JudikaturOGH

11Os3/17a – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen M***** M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. September 2016, GZ 21 Hv 33/16y 79, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte M***** M***** gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe am 21. März 2016 in W***** J***** W***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er die Genannte anlässlich eines ersten persönlichen Treffens im Stiegenhaus einer Wohnhausanlage unvermittelt zu küssen begann, sie am Hals erfasste und aufforderte, dass sie es „einfach über sich ergehen lassen“ solle, sie mit dem Rücken zu sich drehte, mit einer Hand an den Armen festhielt und an der Wand fixierte, ihr mit der anderen Hand die Leggings und die Unterhose herunterzog, ungeachtet ihrer Aufforderung, damit sofort aufzuhören, sich selbst entkleidete und anschließend mehrere Minuten lang den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, während er sie weiterhin festhielt und ihre Versuche, sich von ihm wegzudrücken, unterband und erst von ihr abließ, als er zum Samenerguss gekommen war und Christine P***** das Stiegenhaus betrat.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 „Z 5 iVm Z 9 lit a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Die Beschwerdeführerin behauptet der Sache nach Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil das Gericht die gegenüber W***** aufgestellte Behauptung des Angeklagten, Polizist zu sein, und dessen Vorstrafenbelastung nicht erörtert habe, und sich „nicht im erforderlichen Umfang“ damit auseinandergesetzt habe, dass dessen Darstellung zum Zustandekommen und zum Zweck des Treffens mit der Zeugin durch „objektive Beweisergebnisse“ widerlegt sei. Darüber hinaus habe das Gericht gegen ein sexuelles Interesse sprechende, an ihre Freundin und nach der Tat an den Angeklagten übermittelte Nachrichten W*****s übergangen und nicht begründet, weshalb es den vom Angeklagten geschilderten Geschehensablauf als glaubwürdiger erachtet, zumal M***** der Frau körperlich deutlich überlegen sei.

Das Erstgericht hat sich beweiswürdigend auf den „guten, persönlich glaubwürdigen Eindruck“ und die „glaubwürdigere Schilderung des Tatgeschehens“ durch den Angeklagten gestützt (US 8), während es der Zeugin W***** einen „auffällig unglaubwürdigen Eindruck“ attestierte (US 6). Soweit die Beschwerdeführerin diese Erwägungen als unbegründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert und diesbezüglich die Vorstrafenbelastung des Angeklagten und dessen tatsachenwidrige Behauptung, Polizist zu sein, ins Treffen führt, verkennt sie, dass die Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen durch die Tatrichter in der Regel

– so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist – mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht releviert werden kann (RIS Justiz RS0106588; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 431). Zwar könnte diese Beurteilung unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat, doch hat das Erstgericht – was die Beschwerdeführerin prozessordnungswidrig übergeht (RIS Justiz RS0119370; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 394, 455) – sowohl die genannten Argumente als auch jene, die es als gegen den von der Zeugin W***** geschilderten Geschehensablauf sprechend erachtete, ohnedies erörtert (US 3, 4, 6 f).

Dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend war das Gericht nicht verhalten, sämtliche Verfahrensergebnisse – wie die Angaben zum Zustandekommen und Zweck des Treffens sowie den gesamten Chat-Verlauf – darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (RIS-Justiz RS0106642; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 428). Darüber hinaus sind einzelne beweiswürdigende Erwägungen zu diesen keine notwendige Bedingung für die Feststellungen entscheidender Tatsachen bildenden Umstände, die erst in Zusammenschau mit weiteren – wie den persönlichen Eindruck und den in US 6 f zusätzlich genannten – Beweisergebnissen zur Überzeugung des Gerichts von der Glaubwürdigkeit des Angeklagten führten, aus Z 5 nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0099649; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 410).

Die Beschwerdeführerin zieht weiters den Schluss, aus der Urteilspassage „Die von der Zeugin … geschilderte Position … bei gleichzeitig versuchter Gegenwehr ist in der geschilderten Weise nicht nachvollziehbar und daher unglaubwürdig“ gehe hervor, dass das Erstgericht von einem Abwehrversuch ausging. Die weitere Wendung, es sei „nicht nachvollziehbar …, weshalb sich die Zeugin nicht zu wehren versucht hat ...“ (beides US 7) stünde dazu im Widerspruch (Z 5 dritter Fall). Die Mängelrüge unterlegt bloß der erstgenannten Textstelle eine sprachlich nicht plausible Bedeutung und bedarf demgemäß keiner weiteren Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

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