vor Einbringung des vorliegenden Fristsetzungsantrags. Diese Entscheidung bewirkt ungeachtet nachträglich behaupteter Ausgeschlossenheit der daran beteiligten Richter die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift (§ 215 Abs 6 StPO). Des weiteren entfaltet auch das darauffolgende Berufungsurteil vom 29. Juni 2016 Rechtskraftwirkung (vgl dazu 11 Fss 1/17m im gegenständlichen Verfahren). Eine mehrmalige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über denselben Prozessgegenstand sieht die Strafprozessordnung nicht vor (vgl RIS Justiz RS0112232, RS0101911, RS0099017).
Da dem Oberlandesgericht Innsbruck nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens gerade keine konkret-aktuelle Kompetenz zur (neuerlichen) Entscheidung über den Anklageeinspruch (oder die Berufung) des Verurteilten zukommt, hat dieser auch keinen Anspruch auf inhaltliche Erledigung seines Begehrens auf Ausschließung von Richtern von der angestrebten, tatsächlich aber nicht mehr zulässigen Entscheidung (vgl RIS-Justiz RS0097075; Lässig , WK-StPO Vor §§ 43–47 Rz 4 und § 45 Rz 2, 7 f).
Mangels Beschwer des Antragstellers war der Fristsetzungsantrag daher zurückzuweisen.